Auf hartem Kurs - Die Zukunft des Grimme-Instituts hängt in der Luft

Von Stefan Laurin (KNA)

MEDIENFORSCHUNG - Anfang dieser Woche feierte das Grimme-Institut sein 50-jähriges Bestehen im Düsseldorfer Landtag. Doch angesichts der Finanzlage bestand für eine ausgelassene Party kein Anlass. NRW als Hauptgeldgeber verlangt "Fokussierung".

| KNA Mediendienst

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Festakt zu 50 Jahren Grimme-Institut

Foto: Georg Jorczyk/Grimme-Institut/KNA

Düsseldorf/Marl (KNA) Beim Festakt zum 50-jährigen Bestehen des Grimme-Instituts im nordrhein-westfälischen Landtag gab es natürlich auch lobende Worte für die Forschungseinrichtung: "Eine funktionierende Demokratie braucht freie und gewissenhaft arbeitende Medien", sagte Landtagspräsident Andre Kuper. Das Grimme-Institut habe seit 50 Jahren für Orientierung in einer sich schnell ändernden Medienwelt gesorgt. Auch nach fünf Jahrzehnten stehe das Grimme-Institut für den Diskurs über die Qualität von Medien, sagte Institutsleiterin Frauke Gerlach. "Gestern wie heute genießt das Grimme-Institut dabei spürbar Vertrauen und Renommee." Sie vertraue darauf, dass das Institut auch in 25 Jahren für einen unabhängigen, werteorientierten und wissensbasierten Diskurs über die Qualität von Medien stehen werde. Nathanael Liminski, Minister für Medien und Chef der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen (CDU), hob hervor: "Das Grimme-Institut war schon immer Impulsgeber für die Debatte über Rolle, Verantwortung und Qualität von Medien. Mit seinen renommierten Preisen ist es dazu auch prädestiniert." Liminski betonte weiter: "Wichtig ist für die Zukunft, dass das Grimme-Institut ausgehend vom Grimme-Preis und vom Grimme-Online-Award nicht nur den Diskurs der Fachleute anregt, sondern damit auch in die breite Gesellschaft hineinwirkt. Für das Grimme Institut bedeutet das: Es muss sich nicht neu erfinden, aber es muss sich fokussieren." Diese Aussage könnte als Drohung verstanden werden. Denn dem Institut stehen drei Millionen Euro im Jahr zur Verfügung, die zum allergrößten Teil vom Land NRW kommen. Und die reichen nicht mehr aus. In diesem Jahr verzeichnet Grimme ein Minus von 323.000 Euro. 2024 wird der Fehlbetrag nach Angaben von Institutsdirektorin Gerlach voraussichtlich auf rund 430.000 Euro steigen (vgl. MD 36/23). Der Grund: Gestiegene Kosten im Institut, dem in den vergangenen Jahren gleichzeitig Projekte und Sponsoren verloren gingen. Von den Gesellschaftern des Instituts - neben dem Land NRW unter anderem der Deutsche Volkshochschulverband, die Film- und Medienstiftung NRW, die Stadt Marl sowie ARD und ZDF, will offenbar keiner das Defizit durch eine Erhöhung seiner Zuschüsse ausgleichen oder wenigstens abmildern. Die Gesellschafter haben Grimme stattdessen eine Prüfung und Beratung durch das auf Kultureinrichtungen spezialisierte Unternehmen Actori aus München auferlegt. Die Berater sollen nach Informationen des KNA-Mediendienstes jetzt Vorschläge gemacht haben, die das, was Liminski als "fokussieren" bezeichnete, schon näher beschreiben: Danach sind nicht einmal die Preise, die bis heute im Mittelpunkt aller Grimme-Aktivitäten stehen, sakrosankt Das traditionelle Bergfest des Grimme-Preises, bei dem die Jurys nach der Hälfte ihrer Beratungsphase gemeinsam mit zahlreichen Nominierten zum Diskutieren und Feiern zusammenkommen, soll ersatzlos gestrichen werden. Auch bei der Preisverleihung mit anschließender Party, die bereits heute wenig glamourös im Theater der Stadt Marl stattfindet, soll gespart werden. Der Grimme-Online-Award, mit dem herausragende Internetangebote ausgezeichnet werden, soll künftig nur noch alle zwei Jahre vergeben werden. Auf Nachfrage des KNA-Mediendienstes antwortet das Institut ausweichend, aber ohne zu dementieren. Man stehe vor großen Herausforderungen, heißt es. Und: "Die beauftragte Unternehmensberatung hat Ende Oktober 2023 notwendige Sanierungsmaßnahmen zur Umsetzung vorgeschlagen. Mit den umzusetzenden Maßnahmen geht eine inhaltlich-strategische Fokussierung des Grimme-Instituts einher." Ob diese "Fokussierung" noch unter Führung von Gerlach stattfindet, die seit 2014 das Institut leitet und sich nicht erst seit diesem Jahr Vorwürfen ausgesetzt sieht, sie habe Grimme in die Bedeutungslosigkeit geführt, ist längst nicht sicher. Im Sommer bei Bekanntwerden des Defizits hatte sich die 59-Jährige zwar noch selbstbewusst um eine dritte Amtszeit beworben. Jetzt sagte Gerlach in einem Interview mit dem Fachdienst "epd Medien" deutlich schmallippiger, sie könne sich eine Fortsetzung vorstellen, "wenn das produktive Miteinander der Gesellschafter die Unabhängigkeit des Instituts wahrt". Doch deren "produktives Miteinander" sieht aktuell ganz anders aus. Ein klares Bekenntnis zu Gerlach gab keiner der befragten Gesellschafter ab. Auf Anfrage teilten diese vielmehr fast wortgleich mit, "Fragen, die die Personalie der Geschäftsführung betreffen", würden im Kreis der Gesellschafter "ergebnisoffen beraten und stehen momentan noch nicht fest". Allerdings seien "die Zweifel an Frau Gerlach zuletzt nicht weniger geworden", wie ein Gesellschafter-Vertreter, der ungenannt bleiben möchte, gegenüber dem KNA-Mediendienst erklärt. Die Entscheidung muss bald fallen. Gerlachs aktueller, laut Zahlen von 2021 mit rund 145.000 Euro dotierter Vertrag läuft bis Mai 2024. Noch im November soll eine Aufsichtsratssitzung geplant sein, auf der die Zukunft der Direktorin eine Rolle spielen muss, wenn Grimme die üblichen, an den öffentlichen Dienst angelehnten Abläufe einhalten will. Doch Gerlach ist nicht die Einzige, die sich derzeit Sorgen um den eigenen Job macht. Auch viele der aktuell 24 Mitarbeitenden sind unsicher, wie es angesichts der ausgerufenen "Fokussierung" mit ihnen beruflich weiter geht. Wenn kein frisches Geld kommt, ist nach betriebswirtschaftlicher Logik ein Personalabbau angesichts des für 2024 prognostizierten Defizits unvermeidlich. Und sollte Gerlach gehen müssen, stellt sich noch eine ganz andere, nicht einfach zu beantwortende Frage: Wer mag ein Grimme-Institut übernehmen, dessen Finanzen so auf Kante genäht sind, dass nur Pflichtaufgaben wie der Grimme-Preis bleiben und es keine Möglichkeiten gibt, eigene Akzente zu setzen und den Glanz von Grimme wieder ein bisschen heller scheinen zu lassen.

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