Fachleute gegen die Propaganda

Von Frank Überall

Der Jahrestag des Angriffs auf die Ukraine rückt näher. Die Medien berichten weiterhin intensiv über die Lage - auch aus dem Kriegsgebiet. Das sei wichtig, meint der DJV-Vorsitzende Frank Überall in seinem Gastbeitrag. Er appelliert an deutsche Medien, in ihrer Berichterstattung aus der Ukraine trotz Gefahren und hoher Kosten nicht nachzulassen.

| KNA Mediendienst

alt

Panzersperren und Schutzmauer

Foto: Francesca Volpi/KNA

Berlin (KNA) Wahrheit und Krieg schließen sich gegenseitig aus. Wenn die ideologischen Fronten kompromisslos erhärtet sind wie nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine, ist es schwierig, faktengetreu und zuverlässig zu berichten. Denn jede der beteiligten Seiten - ob formal im Recht oder nicht - versucht, ihre Lesart der Geschehnisse und Beweggründe möglichst ungefiltert an die Öffentlichkeit zu bringen. Ganze militärische Stäbe arbeiten daran, ihre propagandistische Sichtweise zu vermitteln. Dessen muss man sich in der Berichterstattung stets bewusst sein. Aufgrund der russischen Informationsblockade über die Gebiete nahe der Front ist beispielsweise das ukrainische Militär meist die einzige Quelle - und natürlich die eigenen Eindrücke auf ukrainischer Seite der Front. Hinzu kommt, dass sich sowohl vor Ort tätige Journalistinnen und Journalisten als auch deren Informanten einer latenten Lebensgefahr aussetzen. Während es wichtig ist, in aller Welt den Kriegsverlauf professionell recherchiert geschildert und eingeordnet zu bekommen, sind die Arbeitsbedingungen auch wegen der rechtlichen Rahmenbedingungen prekär. In Kriegszeiten droht immer auch die Pressefreiheit auf der Strecke zu bleiben. So gibt es in Russland seit langem keine freie Berichterstattung mehr. Mit Beginn des Ukrainekriegs am 24. Februar 2022 hat die russische Duma die Zensur per Mediengesetz nochmals verschärft. Der völkerrechtswidrige Überfall darf von Journalisten nicht als solcher und auch nicht als Krieg bezeichnet werden. Stattdessen muss die Kreml-Sprachregelung von der militärischen Spezialoperation übernommen werden. Da zunächst unklar war, ob das auch Auslandskorrespondenten betrifft, hat der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) kurz nach Kriegsbeginn die internationalen Sender aufgefordert, ihre Leute im Zweifel aus Russland abzuziehen. Spätestens im Sommer 2022 waren alle Auslandskorrespondenten wieder zurück in Moskau. Von Schikanen ist uns seitdem nichts bekanntgeworden. Über die Situation der Medien in der Ukraine dringt unterdessen wenig nach draußen. Das Land war schon vor dem russischen Überfall kein Musterknabe in Sachen Pressefreiheit. Im Ranking von Reporter ohne Grenzen kam das Land auf Platz 97 von 180. Am 21. März 2022 verfügte Präsident Wolodymyr Selenskyi die Zusammenlegung der Rundfunksender zu einem einzigen Kanal. Vor wenigen Wochen wurde über eine dänische Journalistin berichtet, der vom ukrainischen Geheimdienst nahegelegt worden sein soll, als Gegenleistung für Informationen ukrainefreundlich zu berichten. Das habe sie abgelehnt. Mitte Dezember 2022 sorgte dann ein Mediengesetz für Wirbel, das wegen zu großer Einflussmöglichkeiten der Regierung kritisiert wurde. Trotz all dem: Mit dem systematischen Ausmerzen der Pressefreiheit in Russland ist das nicht ansatzweise vergleichbar. Gerade für Journalistinnen und Journalisten aus Russland bleibt faktisch nur noch die Möglichkeit, vom Ausland aus unabhängig zu berichten. Ein Beispiel dafür ist das Team das Senders Doschd, das von Lettland aus aktiv war, dort aber die Lizenz entzogen bekam. Später erhielt das Programm eine Lizenz in den Niederlanden. Dort und auch bei uns in Deutschland stellt sich unterdessen nach wie vor die Frage, inwiefern geflüchtete Medienmenschen aus Russland ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht haben oder ob sie Asyl beantragen können - da ist politisch noch einiges zu klären. Wichtig ist nun, dass auch die deutschen Medien in ihrer Berichterstattung über den sich hinziehenden, grausamen Krieg nicht nachlassen. Es kostet aber Geld, dranzubleiben und nicht nur Militärmeldungen zu verbreiten. Die wichtige Aufgabe des unabhängigen Informierens und Einordnens bleibt in dem so komplexen und dynamischen Geschehen stets aktuell - immerhin geht es um unzählige persönliche Existenzen und deren drohende Vernichtung sowie die Verteidigung von Menschenrechten. Für viele Redaktionen in Deutschland war und ist das eine enorme Herausforderung. Mehr denn je werden Fachleute gebraucht, die Fakten sammeln und prüfen, die sich nicht vor den Karren der Propaganda spannen lassen und die falschen Darstellungen, Stimmungsmache und Desinformation entgegentreten.

Lesen Sie weiter auf www.KNA-News.de