Sidekick, Sprecher oder Co-Präsentator? Über Sinn und Unsinn von Doppelmoderationen im TV

Von Guido Meyer (KNA)

FERNSEHEN - Seit 30 Jahren begrüßt Gundula Gause Zuschauer des ZDF-"Heute Journals" zum Nachrichtenüberblick. Zwar gibt es auch andere neben ihr - auch Männer -, doch diese Kontinuität, ihre Erscheinung, und wohl auch ihr Name haben sie unverwechselbar gemacht. Aber warum steht sie eigentlich da? Warum schwören manche Sendungen auf Doppelmoderationen, während andere darauf verzichten?

| KNA Mediendienst

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"Heute Journal" mit Co-Moderation

Foto: Kerstin Bänsch, (m) Rico Rossiva/ZDF/KNA

Miami (KNA) Seit 17 Jahren sind Amelia Santaniello und Frank Vascellaro die Anchor der Lokalnachrichten beim regionalen CBS-Ableger im US-Bundesstaat Minnesota - und zwar als verheiratetes Paar. Doppelmoderation von Gatte und Gattin - so was kommt an, findet Jane Kirtley, Professorin an der Hubbard School of Journalism and Mass Communication der Universität von Minnesota in Minneapolis. "Die Menschen mögen den Umgang der beiden miteinander", so die Medienethikerin. "Diese Ehemann-und-Ehefrau-Dynamik vermittelt eine besondere Atmosphäre" - zum Beispiel, wenn die beiden ganz privat von dem Wasserschaden in ihrem Haus erzählen, sich dabei gegenseitig ins Wort fallen und ergänzen, ganz so, als wendeten sie sich nicht an TV-Zuschauer, sondern an Bekannte und Freunde. Aber Interna eines Ehepaares über einen Rohrbruch sind nur ein Grund, warum Zuschauer gerne zuhören. Hinzu kommt: Ein einziger Moderator spaltet bisweilen das Publikum in Anhänger und Gegner. Ein Paar hat größere Chancen auf Sympathien. Es muss ja nicht gleich verheiratet sein. "Manchmal spricht einer von zwei Anchorn einen Zuschauer eher an", erläutert Jane Kirtley. So könne er sich zumindest mit einem der beiden identifizieren. Aber es gehe auch um Vielfalt auf der Antenne. Früher habe es nur Anchormen gegeben - also weiße Männer. "Das funktioniert heute so nicht mehr", gibt die US-Medienexpertin zu bedenken. Schaut man nicht gerade einen der lokalen Fox-Kanäle - wo auch bei drei Moderatoren in der Regel alle drei weiblich sind, blond und lange glatte Haare haben -, setzen ABC, NBC und CBS bei drei Hosts zum Beispiel auf eine schwarze Frau, einen Latino-Mann und vielleicht auf eine übergewichtige Person, damit sich so viele wie möglich abgebildet sehen. Aber das gilt nur für die lokalen Ableger der drei großen Networks. In den Weltnachrichten, die auf allen Kanälen seit Jahrzehnten um 18.30 Uhr beginnen, zeigt sich bis heute ein anderes Bild. "Der Standard bei den kommerziellen Networks ist nach wie vor ein einziger Anchor", betont Jane Kirtley. Alles andere liefe dem Begriff eines "Anchors", als dem einen Anker eines Programms, ja auch zuwider. Das sei in den USA historisch gewachsen, weil die großen Anchor vergangener Jahrzehnte wie Walter Cronkite oder Dan Rather zunächst Reporter gewesen sein, von denen erwartet wurde, dass sie ihre Anhängerschaft mitnehmen würden zu den gesamten Weltnachrichten, wenn sie sie präsentieren. Und das hat auch funktioniert. Einzige Ausnahme ist seit vergangenem Monat das öffentliche Fernsehen PBS. Dort hat bis Dezember elf Jahre lang Judy Woodruff die "PBS Newshour" moderiert. Seit ihrem Abschied hat die Sendung auf Doppelmoderation gewechselt. Nach einer weißen Frau wird nun schon optisch Vielfalt demonstriert, indem ein Afroamerikaner und eine Kollegin mit pakistanischer Abstammung die einstündige Nachrichtensendung präsentieren. Ganz anders sieht die Welt am Morgen aus. "Im Gegensatz zu den abendlichen Weltnachrichten befasst sich das Frühstücksfernsehen eher mit leichteren Themen", findet Forscherin Kirtley. Da bliebe mehr Zeit zum Plaudern, weswegen es auf allen Programm morgens mindestens zwei, meist drei Moderatoren gebe. CNN hat gerade erst das Experiment gewagt, den erfolgreichen und beliebten Abendhost Don Lemon zu einem der drei Anchor der neuen Sendung "CNN This Morning" zu machen, in der Hoffnung, die Zuschauer würden ihm folgen - was abzuwarten bleibt. Aber drei Personen sind schon eine Familie - und auch das sei ein wichtiger Aspekt, ergänzt Peter Laufer von der Universität von Oregon: "Die Moderatoren bieten dem Zuschauer eine Art Kameradschaft am frühen Morgen", glaubt der Journalismusprofessor. "Sie wachen jeden Morgen mit diesen vertrauten Gesichtern auf und beginnen ihren Tag mit ihnen." Und so begann in den 80er Jahren das große Abgucken. Was in den USA seit Jahrzehnten funktioniert, müsse doch auch auf dem deutschen TV-Markt klappen, sagte sich RTL plus beim Sendestart 1984 - und gönnte sich für die Hauptnachrichten statt zwei gleich drei Moderatoren. "Unser Programmdirektor Helmut Thoma hatte diese Idee aus Amerika", erinnert sich Hans Meiser (76), Anchorman der ersten Stunde. Thomas Credo sei gewesen: Die privaten Nachrichten müssten sich in irgendeiner Form unterscheiden von dem, was die anderen machen. Helmut Thoma habe den damaligen Slogan des RTL-Hörfunkproramms - "erfrischend anders" - für das neue RTL-Fernsehprogramm intern zu "erschreckend anders" weiterentwickelt. "Aber ob sich da wirklich jemand erschrocken hat wegen der drei Nasen, die da saßen - das weiß ich nicht", sinniert Meiser heute. Wer Anderes wagt, der macht auch Fehler. Was im Lokalfernsehen mit mehreren Moderatoren funktioniert - dort, wo die News vom Gartenzaun kommen -, stößt bei nationalen Nachrichten leicht an seine Grenzen. "Wir haben bald festgestellt: So ganz perfekt ist das nicht", übt Meiser heute Selbstkritik an den ersten Pionierjahren bei RTL plus. Das Problem sei die Aufteilung unter den drei Moderatoren gewesen: Er - in der Mitte - als der Hauptanchor für den Bereich Inland, links (vom Zuschauer aus) eine Moderatorin für den Auslandsteil und rechts der Mann mit dem Sport. "Aber manchmal fängt die Sendung nun einmal mit dem Ausland an und nicht mit dem Inland - oder sogar mit dem Sport, wenn etwas ganz Wichtiges passiert", grübelt Meiser. Und so stellte RTL um von Dreier- auf Zweiermoderationen - was sich dann wiederum die Öffentlich-Rechtlichen abgeschaut haben, und zwar für die ARD-"Tagesthemen" und - seit den 90er Jahren - auch für das ZDF-"Heute Journal", damals unter der Leitung von Wolf von Lojewski. "Man erwartet vom 'Heute Journal' mehr, als man in der 'Heute'-Sendung gesehen hat", erklärt der mittlerweile pensionierte von Lojewski, der im hessischen Schlangenbad im Taunus lebt, nach wie vor fast mit Blickkontakt zum Mainzer Lerchenberg. "Man konzentriert sich in diesen Magazinen auf bestimmte Themen, der Moderator gräbt da tief herum - und alles andere wandert in den Nachrichtenblock, und das wäre in dem Fall zu Gundula Gause." Es sei denn, es wär gerade ein Minister zurückgetreten, schränkt von Lojewski ein. "Da hätten wir dann - brutal wie wir sind - möglicherweise Gundula das Thema weggenommen." Gundula Gause (57) sitzt nunmehr seit 30 Jahren neben dem Hauptmoderator - am 8. Februar 1993 war ihre erste "Heute Journal"-Co-Moderation. Dem ZDF ging es also weder um Optik noch um Vielfalt auf dem Schirm. Das Aufteilen in zwei Personen ist beim "Heute Journal" thematisch begründet, wie mittlerweile eigentlich überall: Sport und Wetter macht nicht der Anchor. Die Co-Moderatorin in Mainz hat somit eine andere Aufgabe als beim Ehepaar in Minnesota. "Damit ist allerdings auch eine gewisse Hierarchie verbunden", stellt der Kommunikationswissenschaftler Hektor Haarkötter von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg klar. Das heißt: Wer Nachrichten liest, ist dem Hauptmoderator untergeordnet, ob der nun Wolf von Lojewski oder Claus Kleber heißt. Noch eklatanter sei diese Rollenverteilung in der ARD: "Ursprünglich haben ja nicht Journalisten die Nachrichten im ersten Programm vorgetragen, sondern Sprecher, die von Journalisten die Nachrichten aufgeschrieben bekamen", erinnert Haarkötter. In den 80er Jahren hätten die "Tagesthemen" moderner wirken wollen, den Redakteur im Studio eingeführt und den Sprecher für den Nachrichtenblock belassen. "Wenn man so will, ist das ein kleines Erbe der Fernsehgeschichte", findet Haarkötter. Damit müssen sich Moderator und Sprecher der "Tagesthemen" über ein Problem keine Gedanken machen - das der Übergaben. Denn die finden nur zwischen Redakteuren statt. Sprecher werden lediglich trocken angesagt - und das sei auch gut so: "Die Übergaben misslingen ja auch sehr häufig, wenn man ehrlich ist", amüsiert sich Haarkötter. "Sie sollen locker oder lustig daher kommen, aber ich habe den Eindruck, manchmal ist das doch schon sehr aufgesetzt." Das sieht Hans Meiser ähnlich: "Ich finde, dass ab und zu die Kombi, die da vor der Kamera steht, nicht miteinander harmoniert", kritisiert das RTL-Urgestein, das heute im holsteinischen Scharbeutz Print-, Hörfunk- und TV-Beratung als Meiser-Medien-Service (MMS) anbietet. "Das läuft bisweilen auf eine artifizielle Darbietung hinaus, die an Glaubwürdigkeit zu wünschen übrig lässt." Und es ist nicht nur dieser Small Talk zwischen zwei Anchorn, auf die Meisers Kritik abzielt. Zwei Moderatoren, schön und gut - aber es käme auch auf den Zeitpunkt der Übergabe an. Mittlerweile wechsele oft mitten im Antexten eines Beitrags der Moderator, ohne jeden ersichtlichen Grund. Sie beginne, er übernehme. Das lässt sich beispielsweise allabendlich in der "Aktuellen Stunde" im WDR-Fernsehen beobachten. "Ich habe das mal anders gelernt", ärgert sich Meiser: "Wenn einer in einer Doppelmoderation etwas antextet, dann macht er die Geschichte auch fertig." Danach sei immer noch Gelegenheit, seinen Co-Moderator einzubinden, über Fragen wie "Was hältst Du denn davon?". Aber zu solchen spontanen Reaktionen seien die meisten nicht in der Lage. "Und so entstehen nur dämliche, vom Teleprompter abgelesene Abfragesituationen." Manchmal trennen das deutsche und das US-amerikanische Fernsehen eben doch Welten...

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