ARD bringt interne Reformgruppe auf den Weg - ZDF beteiligt sich an Entwicklung von Alternative zu Twitter & Co.

Von Alexander Riedel und Rainer Nolte (KNA)

MEDIENPOLITIK - Die ARD sieht sich "am Anfang des größten Veränderungsprozesses in der Geschichte des Senderverbunds". Und das ZDF? Sieht sich sehr gut aufgestellt und schiebt ein Vorhaben mit hohem Anspruch an.

| KNA Mediendienst

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Logos ARD, ZDF und Deutschlandradio

Foto: ARD/ZDF/DLF/KNA

Hannover/Bonn (KNA) Die ARD-Intendantinnen und -Intendanten haben auf ihrer jüngsten Sitzung in Hannover weitere Weichen für eine Reform des Senderverbunds gestellt. Man beschleunige den Umbau hin zu einem Inhalte-Netzwerk, das in den Regionen verwurzelt sei, hieß es am Donnerstag. Dazu werde auf allen Ebenen eine enge Zusammenarbeit vorangetrieben. "Wir schaffen die konkreten Voraussetzungen für die neue ARD, die ihre Kräfte mit Blick auf die Bedürfnisse der Menschen bündelt", meinte der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke. Künftig solle jeder ARD-Sender der Gemeinschaft das bieten, was er am besten könne, und so für journalistische Inhalte mit noch mehr Tiefe sorgen, erklärte der SWR-Intendant weiter. "Im Laufe eines Jahres werden die Konturen dieser neuen ARD für die Menschen in Deutschland sichtbar werden", bekräftigte er ein bereits zuvor geäußertes Versprechen. Die ARD stehe "am Anfang des größten Veränderungsprozesses in der Geschichte des Senderverbunds", erklärten die Intendantinnen und Intendanten. Konkret beschlossen sie, weitere Mittel in digitale Angebote umzuschichten. Im Zeitraum von 2025 bis 2028 sollen weitere 250 Millionen Euro in attraktive Inhalte für Streaming-Fans fließen. Zuvor waren bereits rund 150 Millionen Euro pro Jahr aus dem linearen Programm ins Digitale geschoben worden. Ab 2025 sollen mit der Erhöhung dann im Schnitt mehr als 200 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung stehen. Ab Ende Februar soll sich zudem eine sogenannte Steuerungsgruppe aus elf ARD-Fachleuten um die Umsetzung von Reformvorhaben kümmern. Dazu gehört etwa die bereits im Dezember beschlossene Einführung von sogenannten Kompetenzzentren. Sie sollen zunächst in den vier Bereichen Hörspiel, Gesundheit, Klima und Verbraucher entstehen. Erste Ergebnisse werden bis Juni erwartet. Weitere Themenfelder will die ARD im Laufe des Jahres definieren. Auch sollen gemeinsame Pool-Lösungen für die Radio-Angebote und die regionalen TV-Programme erarbeitet werden. Überdies will die ARD ihr Social-Media-Angebot entschlacken und in den Bereichen Verwaltung und Technik stärker zusammenarbeiten. In Bezug auf die geplanten Kompetenzzentren betonte Gniffke, dass damit nicht verbunden sei, dass sich nur noch eine Landesrundfunkanstalt um ein Thema wie etwa Klima kümmern. Denkbar seien auch mehrere in einem Netzwerk verbundene Häuser. In den Zentren sollten dann die Experten der ARD zusammenarbeiten, um beispielsweise einen oder zwei Klima-Podcasts mit Wucht und Recherchetiefe anzubieten. Mit einem Kompetenzzentrum für Hörspiele solle keineswegs die kulturelle Vielfalt eingeschränkt werden, erklärte Gniffke auf Nachfrage. Im Gegenteil wolle man große kulturelle Vielfalt und eben auch erstklassige Hörspiele anbieten. Wenn aber weiterhin jeder alles mache, koste dies zu viele Ressourcen. Man werde internationale Klasse nur schaffen, wenn man Kräfte bündele. Man wolle "Exzellenz mit effizienten Mitteln". Dabei sei es auch denkbar, dass nicht mehr an allen bisherigen Standorten Hörspiele produziert würden. "Es wird auch Mut brauchen, um diese Reformagenda auch zu leben", betonte der ARD-Vorsitzende. ARD-Programmdirektorin Christine Strobl kündigte für das zweite Halbjahr 2023 die Möglichkeit an, dass Nutzerinnen und Nutzer die ARD-Mediathek ihren Vorstellungen entsprechend personalisieren können. Auch regionale Vorlieben sollen berücksichtigt werden. NDR-Intendant Joachim Knuth als Gastgeber der jüngsten Sitzung sagte, die Intendantinnen und Intendanten haben bekräftigt, die Kommentare in den "Tagesthemen" weiterzuführen. Um dabei eine größere Vielfalt an Perspektiven abzubilden, habe er vorgeschlagen, dafür künftig mehr Kolleginnen und Kollegen aus den Regionalbüros statt aus den großen Städten heranzuziehen. Darin sei er bestärkt worden, so Knuth. Er glaube, dass es in einem föderalen Land in besonderer Weise auf die Tiefe und Vielschichtigkeit des Raumes ankomme. Das ZDF gab indes bekannt, gemeinsam mit internationalen öffentlich-rechtlichen Partnern eine gemeinnützige Alternative zu bisherigen Sozialen Medien wie Twitter und Facebook entwickeln zu wollen. "Die Demokratie lebt von einem offenen und fairen Dialog in der Gesellschaft", sagte ZDF-Intendant Norbert Himmler zum Start des Forschungsprojekts. Diesen Dialog dürfe man nicht US-amerikanischen Großplattformen überlassen. "Unser gemeinsames Ziel ist es, der Zunahme von Hass, Gewalt, Propaganda und Diffamierung in den Sozialen Medien mit einer öffentlich-rechtlichen Alternative zu begegnen." Neben dem ZDF sind öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten aus Kanada (CBC), der Schweiz (SRG SSR) und Belgien (RTBF) beteiligt. Die Rundfunkhäuser arbeiten für das Projekt namens "Public Spaces Incubator" mit der gemeinnützigen Organisation "New_ Public" zusammen. Sie bringe Erfahrungen und Expertise in nicht-profitorientierter digitaler Kommunikation ein, hieß es. Das Projekt solle Wege aufzeigen, "wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk unabhängige und faktenbasierte Kommunikationsräume in der digitalen Welt aufbauen kann", so Himmler. Innerhalb des Vorhabens sollen den Angaben zufolge innovative Bausteine für offene und respektvoll geführte Online-Diskussionen entwickelt und getestet werden. Im Zentrum stünden die Interessen der Nutzerinnen und Nutzer. Kommerzielle Aspekte spielten keine Rolle. Ziel seien online-basierte Lösungen, "um bürgerliches Engagement und den demokratischen Diskurs im digitalen Raum abseits von Hasskommentaren und zunehmender Desinformation zu ermöglichen". Die Vorsitzende des ZDF-Fernsehrats, Marlehn Thieme, begrüßte das Forschungsvorhaben auf Nachfrage im Rahmen eines Pressegesprächs, bei dem sie vor allem die Arbeit des Aufsichtsgremiums in diesem Jahr skizzierte. So werde der Fernsehrat im März eine neue Form der Qualitätsmessung für die Programmangebote der ZDF-Familie starten. Die Arbeit zur Programmqualität solle dabei systematisiert und auch unabhängige Expertinnen und Experten sollen einbezogen werden. Zunächst wurden dazu für zwei Jahre die Mainzer Kommunikationswissenschaftlerin Birgit Stark, der Geschäftsführer des Potsdamer Erich Pommer Instituts, Philipp Künstle, und der Hamburger Medienforscher Sascha Hölig gewonnen. Stark sei Expertin für Informationsprogramme, Künstle für fiktionale Inhalte und Hölig für Methodenkenntnisse, erklärte Thieme. Noch im Frühjahr wolle der Fernsehrat überdies eine Selbstevaluierung vornehmen, um die eigene Arbeit weiter zu professionalisieren. Zudem will der Fernsehrat die laut der Vorsitzenden deutlich in die Jahre gekommenen Programmrichtlinien überarbeiten. Diese sollten künftig fortschrittlicher werden und auch die Vielfalt der Gesellschaft mehr berücksichtigen. Mitte des Jahres solle sich das Gremium mit einem Entwurf befassen, kündigte Thieme an. Sie formulierte zudem die Erwartung, dass die Medienpolitik das ZDF an seinen Leistungen messen solle. Der Sender könne effiziente Strukturen, Zuschauererfolge und Preise vorweisen. Das ZDF könne mehr Verantwortung übernehmen, viele Mitglieder des Fernsehrats hielten zum Beispiel eine nationale Hörfunk-Komponente oder Podcasts für sinnvoll. Zur Forderung der Rundfunkkommission der Länder nach der Entwicklung einer gemeinsamen Plattform von ARD und ZDF äußerte sich Thieme differenziert. Die Idee sei grundsätzlich zu unterstützen. Eine Zusammenarbeit dürfe technische Probleme und Kosten nicht multiplizieren, sondern müsse die Vielfalt des öffentlich-rechtlichen Programmangebots effizienter zugänglich machen. Wenn auf einer gemeinsamen Plattform der ZDF-Algorithmus gemeinsam verwendet werde, sei auch der Fernsehrat zufrieden, "der sich gemeinsam mit dem ZDF mit viel Sachverstand und Mühe gerade für dieses Thema eingesetzt hat", betonte die Gremienvorsitzende. Ihr fehle aber noch die Vorstellungskraft, wie eine solche gemeinsame Plattform am Ende aussehen könne. Es müsse auch nicht unbedingt eine neue Plattform entstehen, meinte Thieme. Man könne auch Querverweise, Zusammenarbeit und Auffindbarkeit gemeinsam optimieren. ZDF-Intendant Himmler sieht - wie auch Thieme - sein Haus weiterhin sehr gut aufgestellt. "Wenn ich mir anschaue, was die Rundfunkkommission der Länder als wichtige Kernaufgaben der Zukunft herausgearbeitet hat, dann stehen dort die Begriffe Governance und Compliance oben auf der Agenda", sagte er dem Branchendienst DWDL. "Wir haben eine funktionsfähige Aufsicht, die Kontrolle ist eng und transparent inklusive des öffentlichen Livestreams der Fernsehratssitzungen." Im Hinblick auf die Debatte um unnötig aufgeblähte oder Doppelstrukturen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sieht Himmler sich nicht angesprochen. "Wenn es um die Strukturen geht, halte ich das für eine Frage, die sich in erster Linie an die ARD richtet", meinte er. "Das ZDF als nationaler Sender erfüllt seinen Auftrag mit hoher Effizienz, daher ist die Forderung nach dem Abbau von Doppelstrukturen sicher nicht an uns gerichtet." Das ZDF könne anders als die ARD in manchen Bereichen "nichts einsparen, weil unsere Systeme seit Jahren funktionieren und die Verwaltung schon einheitlich und schlank aufgestellt ist". Das ZDF habe sich trotz Beitragsstabilität in den vergangenen zehn Jahren weiterentwickelt und sei unverändert meistgesehener Fernsehsender in Deutschland, so Himmler. Parallel habe man in der Corona-Pandemie und auch jetzt bei inflationsbedingten Mehrkosten als Partner der Produzentenlandschaft zusätzliche Finanzen geschultert. Auch das seien Mehrkosten, die man ohne Ausgleich gestemmt habe. "Das sind Aspekte, die mir in der öffentlichen Bewertung oft zu kurz kommen und leider zu selten Anerkennung bekommen", sagte Himmler. "Deswegen sage ich mit Selbstbewusstsein: Es gibt keinen Grund ein funktionsfähiges, effizientes und erfolgreiches System zu beschädigen." Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) forderte derweil von den Rundfunkanstalten mehr Transparenz zur Bezahlung von außertariflichen Beschäftigten und zu Produktionskosten. Diese Posten müssten den Aufsichtsgremien für ihre Entscheidungsfindung selbstverständlich vollständig vorliegen, sagte der Landeschef, der selbst Mitglied des ZDF-Verwaltungsrats ist, der Deutschen Presse-Agentur. Zu seiner Gremienarbeit meinte er: "Ich stimme dort nur noch Dingen zu, wenn ich die Fakten und die Zahlen kenne. Der Informationsfluss muss verbessert werden." Haseloff plädierte auch mit Blick auf die breite Öffentlichkeit für mehr Transparenz zu Personalkosten: "Es muss für jeden Bürger klar sein, wie die Gehaltsstrukturen der Sender sind." Wenn alle das System durch ihre Rundfunkbeiträge finanzieren, sollten auch alle über alle Informationen verfügen. Das wirke dem vor, dass der Eindruck entstehen könnte, man wolle etwas verbergen. Auch die Kosten von Produktionen sollten in Gänze für die Gremien aufgeschlüsselt werden. Damit etwa deutlich werde, warum ein "Tatort" in einer Region mehr koste als in einer anderen. Durch solche Kennzahlen könne die vergleichende Betrachtung und Kontrolle durch die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) sowie durch die Rechnungshöfe gestärkt werden, meinte Haseloff. Die ZDF-Fernsehratsvorsitzende Thieme sagte auf Nachfrage zum Thema Transparenz, dass sie Haseloffs Ansatz richtig finde, nur dem zustimmen zu können, was er nachvollziehen könne. Zugleich betonte sie, dass man dem umfangreichen Finanzplan des ZDF jede Zahl entnehmen könne. Bislang gebe es aus Sicht des Fernsehrats keinen Mangel an Transparenz. Der Umfang gehe bis hin zu Vergleichen von Kosten einzelner Sendungen. Beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) geht das personelle Aufräumen weiter: Nach Informationen von RBB24 erhielten die beiden letzten verbliebenen Direktoren aus der Zeit von Ex-Intendantin Patricia Schlesinger am 3. Februar ihre fristlose Kündigung. Es handelt sich um Produktions- und Betriebsdirektor Christoph Augenstein (59) und Verwaltungsdirektor Hagen Brandstäter (64). Im Intranet des Senders bestätigte der RBB demnach die Trennung von den beiden Führungskräften. "Das ist eine Zäsur und wird uns beim Neuanfang im RBB helfen", wurde Intendantin Katrin Vernau zitiert. Der Sender wollte den Vorgang mit Verweis auf das laufende rechtliche Verfahren auf Anfrage nicht kommentieren. Grund für die vorzeitige Vertragsbeendigung soll eine Sonderzahlung im Zusammenhang mit dem ARD-Vorsitz des RBB ab 2022 gewesen sein. Dabei soll der Zuschuss auch für jeweils sechs Monate vor und nach der eigentlich zweijährigen Vorsitzzeit vereinbart worden sein. Über die Arbeitsverträge der beiden damaligen Direktoren waren nach RBB24-Informationen jedoch mit den ohnehin schon außertariflichen, also höheren, Gehaltszahlungen bereits "alle Tätigkeiten für den Sender und Aufsichtsratsfunktionen abgegolten". Die Sonderzahlungen seien somit unrechtmäßig und laut Vernau zudem nicht vom Verwaltungsrat genehmigt gewesen. Im Sommer 2022 waren Vorwürfe der Vetternwirtschaft gegen die damalige RBB-Intendantin und ARD-Vorsitzende Patricia Schlesinger bekanntgeworden. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin ermittelt gegen Schlesinger und den früheren RBB-Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf wegen des Verdachts der Untreue und Vorteilsnahme. Beide hatten die Vorwürfe zurückgewiesen. Auch gegen weitere ehemalige Führungskräfte wird ermittelt. Schlesinger war im August fristlos entlassen worden und hatte zuvor bereits den ARD-Vorsitz niedergelegt. Verwaltungsdirektor Brandstäter wurde daraufhin zunächst geschäftsführender RBB-Intendant, dann jedoch nach wenigen Wochen bis zuletzt krankgeschrieben. Regulär würde er Ende April 2023 in den Ruhestand gehen. Christoph Augensteins Vertragsende ist August 2023. Die frühere juristische Direktorin Susann Lange streitet derweil mit dem RBB vor Gericht um ihre Weiterbeschäftigung. Sie war vom Rundfunkrat am 8. Dezember auf Vorschlag Vernaus von ihrem Amt abberufen, ihr Vertragsverhältnis laut Arbeitsgericht durch eine außerordentliche Kündigung vom 2. Dezember beendet worden. Bereits im Oktober war Lange von ihren Aufgaben entbunden worden. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hatte kurz zuvor ihre Ermittlungen auch auf sie ausgeweitet. Dabei ging es um Gehaltsfortzahlungen an Mitarbeitende, die keine Beschäftigung mehr ausübten, sowie Bonuszahlungen für Führungskräfte. Der frühere Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus hat hingegen Ende Januar die Sendeanstalt "auf eigenen Wunsch und im Einvernehmen" verlassen. Ex-Intendantin Schlesinger selbst klagt vor dem Landgericht Berlin auf Zahlung des sogenannten Ruhegelds. Auf Anfrage von RBB24 teilten SWR und WDR mit, dass es in ihren Sendern keine Zulagen für die Übernahme des ARD-Vorsitzes gebe beziehungsweise gegeben habe. Der SWR hat am 1. Januar 2023 den ARD-Vorsitz vom WDR übernommen, der für den RBB im Sommer übergangsweise eingesprungen war. Der RBB bestätigte, dass die Rundfunkanstalt Zahlungen für die umstrittene Beratertätigkeit des ehemaligen Chefredakteurs Christoph Singelnstein im Dezember 2022 eingestellt habe. Nach Informationen des RBB24-Rechercheteams und des NDR hatte der Landesrechnungshof Berlin zuvor die fehlende Freigabe der Auszahlungen durch die RBB-Intendantin kritisiert. Vernau habe die Zahlungen daraufhin gestoppt. Der RBB habe außerdem das Gespräch mit dem ehemaligen Chefredakteur gesucht, teilte ein Sendersprecher weiter mit. Singelnstein habe dann "den Verzicht von seiner Seite vorgeschlagen". Eine Anfrage des Rechercheteams zu den Vorgängen habe Singelnstein bislang unbeantwortet gelassen. Gemeinsame Recherchen von NDR und RBB hatten im November 2022 ergeben, dass Singelnstein nach seiner offiziellen Verabschiedung in den Ruhestand im April 2021 weiter als Berater für den RBB tätig war. Bis Ende April 2023 sollte er dafür zusätzlich zu seinem monatlichen Ruhegeld ein Honorar von bis zu 6.300 Euro erhalten. Nachdem Ende Januar der Landesrundfunkrat Hamburg des NDR bereits eine Nachschärfung der Compliance-Regeln für ethisch sauberes und regelkonformes Verhalten empfohlen hatte, stößt nun der Landesrundfunkrat Schleswig-Holstein der Anstalt ins gleiche Horn. So bittet das Gremium den NDR, insbesondere die Dienstanweisung für Tätigkeiten außerhalb der Sendeanstalt zu überprüfen und kurzfristig zu ergänzen. Als Stichworte nennt der Landesrundfunkrat eine Anzeigepflicht bei Unternehmensbeteiligungen auch von weiteren Verwandten wie Kindern oder Geschwistern sowie eine Erweiterung des Sende- und Auftrittsverbots auch bei Kommunal-, Bürgermeister- und Landratswahlen. "In Zukunft muss schon allein der Anschein von politischer Rücksichtnahme oder Beeinflussbarkeit vermieden werden", sagte die Vorsitzende des regionalen Kontrollgremiums, Laura Pooth. Zwar werde im Landesfunkhaus Schleswig-Holstein "nach journalistischen Kriterien gearbeitet und in Summe ausgewogen berichtet", doch seien Defizite sichtbar geworden. "Wir empfehlen dem NDR hier schnellstmöglich Abhilfe zu schaffen, damit der nötige Wandel in der Unternehmenskultur und im Führungsverhalten umgehend eingeleitet werden kann", sagte Pooth. Eine Untersuchung der Prüfungs- und Beratungsfirma Deloitte zu Vorwürfen gegen das NDR-Landesfunkhaus in Kiel hatte im vergangenen Jahr keine Hinweise auf systematische oder bewusste Verstöße gegen die Programmgrundsätze der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt ergeben. Im Sommer waren Vorwürfe der politischen Einflussnahme im Landesfunkhaus Schleswig-Holstein laut geworden. Der Landesrundfunkrat empfiehlt dem NDR insgesamt, Führungskräfte regelmäßig hinsichtlich ihres Führungsverhaltens zu schulen. Zudem solle das Redaktionsstatut dahingehend geprüft werden, ob es überarbeitet werden muss, um sicherzustellen, dass der Redaktionsausschuss seine Rolle als Schlichter bei Programmkonflikten wahrnehmen und dadurch einen Beitrag zur Sicherung der Binnenpluralität erbringen kann. Daneben regt das Gremium an, dass der NDR-Rundfunkrat eine Überprüfung der Personalstruktur aus freien und festen Mitarbeitern beauftragt. Unterdessen zeigte sich NDR-Intendant Knuth vor der Sitzung der Intendantinnen und Intendanten offen für eine Reduzierung der Zahl der ARD-Anstalten. "Ich kann mir alles Mögliche vorstellen, auch zum Beispiel eine ARD Nord, Süd, West und Ost", sagte Knuth dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Das Sendegebiet des NDR umfasst neben Hamburg und Schleswig-Holstein auch Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Er könne sich nur nicht vorstellen, "dass neun ARD-Intendanten das einfach anordnen - und dann wird das gemacht. Denn da gibt es natürlich auch Selbsterhaltungsinteressen", so Knuth weiter. Das sei eine Frage, die an die Politik und die Gesellschaft gehe. Der NDR-Intendant zeigte sich auch selbstkritisch. "Wir müssen uns fragen, wie wir mit unseren Programmen wirklich alle Menschen in Deutschland erreichen. Da kann ich nur sagen: Ja, wir haben durch die krisenhaften Monate an Vertrauen und Glaubwürdigkeit verloren." Knuth meinte dennoch, die ARD sei "nach wie vor für sehr viele Menschen der Goldstandard". Zur Debatte um die Rundfunkgebühren betonte er: "Wir nehmen, was unsere Finanzierung angeht, die Signale aus der Rundfunkkommission und aus der Öffentlichkeit sehr deutlich wahr." Knuth versprach, damit so umzugehen, dass man merke: "Uns ist bewusst, was politisch und gesellschaftlich diskutiert wird – und was von uns erwartet wird, nämlich Sparsamkeit, Maß und Mitte."

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