Arte goes Europe - und baut auf mehr Präsenz im Digitalen

Von Joachim Heinz (KNA)

MEDIENENTWICKLUNG - Angebote auch auf Englisch, Spanisch, Polnisch und Italienisch, ukrainische Untertitel und russische Synchronfassungen: Der deutsch-französische Fernsehsender Arte wandelt sich mehr und mehr zu einem mehrsprachigen digitalen Dienst. Intern gilt das Engagement im Netz längst als "Lebensversicherung".

| KNA Mediendienst

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Arte-Hauptsitz

Foto: Patrick Bogner/Arte/KNA

Straßburg (KNA) Im Dezember ging "Arte Europa - Die Woche" auf Sendung. Immer samstags beleuchtet das Infomagazin in knapp 20 Minuten Themen, die die Menschen in Europa bewegen: zum Beispiel die Debatte um Waffenlieferungen an die Ukraine, der Kampf gegen den Klimawandel oder die Angst der Menschen vor Jobverlust. Mit lockerer Aufmachung will Arte vor allem bei einem jüngeren Publikum punkten. Passend dazu ist das neue Wochenmagazin ausschließlich online und auf den YouTube-Kanälen des Senders zu sehen. Gut 30 Jahre nach seiner Gründung will der deutsch-französische TV-Sender die Präsenz im Digitalen ausweiten und seine Reichweite in Europa steigern. So wird "Die Woche" nicht nur auf Deutsch und Französisch präsentiert, sondern auch auf Englisch und Spanisch. Das Online-Newsmagazin ist zudem mit Untertiteln in Polnisch, Italienisch, Griechisch und Ungarisch verfügbar. Um Format und Publikum zusammenzubringen, hat der Sender Kontakte zu bislang sechs Medienhäusern in Europa geknüpft. "Die Woche" ist deswegen auf der Website der belgischen Zeitung "Le Soir" ebenso eingebettet wie bei "El Pais" in Spanien, der "Gazeta Wyborcza" in Polen oder der seit Herbst 2020 aktiven Nachrichtenwebsite Telex in Ungarn. Die erste Bilanz der Macher fällt positiv aus. So habe man für das neue Format mit Stand vom 8. Februar 1,7 Millionen Videoabrufe auf allen Kanälen verzeichnet. Auf arte.tv erfolgten 45 Prozent der Abrufe außerhalb von Frankreich und Deutschland - und ebenfalls rund 45 Prozent für andere Sprachen als Deutsch und Französisch. Überraschend für die eher auf kurze Infohäppchen abonnierte Netzwelt: Die Mehrzahl der "Die Woche"-Zuschauer bleibt die kompletten 20 Minuten über am Ball. Zur Wahrheit gehört aber auch: Der Markt ist hart umkämpft. Auf YouTube etwa sind France TV, ARD und ZDF oder die BBC vertreten. Und die Marke Arte, das räumen sie in Straßburg selber ein, ist außerhalb von Deutschland und Frankreich eher unbekannt. Für viele Nutzer etwa in Griechenland oder Ungarn dürfte "Die Woche" erstmals eine Brücke zu dem Sender schlagen. Trotzdem könnte das Experiment Pilotcharakter haben. Das Stichwort lautet "Europäische Medienplattform". Bei der EU gibt es seit längerem die Initiative "European Media Platforms", die möglichst vielen Bürgern Europas den Zugang zu vertrauenswürdigen Nachrichten sichern will. Aus den Töpfen dieser Initiative fließen 2022/23 für "Die Woche" 2,5 Millionen Euro. Bereits seit 2015 kann Arte für sein mehrsprachiges Angebot auf Unterstützung aus Europa bauen. Die journalistische Unabhängigkeit bleibe gleichwohl gewahrt, heißt es: "Redaktionelle Produktionskosten werden nicht von europäischen Geldern gedeckt." Zufall oder nicht: Auch bei der Sitzung der Rundfunkkommission der Länder Ende Januar tauchte die Idee einer "Europäischen Medienplattform" auf. Die Rede war von einer "gemeinsamen öffentlich-rechtlichen Plattform" von ARD, ZDF und Co. Weiter hält die Kommission in diesem Zusammenhang "eine europäische Erweiterung unter Einbeziehung von 3sat und Arte zu einer europäischen Plattform" für wünschenswert. Das habe zunächst einmal nichts mit dem EU-Förderprogramm "European Media Platforms" zu tun, betont eine Sprecherin der für die Koordination der Rundfunkkommission zuständigen rheinland-pfälzischen Landesregierung. Stattdessen stehe die Frage im Raum, wie öffentlich-rechtliche Inhalte, unabhängig vom Thema, auch zukünftig die Menschen erreichen. "Die lineare und die digitale Nutzung werden zwar noch länger nebeneinander laufen, aber wir müssen den digitalen Wandel beschleunigt begleiten", so die Sprecherin. Dazu gehören Plattformen. Bislang würden neben den Mediatheken und der Audiothek viele Inhalte auf US-amerikanischen oder chinesischen Plattformen verbreitet. "Will man faktenbasierte und verlässliche Informationen verbreiten, müssen wir über eigene öffentlich-rechtliche Plattformen nachdenken. Warum soll man da nicht im Senderverbund auch gleich die europäische Ebene mitdenken?" In Straßburg kontern sie selbstbewusst, eine solche europäische Plattform habe man bereits - und zwar bei Arte selbst. Dessen ungeachtet wissen alle Beteiligten: Nachrichten europaweit und auf verschiedenen Kanälen zu verbreiten, ist kein Alleinstellungsmerkmal der Öffentlich-Rechtlichen. Euronews mit dem portugiesischen Mehrheitsaktionär Alpac Capital im Rücken erreicht laut eigenen Angaben 68 Prozent aller Haushalte in der EU und Großbritannien (vgl. MD 28/22). Ein anderes Beispiel: Die RTL Group, die mit Fernsehsendern, Streamingdiensten, Radiostationen und Online-Plattformen in Deutschland, den Niederlanden, Frankreich, Ungarn und Luxemburg ebenfalls ein Millionenpublikum bespielt. Arte schaut derzeit vor allem auf den polnischen und spanischsprachigen Markt. Für den im Mai vergangenen Jahres gestarteten polnische YouTube-Kanal arte.tv Dokumenty registrierten die Macher im vergangenen Jahr über 2,7 Millionen Videoabrufe, im Januar diesen Jahres wurden 1,2 Millionen Abrufe gezählt. Beim spanischsprachigen Pendant arte.tv Documentales, gelauncht im Mai 2021, waren es 2022 rund 30 Millionen Videoabrufe. Die Nachfrage steigt laut Angaben des Senders: Zwischen Mai und Dezember 2022 verzeichnete man im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr zuvor einen Zuwachs von 75 Prozent. Die User kommen nicht nur aus Europa. Arte-Zuschauer sitzen inzwischen auch in Lateinamerika.

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