Ex-KEF-Mitglied Karl-Eberhard Hain: Maximalforderungen zum Rundfunkbeitrag kommen nicht durch

Von Steffen Grimberg (KNA)

MEDIENPOLITIK - Bis Ende April müssen die öffentlich-rechtlichen Sender ihren Finanzbedarf anmelden. Karl-Eberhard Hain kennt als ehemaliges Mitglied der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) das Verfahren und gibt als Medienrechtler auch Input zu Reformvorhaben der Anstalten. Eins ist für ihn klar: Die Maximalforderungen der Sender kommen nicht durch.

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Karl-Eberhard Hain

Foto: Matthias Ketz/privat/KNA

Köln (KNA) Bei der Bemessung des Rundfunkbeitrages darf und kann die Politik nicht mitreden, betont Karl-Eberhard Hain, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Medienrecht an der Universität zu Köln. Nur indirekt könne durch Reformen des Auftrages Einfluss genommen werden - aber dies gelte nicht mehr für das laufende Verfahren zur Beitragsperiode ab 2025. Hain, der der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) von 2009 bis 2011 angehört hat, erklärt im Interview des KNA-Mediendienstes das Verfahren zur Festlegung des Rundfunkbeitrages und betont die Wichtigkeit der Staatsferne in dem Prozess - sieht jedoch auch Optimierungsbedarf. KNA Mediendienst (MD): Herr Hain, in diversen Medien ist aktuell zu lesen, die öffentlich-rechtlichen Anstalten wollten den Rundfunkbeitrag erhöhen - und das gleich in Milliardenhöhe. Was ist an solchen Meldungen alles falsch? Karl-Eberhard Hain: Zunächst mal: Die Öffentlich-Rechtlichen können den Beitrag gar nicht selbst erhöhen. Das Verfassungsgericht hat klar gesagt, dass weder die Anstalten noch die Politik von sich aus die Beitragshöhe festsetzen können. Vielmehr wurde ein unabhängiges Expertengremium, die KEF, zwischen die Anstaltsanmeldung und die politische Entscheidung geschoben. Es gibt hier ein klar umrissenes, dreistufiges Verfahren zur Ermittlung der Höhe des Rundfunkbeitrags. Darin spielen ARD, ZDF und Deutschlandradio nur im ersten Teil mit, indem sie ihren Bedarf bei der KEF anmelden. Das kommt ihnen aufgrund ihrer Programmautonomie auch zu. Auf der zweiten Stufe prüft dann die KEF diese Anmeldung nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Dabei kann sie Kürzungen vornehmen - und tut das auch regelmäßig. Anschließend macht die KEF einen Vorschlag zur Höhe des Beitrags, auf dessen Basis dann die Länder einen interföderalen Staatsvertrag schließen, der von allen 16 Landtagen beschlossen werden muss. MD: Dass die jetzt kursierenden Maximalforderungen durchkommen, ist also ziemlich unrealistisch? Hain: Es kommen keine Maximalforderungen durch. Nach der Rechtslage ist das zu finanzieren, was zur Erfüllung des Auftrags der Öffentlich-Rechtlichen erforderlich ist. Und dass es hier nicht zu einer "Überkompensation" kommt, dafür hat die KEF zu sorgen. Andererseits darf die KEF auch nicht den Auftrag beschneiden oder neu definieren. Das ist Sache der Politik. MD: Mehrere Bundesländer fordern nun ein Moratorium beziehungsweise ein Einfrieren des Rundfunkbeitrags auf dem aktuellen Stand von 18,36 Euro, bis die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abgeschlossen ist. Ist die KEF an solche Anregungen aus der Medienpolitik gebunden? Hain: Nein. Die KEF ist gegenüber der Politik ja gerade unabhängig und weisungsfrei. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die Empfehlungen der KEF sind für die Politik weitgehend bindend. An dem, was die Politik meint oder wünscht, darf sich die KEF gar nicht orientieren - sondern nur an den im Finanzierungsstaatsvertrag festgelegten Prüfkriterien. MD: Die ARD weist aktuell sehr deutlich darauf hin, dass der weitere Umstieg ins Digitale zumindest am Anfang hohe Investitionen erforderlich macht, die von der KEF anerkannt werden müssten. Funktioniert das so einfach? Hain: Es ist ja unstrittig, dass sich das Mediennutzungsverhalten hin zum Digitalen ändert. Hier muss dann aber geprüft werden, ob dafür nicht auch klassische lineare Angebote wegfallen können. Automatisch nach den Wünschen der Anstalten funktioniert das KEF-Verfahren natürlich nicht. Auch die Kosten für das "digitale Durchstarten" werden von der KEF nach den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu prüfen sein. Es gibt weder einen Automatismus, nach dem die KEF den Wünschen der Anstalten folgt - noch hat sie den Vorstellungen der Politik zu folgen. Die KEF ist ein unabhängiges, weisungsfreies Sachverständigengremium. MD: Die Ministerpräsidenten mehrerer Bundesländer - unter anderem von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern - haben in den letzten Wochen sehr deutlich erklärt, eine weitere Erhöhung des Beitrags sei mit ihnen nicht zu machen... Hain: Die Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen folgt dem Auftrag - und nicht umgekehrt. Die Länder haben aber natürlich die Möglichkeit, den Auftrag zu verändern. MD: Das haben die Länder mit dem 3. Medienänderungsstaatsvertrag getan, der diesen Sommer in Kraft treten soll. Nun können die Anstalten beispielsweise durch die Flexibilisierung des Auftrags in deutlich größerem Maße selbst entscheiden, welche Angebote sie in welcher Form weiterführen, aber vielleicht auch einstellen oder umwidmen. Hain: Der allgemeine Eindruck ist aber eher der, dass die Neuregelungen im 3. Medienänderungsstaatsvertrag eher nicht zu einer Kostensenkung führen werden. MD: Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hatte schon bei der letzten Beitragserhöhung offen erklärt, er habe dafür in seinem Landtag und seiner Fraktion keine Mehrheit. Nun sagt er, beim nächsten Mal werde das erst recht so sein. Nun muss ein neuer Finanzierungsstaatsvertrag von allen 16 Ländern einstimmig geschlossen und vor allem von allen 16 Landesparlamenten auch ratifiziert werden. Ist das KEF-Verfahren damit nicht eigentlich tot? Hain: Das kann man nicht sagen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner letzten Finanzierungsentscheidung ja gerade mit Blick auf Sachsen-Anhalt sehr deutlich gemacht, dass keine einzelnen Länder aus der Verantwortungsgemeinschaft aller Länder aussteigen dürfen. MD: Kann es also wieder passieren, dass am Ende - salopp gesagt - Karlsruhe ran muss? Und macht das mit Blick auf die Frage nach der Legitimation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seiner Finanzierung Sinn? Hain: Das kann wieder passieren. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten sind Träger der Rundfunkfreiheit und haben eine Finanzierungsgarantie, auf die sie sich in Karlsruhe berufen können. Dass es wünschenswert wäre, wenn es erst gar nicht zu solchen Verfahren kommen müsste, steht außer Frage. Was allerdings die Akzeptanzprobleme angeht, sind die meiner Ansicht nach nicht in erster Linie durch Finanzierungsentscheidungen in den Griff zu bekommen. MD: In den letzten Jahren wird viel über die Staatsferne der Anstalten beziehungsweise ihrer Gremien diskutiert. Ist die KEF eigentlich staatsfern genug? Hain: Jedes Bundesland benennt eine Expertin oder einen Experten, diese werden dann wiederum von den Ministerpräsidenten insgesamt berufen. Da gibt es natürlich einen Staatseinfluss. Doch es besteht die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit des Gremiums, aus dem Gesichtspunkt der Staatsferne ist das noch hinnehmbar. MD: Gibt es denn Reformbedarf bei der KEF? Was müsste sich dort ändern? Hain: Meiner Meinung nach ist das KEF-Verfahren grundsätzlich in Ordnung und auch angemessen. Es kommt auf ihre Unabhängigkeit an, sie muss sich allen Versuchen der politischen Einflussnahme widersetzen. Es hat ja immer mal wieder Versuche gegeben, das KEF-Verfahren beziehungsweise den Finanzierungsmechanismus der Öffentlich-Rechtlichen zu verändern. Doch ob die vieldiskutierte Indexierung des Beitrags zu einer wesentlichen Vereinfachung führt, ist fraglich. Auch dann muss es Mechanismen geben, die eine Über- oder Unterkompensation verhindern. MD: Sie sagten eben, die Finanzierung sei gar nicht der Dreh- und Angelpunkt der Legitimationskrise. Wo sehen Sie die Ursache? Hain: Unter anderem in der mangelnden Beteiligung der Beitragszahler an der Auftragsdiskussion. Ich habe gemeinsam mit der grünen Bundestagsabgeordneten Tabea Rößner den Vorschlag gemacht, im Rahmen der Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einen Publikumsrat zu schaffen. Der könnte wie die Bürgerräte aufgebaut sein, sollte aber in seinem Diskussionsprozess kontinuierlich sachverständig beraten werden. Damit - so unsere Hoffnung - ließen sich die von partialen Interessen geleiteten Funktionslogiken der etablierten Akteure in diesem Prozess, nämlich der Anstalten, ihrer Gremien und der Medienpolitik aufbrechen. Wobei immer klar ist, dass die letzte Entscheidung über die Reform bei den Länderparlamenten liegt.

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