Berlin (KNA) Auch wenn sie finanziell unter Druck stehen, lehnen die Zeitungsverlage in Deutschland eine direkte Unterstützung mit öffentlichem Geld mehrheitlich ab. Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) spricht sich traditionell "grundsätzlich gegen eine allgemeine Verlagsförderung aus". Denn mit einer Förderung der journalistischen und redaktionellen Arbeit stehe die Unabhängigkeit auf dem Spiel, so der BDZV. Doch diese Haltung ist längst überholt, meint der Medienwissenschaftler Christopher Buschow von der Bauhaus-Universität Weimar. "Es gibt Länder, die zum Teil schon über Jahrzehnte Erfahrungen mit Presse- und Journalismusförderung gemacht haben", so der Juniorprofessor mit Forschungsschwerpunkt Organisation und Finanzierung des digitalen Journalismus. Von diesen könne Deutschland lernen - auch, wie man es nicht macht, meint Buschow: "Denn es gibt natürlich auch Irrwege wie in Österreich mit der Inseratenkorruption. Dort schalten staatliche Stellen für bis zu 50 Millionen Euro im Jahr Anzeigen als verdeckte Subvention - und das höchst unterschiedlich verteilt." Eine Studie aus dem Jahr 2021 kommt zu dem Schluss, dass diese Werbegelder "bei der Medienwahl offensichtlich deutlich parteipolitisch nach ÖVP- und FPÖ-Präferenzen motiviert" verteilt wurden. Zudem würden Gratiszeitungen bei Regierungsinseraten deutlich stärker bedacht, "die Inseratenbuchungen für die meisten Qualitäts- und Regionalzeitungen waren entsprechend anteilig noch ungünstiger", so die Studie "Scheinbar transparent II" des Medienhauses Wien. Auch die offizielle Presseförderung in Österreich ist umstritten, weil sie nach dem Gießkannenprinzip alle Titel fördert. So wurden 2022 nach Angaben der zuständigen Kommunikationsbehörde Austria rund 3,9 Millionen Euro für Vertriebsförderung, 3,2 Millionen Euro für die Förderung regionaler Vielfalt und 1,6 Millionen Euro für "Qualitätsförderung und Zukunftssicherung" gezahlt. Mit insgesamt gerade einmal rund 8,7 Millionen Euro liegen diese Summen aber deutlich unter der verschleierten Presseförderung per Anzeige. "Wir sollten Modelle vermeiden, die Parteien oder staatliche Stellen nutzen können, um ihnen genehmen Medien zusätzliche Mittel zukommen zu lassen", warnt Buschow mit Blick auf Österreich. Für ihn stechen dagegen die skandinavischen Länder als positive Beispiele heraus. "Dort gibt es auch schon länger eine funktionierende Innovationsförderung, etwa in Dänemark", so der Forscher. Dänemark habe früher auch die Zustellung der gedruckten Zeitung gefördert, hier aber schon 2013 auf eine Produktionsförderung unabhängig von Mediengattungen und Unternehmensformen umgestellt. "Es geht also nicht mehr um das gedruckte Zeitungsexemplar, das Geld fließt vielmehr direkt in die Redaktion - und es können auch digital vertriebene Inhalte sein, die so gefördert werden", so Buschow. Damit profitierten sowohl etablierte, traditionelle Medienhäuser als auch Neugründungen von der Förderung. "Hier ließe sich viel für die deutsche Situation lernen, aber wir gucken viel zu wenig auf die europäischen Nachbarländer", beklagt der 36-Jährige, der 2017 den Deutschen Studienpreis der Körber-Stiftung erhielt. Das Schlüsselargument der Verlage, dass eine an qualitativen Kriterien orientierte Förderung nicht machbar sei, teilt Buschow nicht: "Zu sagen, da sei ein angeblich neutrales Kriterium wie die Auflage schon das Beste, qualifizierte Kriterien wie Qualität wären nicht umsetzbar, springt zu kurz." Das Luxemburger Modell der Presseförderung zeige sehr wohl, dass es gehe, erklärt der Wissenschaftler. "Dort wurden von Anfang an mehrere Kriterien eingeführt, dazu gehört unter anderem eine Mindestanzahl von unbefristet beschäftigten Journalistinnen und Journalisten in den Redaktionen." Seit der Neufassung der Medienförderung 2021 erhalten alle Zeitungen einen jährlichen Grundbetrag von 200.000 Euro, zudem wird jede Redakteursstelle mit 30.000 Euro pro Jahr bezuschusst. Damit sichert das Großherzogtum eine beachtliche Pressevielfalt. Im nur rund 650.000 Einwohner zählenden Land erscheinen allein fünf Tageszeitungen. "Natürlich lassen sich branchenübergreifend auch qualitative Kriterien aushandeln", meint Buschow. Der Deutsche Presserat funktioniere als Selbstkontrollgremium auch mit einem zwischen Verlagen auf der einen und Journalisten auf der anderen Seite ausgehandelten, gemeinsamen Set an Bewertungskriterien. "Und die sind natürlich qualitativ." Und noch ein Argument hält der Weimarer Junior-Professor den skeptischen Verlagen entgegen: "Wenn Presseförderung wirklich des Teufels wäre und politischem Einfluss Tor und Tür öffnen würde, dürften Länder wie Schweden oder Norwegen doch nicht so hoch in den Pressefreiheit-Indizes von Reporter ohne Grenzen und anderen Organisationen stehen." Denn dort sei der Staat seit Jahrzehnten mit direkter Presseförderung aktiv. "Es zeigt vielmehr, dass es wie immer darauf ankommt, wie das Ganze organisiert ist. Hier steht natürlich Staatsferne an oberster Stelle, das ist die ganz wesentliche Voraussetzung", so Buschow.