Kunst mit zweifelhafter Geschichte - 3sat-Dokumentation über geraubte Kunstschätze

Von Wolfgang Wittenburg (KNA)

DOKU - Die "Büste der Nofretete" ist einer der berühmtesten Kunstschätze Ägyptens. Dennoch ist sie in einem deutschen Museum zu bewundern. Warum, das beleuchtet die 3sat-Dokumention "Geraubte Schätze".

| KNA Mediendienst

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Umstrittene Ikone: Die Büste der Nofretete

Foto: Hazazah/ZDF/KNA

Mainz (KNA) Kunstschätze und Kulturgüter gibt es unzählige, doch nur wenige haben weltweite Bekanntheit erlangt. Vor 111 Jahren wurde ein Klassiker des Weltkulturerbes - die Nofretete - in Ägypten entdeckt und ausgegraben. Seit 99 Jahren ist sie als einer der berühmtesten Kunstschätze Ägyptens im Neuen Museum Berlin zu bewundern. Mit Kunst zweifelhafter Geschichte befasst sich die achtteilige 3sat-Dokureihe "Geraubte Schätze". Den Auftakt bildet die "Büste der Nofretete" am 14. August um 19.20 Uhr. Die Nofretete und ihre unklare Historie sind kein Einzelfall. Eine Vielzahl bekannter Museumsobjekte wurden in Kriegen erbeutet oder durch diplomatische Beziehungen oder Ankäufe erworben. Mittlerweile stellt sich immer häufiger und lauter die Frage: Wem gehören diese Schätze? Der niederländische Journalist Erik Dijkstra hat sich auf Spurensuche begeben und hat Herkunftsorte in aller Welt aufgesucht. So steht Dijkstra, nachdem er im alten Kombi auf staubigen Straßen unterwegs war, mit der Ägyptologin Monica Hanna in der Wüste in Tell el-Amarna, wo "Nofretete" - der Name bedeutet übersetzt: Die Schöne ist gekommen - entdeckt und ausgegraben worden ist. Zum Ursprung der Geschichte der "Schönen" am Roten Meer erklärt von Hanna, dass der Baumwoll-Großhändler und leidenschaftliche Berliner James Simon 1911 die Museen der Stadt aufgewertet sehen wollte. Deshalb beauftragte und finanzierte er den deutschen Archäologen Ludwig Borchardt mit Ausgrabungen im Alten Ägypten. Im Grabungstagebuch von 1912 beschrieb er seinen Fund als lebensgroß bemalte Büste, 47 Zentimeter hoch, mit der gerade abgeschnittenen blauen Perücke, die auf halber Höhe ein umgelegtes Band trägt. Seit langem ist die Büste das Highlight der Sammlung im Neuen Museum Berlin; ganz allein steht sie in einem Raum für sich, unter Sicherheitsglas - aber eben in Berlin und nicht im neuen Ägyptischen Museum in Kairo. Auch im Dokumentarfilm wird über den Besitzanspruch diskutiert. Der Ägyptologe Zahi Hawass in Kairo beschwört, dass "die Büste das Land einst illegal verlassen hat" - der deutsche Ägyptologe Dietrich Wildung beschwichtigt, dass diese Behauptung seines Kollegen nicht stimme. Der Hamburger Historiker Olaf Matthes hat recherchiert, dass alles "nach dem damaligen ägyptischen Antiken-Gesetz abgelaufen ist". Und nach Ansicht von Friederike Seyfried, der Direktorin des Ägyptischen Museums Berlin, handelt es sich "nicht um Kulturgut, sondern Weltkulturerbe" - und dies sei möglichst vielen zugänglich zu machen. Wie im realen Zwist zwischen Ägypten und Deutschland verläuft auch der Spannungsbogen im Film emotional - und der Ausgang bleibt in der Doku offen. Dijkstra berichtet angenehm neutral. Am Ende stellt Ägyptologin Hanna die Frage, ob es ethisch vertretbar ist, eine koloniale Auffassung von Eigentumsrechten aufrechtzuerhalten. Alle acht TV-Filme sind ursprünglich fürs niederländische Fernsehen konzipiert. Das ZDF hat für 3sat die deutschen Synchronfassungen hergestellt. Als Fazit gilt für die Dokumentation "Büste der Nofretete" in leichter Abwandlung das, was deren Entdecker Borchardt in seinem Grabungstagebuch 1912 vermerkte: "Beschreiben nützt wenig, anschauen!" Drei weitere Folgen "Geraubte Schätze" mit Kunstobjekten aus Museen in London, Wien und Amsterdam zeigt 3sat vom 14. August an in den kommenden Tagen jeweils um 19.20 Uhr. Außerdem sind drei zusätzliche Folgen in der 3sat-Mediathek zu sehen.

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