Alle reden von KI - Neuer Podcast und Zeitschrift über Künstliche Intelligenz

Von Christian Bartels (KNA)

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ - Alle schreiben und reden über Künstliche Intelligenz. Nun tun es auch die vierteljährlich erscheinende neue Zeitschrift "human" und ein wöchentlicher Deutschlandfunk-Podcast.

| KNA Mediendienst

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Das KI-Magazin "human"

Foto: Rainer Nolte/Mediendienst/KNA

Bonn (KNA) Alle in den Medien reden nicht nur über KI, sondern experimentieren auch mit ihr. Schließlich steht das "G" im Markennamen der besonders emsig ausprobierten Software ChatGPT für "generative". Die Software kann Medieninhalte aller Art generieren, von im Bewegtbild redenden Köpfen Prominenter über Lieder wie die kontrovers diskutierte "Barbie Girl"-Version des längst verstorbenen Johnny Cash bis hin zu unbewegten Fotos wie dem weit verbreiteten vom Papst im Daunenmantel. Von schriftlichen Texten ganz zu schweigen. Kaum eine Kolumne, die den Befehl "ChatGPT, schreibe eine Kolumne im Stil dieser Kolumne!" noch nicht ausprobiert hat. Das Thema Künstliche Intelligenz ist in den Medien beliebt, weil der disruptive, also eingespielte Arbeitsweisen verändernde Charakter erstens gut sicht- und hörbar ist, und weil dieser zweitens nicht zuletzt die Medien selbst betrifft. Der Springer-Konzern kündigte im Juni an, sich von "Kollegen, die Aufgaben haben, die in der digitalen Welt durch KI (...) ersetzt werden" können, leider trennen zu müssen, und nannte beispielhaft journalistische Berufsgruppen wie "Blattmacher". Das geht weit hinaus übers Verfassen von Online-Artikeln auf der Basis aktueller Fußballspiel- oder Unternehmens-Daten, wie sie schon länger ohne menschliche Intelligenz erzeugt werden. "Muss ich Angst vor KI haben?", lautet die Startfolge des Ende Juli angelaufenen Podcasts "KI verstehen". "Vielleicht sogar davor, dass sie die Menschheit auslöscht?", macht Piotr Heller beim launigen Anmoderieren noch gespannter. Die Deutschlandfunk-Produktion, im wöchentlichen Wechsel von den Gespannen Heller/Moritz Metz und Carina Schroeder/Ralf Krauter moderiert, ist ein Plauder-Podcast mit allen Vor- und Nachteilen dieses Genres. Zu den Vorteilen zählt, dass Zuhören keiner vollen Konzentration bedarf, also auch beim Autofahren oder Putzen erledigt werden kann. Zu den Nachteilen gehört dementsprechend, dass es recht redundant zugeht und man mögen muss, wie die Moderatoren recht allmählich zum Thema gelangen. Wer es - wie der Autor dieses Textes - als störend empfindet, wenn Journalisten von "Googeln" statt vom Suchen per Suchmaschine reden (und so die Dominanz des auch in allen KI-Geschäftsfeldern mit führenden Google-Konzerns Alphabet noch weiter stärken), muss darüber weghören. Zumal sich auch die Antworten in den erwartbaren Korridoren bewegen: Vor KI muss man weder Angst haben, noch sollte man sie auf die leichte Schulter nehmen. Auf die zweite Folgentitel-Frage "Erspart mir KI den Besuch beim Arzt?" lautet die Antwort ebenfalls Jein. Zwar sind KI-Methoden schon länger ein "Gamechanger für die Gesundheitsvorsorge". Dass das Training anhand von Abermillionen Bildern etwa fürs Erkennen von Hautkrankheiten, von "Neurodermitis bis zur Vorstufe von Hautkrebs", ideal ist, leuchtet unmittelbar ein. Über Einfühlungsvermögen, wie Ärzte es aufbringen können, verfügt KI freilich nicht. Man sollte "nichts für bare Münze nehmen", was die Chatbots mitteilen. Aha, aber sollte man überhaupt noch etwas für bare Münze nehmen? Nein!, sagt die dritte der jeweils halbstündigen Folgen. Darin gelingen wiederum dem Team Heller/Metz ein paar echte Hinhörer. "Wie megageil, dass der Deutschlandfunk in dieser derben Gemengelage einen nicen Podcast raushaut. Ich feiere das hart", sagt da anfangs eine bekannte Stimme. Das scheint eindeutig Bundeskanzler Scholz zu sein, dessen Sprachstil ihm einst - als Maschinenstimmen sich noch gut erkennen ließen - den Spitznamen "Scholzomat" eingebracht hatte. Metz hat Scholz' Neujahresansprache auf die "Generative Voice AI"-Webseite des Anbieters Elevenlabs hochgeladen und daraus ein Audio mit eigenem Inhalt erzeugt. Das gleiche Kunststückchen vollführt er während der laufenden Podcast-Aufnahme dann noch mit der Stimme des Mitmoderators, und demonstriert dabei, dass diese KI dieselben Sätze auch mit unterschiedlichen Intonierungen, etwa im Befehlston oder eher fragend, reproduzieren kann. Was die Titel-Frage "Zocken Betrüger meine Oma mit dem KI-Enkeltrick ab?" beantwortet. KI ist ein Werkzeug, das viele Menschen unterstützen kann, offenkundig auch Betrüger. Überdies erfährt man in dieser informativen Folge, dass englischsprachige Telefon-Banken, die menschliche Stimmen als Passwort akzeptieren, bereits auf diese Weise getäuscht wurden, und dass die Elevenlabs-Gründer von einer Medientechnik ihrer polnischen Heimat inspiriert waren: In Polen werden fremdsprachige Kinofilme nicht von unterschiedlichen Sprechern synchronisiert, sondern von einer einzigen Stimme eingesprochen. Dass für Fragen zu KI in allen Lebensbereichten viel Stoff vorhanden ist und laufend weiterer hinzukommt, zeigt auch das Magazin "human" (Holderstock Media, 12,80 Euro), das das anno 2023 gewagte Experiment unternahm, als gedruckte Zeitschrift vierteljährlich auf den schwierigen Markt zu kommen. Das Heft illustriert zunächst gut, wie schwierig das Illustrieren von Digital- und Software-Themen mit Symbolbildern ist. Und es zeigt, dass sich deutschsprachigen Print-Medien im selben Themenfeld außer der nach eigenem Gusto gewählten Gendern-Problematik - "human" setzt überwiegend auf wechselnde Formen ala "internationale Experten, Thought-Leaderinnen, Forscher, Wissenschaftlerinnen" - das Problem der Anglizismen stellt. Begriffe wie "Marketeers", "Maturity" und "modernes [sic] Leadership" laden Menschen, die nicht so reden, kaum zum Lesen ein. Verzierende Raute-, also Hashtag-Zeichen helfen auch nicht. Gewiss erscheinen einem auf Bildschirmen und Displays auch immer viele überstrapazierte Trendworte, die rauschen aber immerhin schnell vorbei. Bei Gedrucktem verhält sich das anders. Die im Prinzip gute Idee von Glossaren am Seitenrand vieler Artikel hilft manchmal, scheint manche Autoren aber auch veranlasst haben, englische Begriffe gar nicht erst zu übersetzen. Wer Geduld bewahrt, wird beim Weiterblättern mit differenzierteren Texten und vor allem unterschiedlichen Perspektiven aufs Thema belohnt. Allein wenn die in Afghanistan geborene, in Hamburg aufgewachsene Gründerin Mina Saidze über deutsche KI-Debatten sagt: "Wir waren einmal das Land der Dichter, Denker und Philosophen und wissen jetzt nicht genau, was unsere Rolle im digitalen Zeitalter ist. Wir schauen mit großen Augen in Richtung USA und denken uns: Wow, was kommt denn da wieder her? Wenn es darum geht, wie wir auf Augenhöhe mit China, Israel oder Indien agieren, versuchen wir uns als Regulatoren einer Technologie zu positionieren, die wir nicht erfunden haben...", fasst das diese deutsche Debatte kongenial zusammen. Wenn der Psychologe und Risikokompetenz-Forscher Gerd Gigerenzer sagt: "Künstliche Intelligenz wird die menschliche auch in den nächsten zehn, zwanzig Jahren nicht in jeder Hinsicht übertreffen", beantwortet das viele Fragen zwar nicht so knackig, wie der Deutschlandfunk-Podcast sie stellt, aber wohl so zutreffend, wie es menschlicher Intelligenz seriös möglich ist. Das Thema Künstliche Intelligenz ist spannend, weil es sich um eine dynamisch bis rasant laufende Entwicklung handelt, die alle Menschen in wahrscheinlich allen Bereichen des Lebens betreffen wird, und weil der Ausgang dieser Entwicklung offen ist. Genau das bedeutet Spannung ja: Dass man echt nicht weiß, wie es ausgeht, und daher liest/zuhört/zuguckt. Aktuelle Schlagzeilen wie "Warum es so schwierig ist, KI etwas abzutrainieren" und "Wird ChatGPT dümmer?" zeigen, dass die Spannung erhalten bleibt oder steigt. Insofern ist KI für Medien aller Gattungen wie auch fürs Publikum ein dankbares und gutes Thema. Die neue Zeitschrift und der neue Podcast sind jeweils keine Offenbarungen, aber wenn man die Möglichkeiten der Mediengattungen nutzt - in den Podcast reinhört, die Zeitschrift durchblättert - helfen sie, mit dem Thema vertraut zu werden.

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