Stuttgart/Berlin (KNA) Seit zwei Wochen hat der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) eine neue Intendantin. Die Gremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt sind auch noch relativ neu im Amt. Und die Landesregierungen von Berlin und Brandenburg treiben einen neuen RBB-Staatsvertrag voran. Im Interview des KNA-Mediendienstes erklärt der RBB-Verwaltungsratsvorsitzende Benjamin Ehlers, was ihm an den geplanten Neuerungen nicht gefällt und warum er nicht fröhlich ist, wenn es um die Aufarbeitung der RBB-Krise durch die Kanzlei Lutz Abel geht. KNA-Mediendienst: Herr Ehlers, mit Ulrike Demmer hat der RBB seit Anfang September eine neue Intendantin. Wie würden Sie die Lage des Senders beschreiben? Benjamin Ehlers: Ich habe den Eindruck und die Hoffnung, dass wir langsam zur Ruhe kommen und uns den Dingen widmen können, die jetzt anstehen. Wir müssen einen Plan für die Zukunft haben. Es wird nicht hundertprozentig so weitergehen können wie bisher. Die Aufgaben und Entscheidungen, vor denen wir stehen, werden im Einzelfall noch mal Unruhe bringen, aber da müssen wir durch. Und dann ist da noch das normale Tagesgeschäft... MD: Können Sie schon Konkretes sagen? Ehlers: Es geht um Fragen wie: Brauchen wir noch alle Büro- und sonstigen Gebäudeflächen, die wir haben? Wie viel und welches Personal haben wir in zehn Jahren und so weiter. Wir werden uns aber natürlich auch Gedanken machen müssen, wie wir damit umgehen, dass die KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, d. Red.) uns möglicherweise nicht das Geld zugesteht, das angemeldet wurde. Und selbst wenn wir die Steigerung bekommen, die wir angemeldet haben, ist die Inflation höher. Das heißt, wir werden schon das eine oder andere strukturell verändern müssen. Das sind alles Punkte, die man wirklich in Ruhe besprechen muss. Der Ball liegt natürlich bei Frau Demmer und ihren Leuten. Die Intendantin hat angekündigt, sich dafür bis Mitte nächsten Jahres Zeit zu nehmen. Wir als Verwaltungsrat werden den Prozess begleiten - und zwar, wie ich den Eindruck habe, in einem sehr kollegialen Miteinander. MD: Sie erwähnten schon, dass unter Umständen weniger Geld da sein wird. Auch Frau Demmers Gehalt liegt nicht mehr in den bisher in der ARD üblichen Höhen. Wird das Beispiel RBB Schule machen? Ehlers: Man kann es zumindest nicht ignorieren. Wie die anderen Anstalten damit umgehen, müssen wir sehen. Unser Vorgehen wird schon sehr aufmerksam beobachtet. Ich denke, wir haben ein Zeichen gesetzt, das notwendig war. MD: Jetzt liegt ein Entwurf für den neuen RBB- Staatsvertrag vor, der Ihnen erweitere Aufgaben zuweist und das Gremium ziemlich umkrempelt. Der Verwaltungsrat soll von einer ehrenamtlichen Veranstaltung zum "Nebenamt" professionalisiert werden, inklusive entsprechender Bezahlung. Wie sehen Sie diese neuen Perspektiven? Ehlers: Das ist durchaus sachgerecht. Ich arbeite aktuell 20 bis 30 Stunden in der Woche für den RBB, quasi eine halbe Stelle. Wir haben eine hohe Verantwortung für ungefähr 3.000 Mitarbeitende beim RBB, für über eine halbe Milliarde Euro Jahresbudget. Das geht nicht mehr als Ehrenamt im klassischen Sinne, das ist ein Job. MD: Wenn es eigentlich gar nicht geht, wie arbeiten Sie denn dann konkret im Gremium? Ehlers: Wir teilen uns die Arbeit schon auf, aber es werden alle beteiligt. Wir sind inzwischen ein sehr fragefreudiges Gremium, was die Sitzungen recht lang andauern lässt. Aber vom Ergebnis her ist das gut, weil auch die Mitglieder, die bei technischen Sachen zum Beispiel nicht so zu Hause sind, einfach nachfragen und sagen: "Erklären Sie das mal." In der jetzigen Zusammensetzung glaube ich, dass das so bleiben wird, und das ist auch gut so. MD: Laut Staatsvertragsentwurf soll der aktuelle Verwaltungsrat aber nur noch bis Februar 2025 im Amt sein und dann durch nach den neuen Spielregeln gewählte Mitglieder abgelöst werden. Ehlers: Mir kann keiner erklären, warum die Amtszeit verkürzt werden muss. Es macht doch in der Praxis keinen Sinn, wenn es gerade wo wir eingearbeitet sind und es halbwegs verstanden haben - wir waren ja alle neu in dem Amt - heißt, das war's dann auch schon wieder. MD: Wie hoffnungsfroh sind Sie, dass man das in den anstehenden Konsultationen noch mal ändern kann? Ehlers: Ich glaube, dass das verhandelbar ist. MD: Was passt Ihnen denn sonst an den vorgesehenen Neuerungen nicht? Ehlers: Unter anderem die vorgesehene Reduzierung der Direktionsstellen auf eine gemeinsame Position für Verwaltung und Produktion/Technik. Es geht zu weit, wenn uns die Landesregierungen und die Landtage vorschreiben, wie wir uns zu organisieren haben. Da kann man schon auf die Idee kommen, dass dies ein Eingriff in die Rundfunk- und unsere Organisationsfreiheit ist. Ganz pragmatisch muss man doch außerdem mal überlegen, ob das funktionieren kann: Finde ich wirklich einen Menschen, der die beiden Bereiche Verwaltung und Technik gleich gut abdecken kann - auch vor dem Hintergrund, welche Aufgaben der RBB übergeordnet für die gesamte ARD technisch übernimmt. MD: Wie geht es hier jetzt weiter? Ehlers: Frau Demmer ist in der Sache aktiv und ich gehe davon aus, dass wir zum Jahreswechsel die Personalie erledigt haben. Wir gucken jetzt, dass wir eine neue Verwaltungsdirektorin oder einen Verwaltungsdirektor bekommen. Ob die beziehungsweise der dann später die technischen Sachen mitmachen muss, hängt von der Entwicklung beim Staatsvertrag ab. Wenn dieser das vorschreibt, sind wir daran gebunden. Ob das klug ist, da habe ich wie gesagt wirklich Zweifel. MD: Jetzt macht der Staatsvertrag noch ein anderes Fass auf: Es soll ein Direktorium eingeführt werden, das die alte Intendanten-Verfassung in gewisser Weise schleift. Geht Ihnen das auch zu weit? Ehlers: Es gibt Für und Wider bei dieser Frage. Für uns als Verwaltungsrat war wichtig, jetzt schon intern ein Vier-Augen-Prinzip eingeführt zu haben, bei dem sich die Intendantin ab einer Summe von 200.000 Euro hausintern noch eine zweite Unterschrift holen muss. Einfach um zu verhindern, dass Dinge passieren, die bei Frau Schlesinger offenbar gang und gäbe waren. MD: Der Staatsvertrag schreibt auch noch mal die Stellung von Brandenburg fest. Ulrike Demmer hat ihren offiziellen Sitz ausdrücklich in Potsdam und nicht in der Berliner Masurenallee genommen... Ehlers: Natürlich müssen Berlin und Brandenburg angemessen im RBB abgebildet werden. Aber im geplanten Staatsvertrag wird das zu bürokratisch und kleinteilig geregelt. Da soll der Rundfunkrat Programmverantwortliche für Berlin und Brandenburg wählen, die dann aber keine Direktoren sind. Irgendwann stellt sich doch die Frage, ob auch Abteilungsleiter gewählt werden müssen? Das ist wahrscheinlich gut gemeint, aber zumindest auf der Mitarbeiterebene viel zu kompliziert und aus meiner Sicht nicht sinnvoll. MD: Kompliziert ist aktuell auch die Frage nach der Position des RBB-Chefredakteurs David Biesinger. War er Teil der alten Geschäftsleitung - oder wurde er da nur aus Versehen geführt, wie der RBB sagt? Wie sieht das der Verwaltungsrat? Ehlers: Wir hatten so viele andere Sachen zu tun, die Causa Biesinger ist noch nicht behandelt worden. Ich habe da persönlich auch noch keine abschließende Meinung zu. MD: Aktuell ist Herr Biesinger aber nicht Mitglied der Geschäftsleitung? Ehlers: Stand heute ist er es nach meinem Eindruck nicht. MD: Vor knapp zwei Wochen hat das Arbeitsgericht Berlin in Sachen des ehemaligen RBB-Verwaltungsdirektors Hagen Brandstäter erklärt, dass sein ganzer Vertrag wegen des darin vorgesehenen Ruhegeldes sittenwidrig sei, weil dem keine adäquate Leistung gegenüberstehe. Wie beurteilen Sie das - und was heißt das für die anderen Anstalten, die ähnlich großzügige Regelungen haben? Ehlers: Die Urteilsbegründung gibt es noch nicht, die müssen wir uns erst mal im Detail angucken. Aber letztlich ist das nachvollziehbar. Hier geht es um Konstellationen, wo man mit relativ wenig Arbeit auf einmal sehr viel Geld verdient hat. Das ist nicht mehr erklärbar und auch nicht begründbar. Wegen der Bedeutung für die anderen Anstalten gehe ich davon aus, dass die Sache mindestens zum Landesarbeitsgericht geht, möglicherweise auch zum Bundesarbeitsgericht. Was ich sehr sympathisch fand, ist die Argumentation des Gerichts, dass diese Vertragsgestaltung die Axt an die Glaubwürdigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks legt. Denn man kann das eigentlich niemandem erklären, dass jemand vor der Rente ein Ruhegeld bekommt und dann sogar, was bei Herrn Brandstäter der Fall war, nicht einmal Nebenverdienste anrechnen lassen muss. MD: Wie geht es generell bei der Aufarbeitung der RBB-Vergangenheit weiter? Der Vertrag mit der Anwaltskanzlei Lutz Abel wurde vom Verwaltungsrat beendet. Jetzt hört man, es hakt? Ehlers: Da sind wir in Gesprächen - und die sind nicht einfach. Wir haben die Zusammenarbeit beendet, weil wir außer dem Zwischengutachten letztes Jahr und jetzt im Sommer einem Sachstandsbericht von rund 50 Seiten nichts bekommen haben. Das ist für die rund zwei Millionen Euro, die der Einsatz von Lutz Abel insgesamt gekostet hat, definitiv zu wenig. Wir wissen, dass die Kanzlei bereits Entwürfe für das sogenannte Hauptgutachten hat. Die sind abgerechnet, und die wollen wir haben. MD: Aber die Kanzlei mauert? Ehlers: Wir haben bisher nichts bekommen und das stimmt uns nicht fröhlich. Der Verwaltungsrat wird sich in seiner nächsten Sitzung am 19. Oktober weiter damit befassen - und im Vorfeld wird es nochmals Gespräche mit der Kanzlei geben. MD: Und wenn Sie weiter nichts bekommen? Ehlers: Dann gibt es die sehr, sehr ernsthafte Überlegung, uns den Zugang gerichtlich zu erstreiten. Wir können doch nicht auf uns sitzen lassen, dass da zwei Millionen Euro letztlich für nichts bezahlt wurden. Es ist schlicht und ergreifend nicht nachvollziehbar, dass man so viel Geld von den Beitragszahlern und Beitragszahlerinnen bekommt, aber kein Arbeitsergebnis abliefert. MD: Herr Ehlers, Sie sind ja selbst Anwalt. Ist das hier ein übliches Verfahren unter Juristen - oder ist das schon speziell, was gerade passiert? Ehlers: Das ist schon speziell. MD: Sie sind ja gerade bei der Tagung der Gremienvorsitzenden aller ARD-Anstalten. Wie ist denn dort die Stimmung mit Blick auf den RBB? Es gab ja eine Zeit, da wurden der RBB und seine Gremien sehr skeptisch gesehen. Hat sich das gelegt? Ehlers: Das ist vorbei. Wir führen entspannte Gespräche und ich habe persönlich das Gefühl, viele freuen sich, dass der RBB jetzt wieder dabei ist. Eine Ursache für die schlechte Stimmung war ja, dass der frühere Verwaltungsratsvorsitzende Wolf-Dieter Wolf nie bei den Sitzungen der Gremienvorsitzendenkonferenz anwesend war. Da war der RBB-Verwaltungsrat schlicht nie vertreten, nur der Rundfunkrat. Erst mit der Übernahme des ARD-Vorsitzes 2022 ist dann wenigstens die stellvertretende RBB-Verwaltungsratsvorsitzende hingefahren. Ich wundere mich schon, dass es da keine Nachfragen gab.