Baden-Baden (KNA) Ein Mensch, dessen Stimme in diesen Tagen wieder mehr und mehr Gewicht bekommt, ist Gerhart Baum. Bundesinnenminister war er zwar vor langer Zeit, genauer gesagt von 1978 bis 1982. Doch als liberales Gewissen seiner Partei, der FDP, und Hüter der Verfassung wirkt er bis heute. Gerade und auch in Medienfragen. Mit 91 Jahren sitzt er für den Kulturrat des Landes Nordrhein-Westfalen als stellvertretendes Mitglied im WDR-Rundfunkrat. Und jetzt saß Baum gemeinsam mit dem ARD-Vorsitzenden Kai Gniffke, Grimme-Preis-Chefin Lucia Eskes, der Filmstudentin Hannah Wolny und anderen auf dem Panel der Televisionale und diskutierte zum Thema "Rundfunkreform - und der Kulturauftrag". (Offenlegung: Ich habe diese Runde moderiert, da der ursprünglich vorgesehene Moderator kurzfristig erkrankt ist.) Und wie immer bei Baum ging es ums Ganze: Er warnte vor der Bedrohung des öffentlich-rechtlichen Systems, aber auch unserer gesamten Demokratie durch populistische und demokratiefeindliche Strömungen. Ging mit der Medienpolitik "seiner" FDP, die ARD, ZDF und Deutschlandradio ja auch eine Schrumpfkur verordnen will, hart ins Gericht: "Mit der Medienpolitik meiner Partei war ich noch nie einverstanden", so Baum. Er versicherte dem ARD-Vorsitzenden: "Wir sind an eurer Seite, aber zeigt mehr Rückgrat, mehr Selbstbewusstsein!" Was nicht heißt, dass Baum und der von ihm initiierte Zusammenschluss der Rundfunkräte aus Kulturinstitutionen nicht kritisch mit der ARD und ihren Reformen ins Gericht ginge. Denn sie treten für den Erhalt von Einzelredaktionen ein, was der gestern nach der Intendantensitzung in Köln präsentierten Kooperationsstrategie vor allem im (Kultur-)Radio widerspricht. Und sie fordern den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf, das digitale Angebot zu verbessern, gleichzeitig aber die "linearen Bereiche attraktiv zu halten". Was mit Blick auf die Finanzlage des Systems ein bisschen einer Quadratur des Kreises gleichkommt. Um die Debatte mal von den Füßen auf den Kopf zu stellen, haben wir in Baden-Baden dann einfach mal den Spieß umgedreht: Gerhart Baum und Lucia Eskes durften sich als Intendant beziehungsweise Intendantin fühlen und beschreiben, was sie (anders) machen würden. Hannah Wolny war für die Mediatheken und junge Formate zuständig. Und Kai Gniffke sollte als Autor und Redakteur einen Stoff pitchen. Was der gelernte Journalist auch souverän tat, dabei allerdings ein bisschen schummelte. Denn den von ihm vorgeschlagenen Stoff gibt es längst, sein eigener SWR hat ihn mit Erfolg für die ARD-Mediathek verfilmt. Es handelte sich um Axel Ranischs Miniserie "Nackt über Berlin" (vgl. Kritik in MD 40/23), in der Schüler den Direktor ihrer Schule einsperren und gefangen halten. Am Abend werden bei der Televisionale die Preise für den besten Fernsehfilm, die beste deutsche Serie und der Nachwuchspreis MFG-Star vergeben. Das Baden-Badener Tagebuch meldet sich morgen ein letztes Mal mit den Ergebnissen.