Von der Macht der Illusionen - Arte-"Landkrimi" über einen ermittelnden Häftling

Von Katharina Zeckau (KNA)

KRIMI - Der österreichische Kommissar Horak, der vor fünf Jahren schon einmal zwischen Wahn und Realität ermittelte, ist zurück. Allerdings sitzt er dieses Mal selbst im Gefängnis. Und ist dort eigentlich ganz zufrieden.

| KNA Mediendienst

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"Das Schweigen der Esel"

Foto: Manuel Riesterer/ORF/Arte/KNA

München (KNA) "Illusionen, Illusionen/sind das Schönste auf der Welt./Illusionen, Illusionen,/sie sind das, was uns am Leben hält", sang die große Hildegard Knef einst. Und sie singt es auch in diesem Film aus der österreichischen "Landkrimi"-Reihe: Arte strahlt "Das Schweigen der Esel" am 12. Januar von 20.15 bis 21.45 Uhr aus. Wie schon im Vorgängerfilm "Das letzte Problem" von 2019, in dem der Vorarlberger Ermittler Jonas Horak das erste Mal auftauchte, geht es auch diesmal um eine Story, die sich auf dem vielbeschworenen Grat zwischen Trugbild und Wirklichkeit bewegt. Allerdings mit dem feinen Unterschied, dass Horak (Karl Markovics) mittlerweile im Gefängnis sitzt: Er wurde für den offensichtlich im Zustand geistiger Umnachtung begangenen Doppelmord verurteilt, den er damals aufzuklären vorgab. Nun verbringt er seine Tage mit der Pflege des Gartens einer Anstalt "für psychisch abnorme Rechtsverbrecher" - und ist dabei äußerst zufrieden. Bis, ja, bis Sophie Landner (Julia Koch) bei ihm auftaucht: die Polizistin, die ihn einst überführte. Denn eine alte Bäuerin wurde im wahrsten Sinne des Wortes um einen Kopf kürzer gemacht - während deren Hahn, was noch eine Rolle spielen wird, quicklebendig durchs Haus stolziert. Die ehrgeizige Landner, eigentlich gar nicht zuständig, will den Fall nun mit Horaks Hilfe aufklären. Doch der reagiert panisch, sieht sein neues Leben als "einfacher Mensch" in Gefahr: Denn es scheint, als wäre Freitag (Stefan Pohl) wieder aufgetaucht, Horaks imaginärer, perfider Assistent von einst. Und tatsächlich ist es fortan vorbei mit der Seelenruhe des Sträflings. Horak sieht sich an seine Publikation über Straftatbestände in Grimmschen Märchen erinnert; insbesondere an das Kapitel über die Bremer Stadtmusikanten. Was wäre, wenn ein Serientäter - Freitag? - die in dem Märchen den Tieren angedrohten Todesarten sozusagen umdrehte und deren Besitzern angedeihen ließe? Was hat es also mit der ertrunkenen Katzenbesitzerin auf sich, einem weiteren Todesfall aus der Gegend - kam sie ebenfalls gewaltsam ums Leben? Plötzlich scheinen sämtliche Hunde- und Eselhalter rund um Dornbirn in Gefahr zu sein ... Doch wie verlässlich ist dieser Jonas Horak? Immerhin ist er davon überzeugt, dass Freitag ein "dämonischer Parasit" sei, der sich seine "Wirte" suche, durch diese seine diabolischen Taten vollbringe. "Nur weil es verrückt ist, heißt das noch lange nicht, dass es das nicht gibt!", sagt er einmal. Nur so viel sei verraten: Überraschend ist die Auflösung, aber in sich stimmig. Grundlage dafür ist ein dramaturgisch kunstvoll gebautes, mit mehreren falschen Fährten und überzeugenden Wendungen versehenes Drehbuch, für das Karl Markovics hier ebenso wie für Hauptrolle und Regie verantwortlich zeichnet. Verstecken muss er sich mit seiner Arbeit wahrlich nicht neben Bestsellerautor Daniel Kehlmann, der die Horak-Figur erfand und das Drehbuch zum ersten Film schrieb. Diesmal vermeidet Markovics erfreulicherweise auch den zentralen Fehler von "Das letzte Problem", der als Film zu sehr zur One-Man-Show mutierte. Mit Sophie steht nun ein mindestens ebenso wichtiger weiterer, interessanter Charakter im Mittelpunkt. Und Julia Koch legt diese nach Höherem, nämlich dem Aufstieg zur Kriminalpolizei strebende Provinzpolizistin als beharrliche, in ihrer Fokussiertheit gelegentlich fast stoische Figur an. Daneben wirkt der aus seiner Gärtner-Ruhe gebrachte Horak manchmal fast wie ein Rumpelstilzchen - und doch scheinen sich diese beiden ähnlicher zu sein, als sie zunächst wirken. Oder ist das nur in Horaks Einbildung so? Gelungen sind aber auch sämtliche anderen schauspielerischen Leistungen, die sorgfältige Regie, der Einsatz des im TV eher selten zu hörenden Vorarlberger Dialekts, die gut gewählten Locations, stimmungsvolle Kamerabilder und eine präzise gestaltete Musik. Das macht "Das Schweigen der Esel" zu einem intensiven, fesselnden Psychogramm über eine möglicherweise wahnhafte Persönlichkeit - und zu einem so spannenden wie unterhaltsamen Kommentar zur Macht der Illusionen.

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