Eine kleine Revolution - Zukunftsrat für weitreichende Reform der Öffentlich-Rechtlichen

Von Steffen Grimberg (KNA)

MEDIENPOLITIK - Der Zukunftrat hat geliefert. Folgt die Politik seinen Empfehlungen, sieht das öffentlich-rechtliche System in Deutschland künftig deutlich anders aus. Die Politik sieht damit eine Beitragserhöhung fürs erste vom Tisch.

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Präsentation der Empfehlungen des Zukunftsrats

Foto: Henning Schacht/Staatskanzlei Rheinland-Pfalz/KNA

Berlin (KNA) Eine ARD-Anstalt als Dach, keine Intendanten als Alleinherrscher mehr, andere Gremien: Der von den Ländern eingesetzte Expertenrat zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat sich für grundlegende Änderungen bei ARD, ZDF und Deutschlandradio ausgesprochen. "Es geht nicht um Veränderungen im System, sondern um Umbauten des Systems", so die Vorsitzende des sogenannten Zukunftsrats, die frühere Gruner+Jahr-Chefin Julia Jäkel, bei der Vorstellung des Berichts am Donnerstag in Berlin. Und das mit für die öffentlich-rechtlichen Anstalten erfreulichen Folgen: "Die ARD wird richtig strategiefähig", so Jäkel. Denn bislang, dass macht das aus acht Expertinnen und Experten bestehende Gremium unmissverständlich klar, gehe gerade im föderalen ARD-Verbund mit seinem gemeinsamen Ersten Programm viel zu viel Energie für kraftraubende Koordinierung verloren. "Die von uns Befragten haben uns berichtet, dass das zum Teil mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit ausmacht", sagt der Publizist und Zukunftsrat Roger de Weck, der als ehemaliger Generaldirektor der Schweizer SRG den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bestens von innen kennt. Es sei eine "gewaltige Reise, auf die sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk jetzt macht", sagt auch Jäkel - denn das System habe sich in den 70 Jahren seines Bestehens nur langsam und wenig gewandelt und lenke viel zu viel Energie "nach innen". Deswegen soll nach den Vorstellungen des Zukunftsrats aus der bisherigen "nicht rechtsfähigen Arbeitsgemeinschaft ARD" eine zentrale ARD-Anstalt als eigenständige Organisation werden. Diese soll alle überregionalen Aufgaben wie das Erste Programm, die Mediatheken und Audiotheken sowie Verwaltung und Technologie übernehmen. Sie ist auch zuständig für die Organisation über die gesamte ARD hinweg und soll Doppelstrukturen abbauen. Die neun Landesrundfunkanstalten bleiben, müssen sich aber primär auf ihre regionalen Aufgaben konzentrieren. Diese "organisierte Regionalität" schaffe auch mehr Bürgernähe und Akzeptanz, so der Zukunftsrat. Auch bei der Technik steht der Fokus klar auf Vereinheitlichung und Zusammenarbeit. So soll eine gemeinsame Tochtergesellschaft von ARD, ZDF und Deutschlandradio einheitliche Technologien für gemeinsame digitale Plattformen und andere digitale Angebote wie Mediatheken und Apps entwickeln. Davon verspreche man sich eine "Magnetwirkung im Digitalen". Inhaltlich blieben aber alle drei Partner autonom. Das Papier plant auch an der Spitze der Häuser einen Neuanfang: Wie bereits in den jüngsten Gesetzen für den Saarländischen Rundfunk und den Rundfunk Berlin-Brandenburg vorgesehen sollen künftig kollegiale Geschäftsführungen die Anstalten führen, das Intendantenprinzip hätte damit ausgedient. Ein Mitglied dieser Geschäftsleitung soll jeweils explizit für die Kontrolle darüber zuständig sein, dass der Auftrag auch wirklich im Programm erfüllt wird. Die Zahl der Amtsperioden der Führungspositionen soll grundsätzlich auf zwei Durchgänge begrenzt werden, um "Ewigkeitsintendanten" auszuschließen. Dabei müsse nicht wie in der privaten Wirtschaft gezahlt werden, sagte Jäkel. "Wir sind aber auch gegen Gehaltspopulismus. Gute Arbeit benötigt gute Köpfe - aber keine außergewöhnlichen Versorgungsansprüche", so Jäkel mit Blick auf die Ruhegeld-Debatte. Auch die Gremienaufsicht muss nach Sicht des Zukunftsrats umgebaut werden. Die neue zentrale ARD-Organisation, das ZDF und Deutschlandradio sollen jeweils durch einen Medienrat mit Vertretern aus Politik und Zivilgesellschaft kontrolliert werden. Zugleich soll dieser Medienrat einen aus Fachleuten zusammengesetzten Verwaltungsrat berufen, der die strategische Aufsicht über die Geschäftsleitung und die Gesamtverantwortung trägt. Diesem soll auch die Innenrevision übertragen und so echte gestalterische Macht an die Hand gegeben werden. Zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks schlägt der Zukunftsrat vor, das bisherige Verfahren zu ändern. Künftig sollen die Anstalten nicht mehr ihren Finanzbedarf bei der Finanzkommission KEF anmelden. Die KEF bleibt erhalten, soll aber vielmehr im Nachhinein prüfen, ob die jeweilige Anstalt ihren Auftrag auch wirklich erfüllt hat. Wenn dies nicht der Fall ist, drohen Konsequenzen in Form von Kürzungen der Mittel. Für diese neue, auch an inhaltliche Kriterien gebundene Aufgabe soll das bislang vor allem mit Wirtschafts- und Finanzexperten besetzte Gremium um Vertreter aus der Branche und Medienwissenschaft ergänzt werden. Die gesamte Finanzierung soll an eine am Medienbereich orientierte Indexierung gekoppelt werden, die automatisiert und weitgehend entpolitisiert festlegt, wie viel Geld die Anstalten bekommen. Eine Indexierung bedeute dabei aber nicht, dass der Rundfunkbeitrag künftig automatisch Jahr für Jahr steigen werde, betonte der Zukunftsrat. Vielmehr erwarten die Experten durch die Reformen massive Einsparungen. Außerdem soll die KEF alle drei bis fünf Jahre das Verfahren der medienspezifischen Indexierung prüfen. "Es ist möglich, man muss es wollen. Es ist eine Umstellung", fasste Jäkel die Reformanstöße zusammen. Der Zukunftsrat sei überzeugt, "dass es durch Umsetzung unseres Vorschlages zu erheblichen Einsparpotenzialen kommen wird, die die KEF berechnen und die Länder im Staatsvertrag umsetzen können". Dazu kämen noch die Abschläge bei "Schlechterfüllung" des Auftrags. Für diese Kraftpaket "ist ein Kraftakt notwendig", sagte Jäkel. Doch nach dem bisherigen Reformprinzip "kommen wir nicht weiter. Im Moment stecken die Öffentlich-Rechtlichen in einer Abwärtsspirale: Überall wird ein bisschen gespart, strukturell bleibt aber alles, wie es ist. So wird es nicht gelingen, das System neu aufzustellen." Die Vorschläge des Zukunftsrats müssten dabei komplett umgesetzt werden, betonte de Weck: "Rosinenpicken geht nicht, es geht nur mit allem zusammen." Künftig gehe es auch nicht mehr um die Zahl der Angebote, daher habe der Zukunftsrat auch keine Empfehlungen dazu abgegeben. "Die herausragende Qualität der Angebote ist wichtiger als ihre Zahl. Linear war das anders, doch im Digitalen gilt Vielfalt statt Vielzahl." Die Rundfunkkommission der Länder wird sich auf ihrer Klausurtagung kommende Woche in Bingen mit den Empfehlungen befassen. Sie will konkret entscheiden, welche Anregungen sie für den anstehenden nächsten Reform-Staatsvertrag übernimmt. Der sächsische Medienminister und Staatskanzleichef Oliver Schenk (CDU) sagte dem KNA-Mediendienst, dass mit den Vorschlägen des Zukunftsrats das laufende Verfahren zur Festsetzung des Rundfunkbeitrags obsolet geworden sei. Wegen der anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im Herbst sei eine Verabschiedung eines Beitragsstaatsvertrags nach dem bisherigen Verfahren in diesem Jahr ohnehin "unrealistisch". Wenn die Länder jetzt zügig die weitere Reformagenda mit den vom Zukunftsrat angeregten Neuerungen des KEF-Verfahrens beschlössen, könne dieses neue Verfahren bereits für die kommende Beitragsperiode Anwendung finden. Hierfür mache er "einen gewissen Konsens" im Länderkreis aus, sagte Schenk - "auch bei denen, die sagen, an uns wäre eine Beitragsanpassung nicht gescheitert".

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