Berlin (KNA) Die Natur hat zurückgeschlagen, die Menschheit ist durch ein Sonnenbeben dramatisch dezimiert und auf das Nötigste zurückgeworfen. Aufbauspiele mit einem apokalyptischen Ansatz sind nicht neu. Auch "Floodland" (2022) und "Frostpunk" (2018) spielten mit der Idee, dass die Weltbevölkerung noch mal ganz von vorn anfangen muss. "New Cycle" ist mehr als die beiden genannten Genrevertreter an das alles überragende Aufbauspiel "Anno 1800" angelehnt. Die Unterschiede sind jedoch so groß, dass auch das vom türkischen Studio Code Engage entwickelte und vom Hamburger Publisher Daedalic veröffentlichte "New Cycle" durchaus eine Existenzberechtigung hat. Denn während "Anno" stark auf den Modellbahneffekt setzt und die Spieler eine wunderschöne, um nicht zu sagen geschönte, Version des 19. Jahrhunderts nachbauen lässt, ist hier zu Anfang alles öd und leer. Visuelle Reize hat das Ganze aber gleichwohl, die Bauten und das Treiben ihrer Bewohner wecken die Neugier, die Wettereffekte tragen das ihrige bei, um Atmosphäre zu schaffen. Aber das Klima spielt auch inhaltlich eine tragende Rolle. Im strengen Winter ist die Nahrungsversorgung akut gefährdet, im Sommer wird Wasser regelmäßig zum Problem. Und jederzeit können erneut extreme Wetterereignisse eintreten, die das, was man mühsam aufgebaut hat, zunichtemachen können. Auf zwei zentrale Faktoren kommt es bei "New Cycle" an. Als Anführer der stetig wachsenden Gemeinde muss man stets im Blick haben, dass für alle genug Nahrung da ist und man für alle Eventualitäten gerüstet ist. Das heißt, dass man die umfangreichen, in vielen Schaubildern und Tabellen vorliegenden Daten im Blick behalten und an den richtigen Stellschrauben drehen muss, damit das sensible Gebilde nicht in Schieflage gerät. Und schließlich ist von elementarer Bedeutung, dass man die Menschen "mitnimmt", sie also weder mit drastischen Sparmaßnahmen noch mit ungerechten Verordnungen vor den Kopf stößt. Denn angesichts der wachsenden Herausforderungen muss die Bevölkerung stetig wachsen, einen Exodus kann man sich da nicht leisten. Eine gute Versorgung und faire Verteilung sorgen für Nachwuchs und locken Migranten an, die man in "New Cycle" immer gut gebrauchen kann. Natürlich muss man auch eine konstante medizinische Versorgung gewährleisten, weshalb der wissenschaftliche Fortschritt nicht vernachlässigt werden sollte. Kommt es zu unvorhergesehenen Ereignissen wie der Zerstörung wichtiger Gebäude durch Blitzschlag, gilt es, schnell dafür Sorge zu tragen, dass die Moral nicht in den Keller geht. "New Cycle" ist gerade im "Early Access" erschienen. Das bedeutet, dass es noch vergleichsweise günstig zu haben, aber eben auch noch kein fertiges Spiel ist. Dafür kann man in der Community mithelfen, im direkten Austausch mit den Entwicklern auf Fehler hinweisen und Wünsche äußern. Gewissermaßen nimmt man also die Rolle der Protagonisten des Spiels ein, die gemeinsam an einem Strang ziehen müssen, um etwas solides Neues zu erschaffen. Spielen kann man derzeit wahlweise den "Sandbox"-Modus, der freies Bauen ermöglicht, die "Kampagne", die etwas mehr Erzählung bietet, und die "Story", innerhalb derer man einer Bedrohung durch eine tödliche Seuche begegnen muss. Das alles läuft für einen "Early Access"-Titel schon sehr rund. Wer sich von gewissen Ecken und Kanten schnell die Laune verderben lässt, sollte aber noch etwas warten oder sich fürs Erste an eine der zahlreichen Alternativen halten. Bleiben die Entwickler auf dem eingeschlagenen Weg, könnte mit dem fertigen Spiel ein echter Überraschungshit ins Haus stehen. Hersteller/Entwickler: Daedalic Code-Engage-Website: https://newcyclegame.com/ Altersempfehlung: Eine offizielle Altersfreigabe der USK steht noch aus. Angesichts der ernsten Thematik dürfte sie wohl bei 12 Jahren liegen, wobei es in "New Cycle" nicht um gewaltsame Auseinandersetzungen, sondern um wirtschaftliche Aspekte und einen geschickten Umgang mit Ressourcen geht. Mehrspieler: Nein Sprache: Deutsch (weitere Sprachen einstellbar) Plattformen: PC (Early Access) Preis: ca. 30 Euro (über Steam) Alternativen: Aufbauspiele und Städtebausimulationen gibt es im Prinzip für jeden Geschmack und jeden Anspruch. "Anno 1800" (Ubisoft, für PC, PlayStation 5, Xbox Series) ist zweifellos der Genrekönig und die erste Wahl für alle, die eine schöne Kunstwelt erschaffen wollen, die sich gleichwohl an historischen Vorbildern orientiert. Auch in "Floodland" (Plaion, für PC) und "Frostpunk" (11bit Studios, für PC) muss man nach einer globalen Katastrophe ganz neu anfangen. "Floodland" thematisiert konkret den Klimawandel, "Frostpunk", wo die Bevölkerung mit einer neuen Eiszeit konfrontiert ist, ist vom Setting her deutlich abstrakter angelegt und schlägt eher dystopische Töne an. Dass es in Videospielen immer laut und hektisch zugehen muss, wird von Spielen wie diesem als reines Vorurteil entlarvt. "Another Code: Recollection" ist ein Mystery Adventure der leisen Töne, das sich irgendwo zwischen Spiel und Spielfilm bewegt. Das Erkunden der geheimnisvollen Spielumgebung, das Lösen eher einfach gestrickter Rätsel und vor allem die Geschichte stehen im Vordergrund. Kurz vor ihrem vierzehnten Geburtstag erhält Ashley ein Paket von ihrem totgeglaubten Vater. Dieser lädt sie auf die Blood-Edward-Insel ein und schickt ihr ein seltsames Gerät namens "Dual Another System (DAS)". Nintendo-Fans wissen natürlich: Ursprünglich war damit die Taschenkonsole Nintendo DS gemeint, für die "Another Code" zuerst herausgebracht wurde. Die Fortsetzung erschien dann bereits auf der Wii-Konsole. Nun wurden die beiden Abenteuer für die Switch überarbeitet und erscheinen gemeinsam mit verbesserter Grafik, 3-D-Umgebungen, neuer Musik und neuen Rätseln. Auf der Insel angekommen, muss Ashley feststellen, dass ihr Vater nicht zum vereinbarten Treffpunkt erschienen ist. So macht sie sich auf die Suche, wobei sie Freundschaft mit dem Geist eines Jungen namens D schließt. Dieser unterstützt sie beim Aufdecken der Zusammenhänge, während Ashley ihm dabei hilft, seine verlorene Erinnerung wiederzufinden. "Another Code: Recollection" lebt ganz von der traumhaften Atmosphäre, die nie ins Gruselige abgleitet. Der stimmungsvolle Anime-Stil kommt besonderes jüngeren Spielern entgegen, wobei ein gutes Lesevermögen oder Fremdsprachenkenntnisse unerlässlich sind. Denn die Sprachausgabe erfolgt wahlweise in Englisch oder Japanisch, ist aber Deutsch untertitelt, womit immerhin ein gewisser Lerneffekt einhergeht. Ansonsten ist das Spiel angenehm ruhig und entspannend, auch die Rätsel dürften niemanden überfordern. Game-Infos: "Another Code: Recollection", Nintendo, für Nintendo Switch, ab 6 Jahren, ca. 50 Euro (als Download oder Box-Version).