Straßburg (KNA) "Mal sehen, wie Gott entscheidet: Abschied oder herzlich willkommen?" Fragen, die dem womöglich gerade im Sterben liegenden "guten Bullen" durch den Kopf schießen, während sein Kollege Radu ihn Richtung Krankenhaus fährt. Fredo Schulz' innerer Monolog legt sich über die Bilder des durchs nächtliche Berlin eilenden Wagens. Nicht zufällig handelt es sich beim Voiceover um ein Erzählmittel des Film noir: Die Krimithriller-Reihe rund um den "guten Bullen" liebäugelt mit dem dunklen Genre, nutzt einige von dessen Stil- und Erzählelementen. So setzt auch "Der gute Bulle - Heaven can wait", den Arte am 9. Februar von 20.15 bis 21.45 Uhr ausstrahlt, auf ein urbanes, nächtliches Setting, Figuren, die eher Antihelden als Helden sind, eine tendenziell düstere Weltsicht. Im vierten Teil der Reihe geht es besonders pessimistisch zu; bekommt Fredo (Armin Rohde) doch die Diagnose "Darmkrebs", verbleibende Lebenserwartung: drei Monate. Diese Aussichten versucht der Ermittler so gut wie möglich zu ignorieren, stürzt sich trotz Schmerzen in seinen aktuellen Fall, bei dem kurz hintereinander gleich drei Männer das Zeitliche segnen. Zunächst wird ein Sicherheitsmann vor einem Neuköllner Wohnblock erschossen. Er hatte Fady Berri begleitet, den Sohn des Immobilienbesitzers Samir (Husam Chadat), der den Mietern zwecks Luxussanierung den Auszug schmackhaft zu machen suchte. Danach trifft es Samir Berri selbst, der seine kriminelle Vergangenheit offenbar doch nicht so ganz hinter sich gelassen hatte. Regelrecht hingerichtet wird er, in dem Lokal, in dem auch seine Tochter Mona (Sabrina Amali) arbeitet. Wenig später wird Marvin tot aufgefunden, der Mörder der beiden anderen. Letzteres ist kein Spoiler: Zuschauerinnen und Zuschauer wissen hier stets mehr als die Figuren, ein wiederkehrendes Erzählprinzip des Autors und Regisseurs Lars Becker. Statt der Frage "Wer war es?" steht das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Polizisten und Kriminellen im Zentrum, ein möglicher Rachefeldzug der Berris, dazu die Frage, wer Marvins Auftraggeber war. Auch weitere Elemente sind "typisch Becker": der multiethnische Cast (auf solche setzt der Filmemacher schon seit Jahrzehnten), die Großstadt mit ihren leicht zwielichtigen Orten - Kneipen, Hinterhöfen, Imbissbuden und Gebrauchtwagenläden - als Schauplatz. Die Fülle an eher instinkt- denn intellektgetriebenen Figuren, gespielt von hochkarätigen Schauspielern. Kriminelle Familien, aber auch Familienwerte, die hochgehalten werden. Fließende Übergänge zwischen "Gut" und "Böse", viele Grautöne. Unbedingt aber auch: Armin Rohde. Der Schauspieler hat in zwei Dutzend Becker-Filmen tragende Rollen gespielt. Würde er sich mit diesem vierten "Der gute Bulle"-Fall nun tatsächlich in den Ruhestand beziehungsweise gen Himmel verabschieden, wie es das Ende des Films insinuiert, wäre das ein herber Verlust. Der Bauchmensch Fredo mit seinem mühsam in Schach gehaltenen Alkoholproblem, der sich seine Glaubwürdigkeit wie seinen Ehrentitel keineswegs mit allzeit legalem Verhalten, sondern mit bedingungsloser Hingabe an die Ermittlungsarbeit verdient hat, war einem vom Fleck weg ans Herz gewachsen. Immerhin legt er hier schon mal seinen Nachfolger fest, den loyalen Radu (Sabin Tambrea). Dem Abschiedsblues, der den Film durchzieht, kann man sich kaum entziehen. Dennoch zählt "Heaven can wait" nicht zu den stärksten Becker-Krimis: So gerät die Einführung der Story, die mit ihren kleinen Ungereimtheiten nicht durchgehend überzeugt, ein wenig papieren. Auch sind manche Figuren unpräzise gezeichnet; weiß Becker etwa mit der weiblichen Figur im Polizei-Team erneut so gar nichts anzufangen. Anderes hingegen ist interessant und gelungen, beispielsweise das Erzählmittel des inneren Monologs. Oder auch die sich spiegelnden Szenen, die gleiche Motive aufgreifen, diese in verschiedenen Varianten durchspielen. Am schönsten aber: die Szene, in der Fredo ein Tänzchen im Sitzen absolviert, "Lazy Sunday Afternoon" von den Small Faces mitröhrt, vor den Augen der Frau, die er liebt. Ein kurzer Moment von Leichtigkeit - der sprichwörtliche Absturz folgt auf dem Fuß.