Weder cozy noch fancy - Funk/SWR-Doku über Hacker in russischen Diensten

Von Christian Bartels (KNA)

DOKUMENTATION - Die Funk/SWR-Doku "Putins Bären - Die gefährlichsten Hacker der Welt" in der ARD-Mediathek erzählt einiges Interessante und Kurioses über russische Hacker, verheddert sich aber in erzählerischen Mätzchen. Wichtige Fragen bleiben unbeantwortet.

| KNA Mediendienst

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"Putins Bären - Die gefährlichsten Hacker der Welt"

Foto: Simplicissimus/funk/SWR/KNA

Berlin (KNA) Tatsächlich tauchen im anfänglichen Zusammenschnitt der SWR/Funk-Dokumentation "Putins Bären - Die gefährlichsten Hacker der Welt" zwischen "Tagesschau"-Sprecherin Judith Rakers und Donald Trump auch leicht animierte Zeichentrick-Bären auf. Ganz niedlich sehen sie aus. Was eine weibliche Erzählstimme von ihnen erzählt, wirkt dann zusehends bedrohlich: "Fancy Bear" oder "Cozy Bear", so etwa lauten Spitznamen von Spezialeinheiten russischer Geheimdienste, die eine "Gefahr für westliche Demokratien" bedeuteten. Sie hätten Donald Trump im Wahlkampf, in dem er 2017 Präsident wurde, "mit aller Macht unter die Arme gepackt". Der gerade in der ARD-Mediathek veröffentlichte Film (Regie und Buch: Jonas & David, Simplicissimus-Produktion) will erklären, "wie wir uns vor ihnen schützen können". Formal schöpft der Film aus dem Vollen. Die stets bewegte Kamera zeigt manchmal stilisierte Landkarten und gerne visualisierte Netz- oder Kraken-Metaphern. Nachrichten- und andere Fernsehbilder aller Art und Provenienz gibt es zu sehen, eine Trump-Persiflage aus der Satireshow "Extra 3" des NDR und Tränen auf Gesichtern von Fans der Wahl-Verliererin Hillary Clinton. Außer Bären erscheinen auch noch uncolorierte weiße Kunststofffiguren - dann, wenn von echten Menschen keine Bilder vorliegen. Was in vier Kapiteln erzählt wird, sind in den vergangenen zehn Jahren gewonnene Erkenntnisse über mutmaßlich staatlich organisierte russische Hacker. Zunächst berichtet Claudia Haydt, damals wissenschaftliche Mitarbeiterin einer Bundestagsabgeordneten, wie sie 2015 auf ihrer Computer-Tastatur beim Schreiben des Namens "René" plötzlich keinen Akzent mehr setzen konnte. Während sie sogleich einen Trojaner als Fehlerursache erkannte, soll die IT-Sicherheitsabteilung des Bundestags abgewiegelt haben. Erst allmählich stellte sich heraus, dass eine nur scheinbar von den Vereinten Nationen gesandte E-Mail, durch deren Öffnen sich eine Schadsoftware installierte, das gesamte Netz des Bundestags infizierte. Rund 16 Gigabyte Daten wurden gestohlen, offenbar selbst aus Computern von Kanzlerin Merkel. Diese Daten wurden nie veröffentlicht; was sonst mit ihnen passierte, blieb unklar. Dagegen gelangten rund 50.000 abgegriffene E-Mails der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton und ihres Teams sukzessive an die Öffentlichkeit. Offenkundig trug das zu Trumps Wahlsieg bei. "Man hätte nahezu alles, was im Sommer 2016 geschehen ist, verhindern können. Hat man aber nicht", lautet einer der markig klingende Sätze aus dem Off-Kommentar. Zumindest zogen US-amerikanische Geheimdienste anschließend die Lehren, dass "im Kampf im digitalen Raum Demokratien im Nachteil sind" und dass die Russen sich auch weiterhin mit der Einflussnahme auf internationale Wahlen beschäftigen. Bevor das vierte Erzählkapitel von einem zwar erfolgreichen Hackerangriff auf einen Satelliteninternet-Anbieter aus Seattle zu Beginn des russischen Angriffskriegs berichtet, zeigt das dritte Kapitel mal einen westlichen Erfolg: 2018 reisten Russen zum Sitz der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW), die damals die Berichte zum Giftmordanschlag auf den Exilrussen Sergej Skripal veröffentlicht hatte. Per Wifi-Antenne im Auto wollten sie Datenverkehr aus dem WLAN-Netz der Behörde umleiten. Dass sie von Anfang an beobachtet wurden, hatten sie nicht bemerkt. So konnte sie der niederländische Geheimdienst MIVD verhaften, ihre Smartphones beschlagnahmen und interessante Spuren sichern, darunter eine Taxiquittung, die zum Sankt Petersburger Dienstsitz führt. Spätestens, wenn eine unkenntlich gemachte "hochrangige Führungskraft" des MIVD sich im Interview dieses Erfolges freut, hätte man sich allerdings vertiefende Einschätzungen gewünscht. Zum Beispiel darüber, ob Hacker, die im weltumspannenden Netz im Prinzip von überall aus arbeiten können, nicht ähnliche Fähigkeiten wie die Geheimdienste beherrschen müssen und Unterschiede allenfalls darin liegen, wie sie ihre Fähigkeiten anwenden. Stattdessen spintisiert "Putins Bären" über den Alltag russischer "Hackersoldaten", über "fiese Chefs, schlechte Kaffeeautomaten" und nervöses Zigarettenrauchen. Dazu wird als Text klein im Bildfeld eingeblendet: "Über den genauen Tagesablauf der Voodoo Bear-Mitarbeiter liegen uns keine Informationen vor." Was nochmals den Blick auf das Übermaß an erzählerischen Mätzchen lenkt. Da empört sich der Off-Kommentar: "Sie schrecken vor wirklich nichts zurück. Nicht mal vor dem Rechner der damaligen Bundeskanzlerin." Nur warum sollten russische Hacker ausgerechnet vor einer Ausspähung Merkels zurückschrecken, wenn es ihnen technisch möglich war? Ob die bundesdeutsche Cyberabwehr seither dazugelernt hat, welche Abwehrmechanismen sie entwickelte und welche Kompetenzen sie offiziell besitzen darf - über eine deutsche "Hacker-Behörde" wird durchaus diskutiert -, all das spricht der Film leider nicht an. Dabei kreiste allerhand Medien-Aufmerksamkeit um das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), als Innenministerin Nancy Faeser (SPD) 2022 im Zusammenhang mit weithin unberechtigten Vorwürfen des ZDF-Entertainers Jan Böhmermann (zu denen auch Verbindungen nach Russland gehört hatten) dessen Präsidenten Arne Schönbohm entließ. Kurzum: "Putins Bären" bereitet einige interessante Informationen in netten Häppchen auf, bleibt aber erstaunlich unterkomplex. Dabei hätten kompetente Gesprächspartner wie Chaos-Computer-Club-Sprecher Linus Neumann und die Investigativjournalisten Florian Flade und Hakan Tanriverdi tiefer und differenzierter in die Gemengelage einführen können. Die Kritik betrifft auch den Titel der Doku. Gewiss sind animierte Bären ein hübscher Hingucker, der vielleicht auch in der ARD-Mediathek und auf den Drittplattformen für Aufmerksamkeit sorgt. Doch wenn man solch Illustrationsaufwand betreibt, dürfte die Frage, warum eigentlich russische Hacker sich Bärennamen geben, auch mal gestellt werden. Vielleicht, weil sie sich in der westlichen Öffentlichkeit genau so stilisiert sehen wollen?

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