Whistleblower-Netzwerk zur Assange-Anhörung - "Schlechter als Journalisten geschützt"

Von Steffen Grimberg (KNA)

PRESSEFREIHEIT - Julian Assange wird als Whistleblower gehandelt, obwohl er als Journalist eigentlich besser vor staatlicher Verfolgung geschützt wäre, sagt Annegret Falter vom deutschen Whistleblower-Netzwerk.

| KNA Mediendienst

alt

Julian Assange

Foto: Thomas Kampen/IMAGO/KNA

Berlin (KNA) Das Whistleblower-Netzwerk in Berlin wurde 2006 gegründet. Der überparteiliche und gemeinnützige Verein will den rechtlichen Schutz und das gesellschaftliche Ansehen von Whistleblowern in Deutschland verbessern. Ein Gespräch mit der Netzwerk-Vorsitzenden Annegret Falter zum Fall Julian Assange und ersten Erfahrungen mit dem im Sommer 2023 in Deutschland in Kraft getretenen Hinweisgeberschutzgesetz. KNA-Mediendienst: Frau Falter, die Anwälte von Julian Assange kämpfen in London vor dem High Court darum, eine drohende Ausweisung in die USA zu verhindern. Wie beurteilt das Whistleblower-Netzwerk diesen Fall? Annegret Falter: Im Fall Assange wurde von Anfang an bis zum heutigen Tag versucht, das Recht des Stärkeren mit juristischen Mitteln gegen einen politisch unliebsamen Journalisten durchzusetzen. Je nach Sichtweise sind der Stärkere entweder die USA oder es ist eben der "Staat" als solcher - mit seinem Geheimhaltungsanspruch. MD: Assange soll sich in den USA nach einem Spionagegesetz aus dem Jahr 1917 verantworten. Eine der Besonderheiten ist hier, dass dieses Gesetz keine "Public InterestDefense" zulässt, also nicht geprüft wird, inwieweit Assange aus übergeordnetem öffentlichen Interesse und zur Aufklärung von Missständen gehandelt hat. Damit wird dann aber doch Whistleblowing ganz allgemein der Boden entzogen. Falter: Genauso ist es. Das heißt auf gut Deutsch übrigens auch, dass die Motive des Whistleblowers gar keine Rolle spielen. Das haben wir ja in den USA bei dem Prozess gegen Chelsea Manning gesehen: Es kommt nicht darauf an, ob tatsächlich Schäden angerichtet worden sind. Bei Manning konnte in keinem einzelnen Fall nachgewiesen werden, dass eine Person zu Schaden gekommen wäre oder dass anderer Schaden entstanden ist. Es reichte, zu behaupten, dass es potenziell zu Schäden hätte kommen können. Wobei ich betonen möchte, dass Assange kein Whistleblower ist. Er wird zwar als solcher gehandelt, aber er ist Journalist. Und er hat als Journalist Daten bei Wikileaks veröffentlicht und getan, was auch Redakteure von der "Times", "El Pais" oder dem "Spiegel" gemacht haben. Daher müsste er von Rechts wegen als Journalist geschützt werden - und nicht als Whistleblower. Zumal die immer noch überall sehr viel schlechter als Journalisten geschützt sind. MD: Sie haben die Anhörung in London verfolgt, haben Sie schon ein Gefühl dafür, wie das Ganze ausgehen könnte? Falter: Nein. Zumal es uns auch schwer gemacht wird, dabei zu sein. Die Öffentlichkeit der Verhandlung wurde wieder extrem restriktiv gehandhabt, es gibt zu wenig Plätze für Zuhörer und auch beim Stream hat der High Court sehr enge Spielregeln - grundsätzlich bedarf es hier einer individuellen Genehmigung des Gerichts. MD: Wie ist es denn um die Situation von Whistleblowern in Deutschland bestellt? Seit letztem Sommer ist ja das sogenannte Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft. Wie ist da Ihre erste Bilanz? Falter: Whistleblower in der Wirtschaft und auch im öffentlichen Dienst sind jetzt ganz ordentlich vor Repressalien ihres Arbeitgebers geschützt. Für Whistleblower gilt nun auch eine Beweislastumkehr: Wenn ein Whistleblower vom Arbeitgeber gekündigt wird, muss jetzt der Arbeitgeber beweisen, dass es nicht wegen des Whistleblowings ist. Das ist wichtig, weil in Arbeitsgerichtsprozessen immer wieder vorgeschobene Kündigungsgründe angeführt werden. Außerdem sind Whistleblower jetzt nicht mehr verpflichtet, zuerst intern über ihr Anliegen zu informieren, also sich beim Vorgesetzten oder Arbeitgeber zu melden. Sie können sich direkt an eine "externe" Behörde wenden. Aber wenn sich Whistleblower direkt über Medien an die Öffentlichkeit wenden wollen, gelten weiter besondere Bedingungen und es gibt hohe Hürden. Hier finden wir das neue Gesetz weiterhin unzureichend. Außerdem sind viele Bereiche vom Schutz ausgenommen, wie die Geheimdienste oder sämtliche Verschlusssachen auch des öffentlichen Dienstes oberhalb der niedrigsten Geheimhaltungsstufe. MD: Hat sich das Ansehen von Whistleblowern durch das Gesetz hierzulande verbessert? Falter: Nein, die generelle Problematik kann auch das Gesetz nicht lösen. Gerade in Deutschland gelten Whistleblower immer noch zu oft als illoyale Verräter oder Nestbeschmutzer - dazu kommt noch der Vorwurf des Denunziantentums. Und das deutsche Arbeitsrecht betont weiterhin die Treue- und Verschwiegenheitspflicht dem Arbeitgeber gegenüber. Die Folge ist, dass Whistleblower weiter häufig ihre professionelle und private Existenz aufs Spiel setzen.

Lesen Sie weiter auf www.KNA-News.de