Seit zwei Monaten ohne Gehalt - Medien-Umbau in Polen vor großen Herausforderungen

Von Gabriele Lesser (KNA)

POLEN - Staatspräsident Andrzej Duda blockiert weiter die Reformen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk TVP. Dessen neuer Generaldirektor Tomasz Sygut hält dagegen. Doch es fehlt an Geld. Zahlreiche Journalisten arbeiten seit Monaten ohne Lohn oder vertragliche Grundlage.

| KNA Mediendienst

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Polnischer Fernsehsender TVP

Foto: IMAGO/Pond5 Images/KNA

Warschau (KNA) Polens öffentlich-rechtlicher Fernsehsender TVP und das Polskie Radio bieten ihren Zuschauern und Zuhörern wieder unabhängigen und ausgewogenen Journalismus, Bildungsprogramme, Kultur, Unterhaltung und Sport. Doch hinter den Kulissen sieht es dramatisch aus. Es fehlt an Geld. Viele neu eingestellte Journalisten und Moderatoren arbeiten schon seit Januar ohne Gehalt und Vertrag. Auch die 17 sogenannten "Liquidatoren", die für die Restrukturierung der Regionalsender in den 16 Wojewodschaften und des Hauptsenders in Polens Hauptstadt Warschau zuständig sind, arbeiten zum größten Teil noch ohne Vertrag und ausgezahlte Gehälter. Das liegt unter anderem an Präsident Andrzej Duda, der einen Tag vor Weihnachten 2023 sein Veto gegen das Gesetz zur Finanzierung des öffentlichen Budgets 2024 einlegte. Betroffen waren die Gehaltserhöhungen für Polizisten, Krankenschwestern, Lehrer und Lehrerinnen, aber auch der Zuschuss zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Höhe von 3 Milliarden Zloty (umgerechnet rund 700 Millionen Euro). Duda zählt zu den eifrigsten Parteisoldaten der PiS, obwohl er bei Amtsantritt sein Parteibuch offiziell abgegeben hatte. Kurz darauf blockierte Maciej Swirski, der noch von der PiS eingesetzte Direktor des Landesrats für Rundfunk und Fernsehen (KRRiT), weitere knapp 160 Millionen Zloty (etwa 37 Millionen Euro) an Abonnementseinnahmen, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eigentlich zustanden, wie das Rechercheportal Oko.press schreibt. Erst Anfang März sei nun die erste Tranche aus dem Reservebudget des Staatshaushalts in Höhe von 220 Millionen Zloty (etwa 51 Mio. Euro) überwiesen worden. Um einen reibungslosen Betrieb des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewährleisten zu können, müssten ähnlich hohe Summen jeden Monat angewiesen werden. Dass TVP und Polskie Radio überhaupt in diese Schieflage kommen konnten, hat mit der Vorgängerregierung zu tun. Gleich in den ersten Monaten ihrer Herrschaft 2015 begann die PiS mit dem Umbau des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu einem Staats- und Parteipropagandasender. Im Volksmund hieß das Fernsehen schon bald nur noch TVPiS. Präsident Duda hatte jahrelang keine Bedenken, wenn die PiS-Regierung Milliardensummen für den Staatsrundfunk im Budget einplante. Die kamen ihm erst, als die ehemalige Opposition 2023 die Wahlen gewonnen hatte und tiefgreifende Reformen ankündigte. Das Veto des Präsidenten kam der neuen Regierung aber gar nicht so ungelegen, erlaubte es doch Kulturminister Bartlomiej Sienkiewicz, der formal durch sein Amt Eigentümer der Rundfunk-Aktiengesellschaft Polens ist, ein Konkursverfahren für TVP und Polskie Radio einzuleiten. Das Gesetz zur Restrukturierung finanziell angeschlagener Unternehmen ist in Polen etwas unglücklich mit dem Wort "Liquidation" überschrieben. Dies führte dazu, dass nicht nur die PiS, sondern auch viele polnische Intellektuelle und ausländische Journalisten der neuen Mitte-Links-Koalition vorwarfen, auch nicht anders als die PiS zu agieren und angeblich rabiate und rechtlich fragwürdige Methoden wie eben diese "Liquidation" bei der Durchsetzung des eigenen politischen Programms anzuwenden. Mittlerweile ist klar, dass die Regierungskoalition rechtlich sauber agiert hat. Doch die Lage bleibt angespannt. Tomasz Sygut ist zwar seit Dezember 2023 neuer TVP-Generaldirektor. Doch erst wenn im Sommer 2025 die zweite Amtszeit von Präsident Duda endet - und damit auch dessen Obstruktion jeder Parlaments- und Regierungsarbeit der neuen Koalition - kann ein Gesetz verabschiedet werden, das auch rechtlich aus dem PiS-Staatsfunk wieder einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk macht, wie er in Polens Verfassung vorgesehen ist. Sygut, der schon in den Jahren 2011 bis 2015 für TVP gearbeitet hatte, könnte dann TVP-Intendant werden. "Wir sind kurz davor, einen umfassenden Untersuchungsbericht über TVPiS zu publizieren", kündigt Sygut im Interview mit dem Nachrichtenmagazin Polityka an, "aber noch entdecken wir täglich Schockierendes". So sei inzwischen klar, warum die TVP-Sendezentrale am Warschauer Platz der Aufständischen zum Jahreswechsel 2023/2024 von TVP-Redakteuren und PiS-Politikern besetzt worden sei. "Die einen verteidigten wochenlang ihre exorbitant hohen Honorare, die anderen den für die Machterhaltung der PiS so wichtigen Propagandaapparat", erklärt Sygot. Einer der Blockierer habe neben seinem normalen Gehalt noch ein monatliches Honorar in Höhe von 200.000 Zloty (ca. 46.500 Euro) kassiert. Auf die Konten der bekannten TVPiS-Propagandisten Michal Adamczyk, Marcin Tulicki und Samuel Pereira seien 2023 Honorare in Höhe von bis zu 1,6 Mio Zloty (umgerechnet ca 370.000 Euro) geflossen. Das seien schockierende Summen, so Sygut. Im heutigen TVP liege die monatliche Verdienstobergrenze bei 35.000 Zloty brutto (ca 8.140 Euro). Zwar ist die zum Teil ungeheuerliche Bereicherung einzelner TVPiS-Stars ein wichtiges Thema im Untersuchungsbericht, aktuell sei aber die Neuausrichtung der Programme wichtiger, sagt Sygut. Er hat als Ziel Faktentreue, Objektivität und Perspektiven-Pluralismus in den Nachrichten ausgegeben und eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Hass und Hetze, Manipulation und Lügen verkündet. Ziel sei es auch, mit einer professionellen und glaubwürdigen Berichterstattung die Marke TVP neu aufzubauen und so Zuschauer zurückzugewinnen, die in PiS-Zeiten TVP zugunsten der beliebten Privatsender TVN und POLSAT verlassen hätten. Noch 2015 hatten rund 3,4 Millionen Polen die TVP-Hauptnachrichtensendung "Wiadomosci" geschaut, 2023 waren es nur noch 1,7 Millionen. Es sei eine Frechheit, empört sich TVP-General Sygot, wenn aus PiS-Kreisen den neuen Verantwortlichen vorgeworfen werde, aus TVP einen Sender mit der Reichweite eine Provinzkanals gemacht zu haben. Natürlich könnten die vielen Änderungen nicht einfach so aus dem Boden gestampft werden. Viele Programme, Serien wie auch die beliebten Quizduelle seien längst vorproduziert und auch schon bezahlt. Diese würden noch ausgestrahlt, dann aber nach und nach durch neue Produktionen ersetzt. Das brauche seine Zeit. Mit rund zwei Jahren Übergangsfrist müsse man rechnen, deutet Sygut an. "Aber", so betont er nachdrücklich, "die öffentlich-rechtlichen Medien sind unentbehrlich für den Wiederaufbau der polnischen Demokratie." Sie sollten das Staatsbürgerbewusstsein stärken und dabei helfen, die gesellschaftlichen Gräben wieder zuzuschütten, die in den letzten acht Jahren von den von der PiS kontrollierten Medien aufgerissen wurden, um der Partei das Regieren im zunehmend autokratischen Staat zu erleichtern. Ein wichtiges Thema, über das weder im Sygut-Interview noch überhaupt in Polen aktuell gesprochen wird, ist die Fortexistenz der 16 TVP-Regionalsender. In den letzten acht Jahren wurden sie personell stark ausgedünnt, ihre Minderheitenprogramme weitgehend gestrichen und die Informationssendungen auf ein Minimum heruntergefahren. Andererseits muss ihre teure Infrastruktur finanziert werden. Die Lösung, die sich bereits andeutet, läuft darauf hinaus, einige der zahlreichen TVP-Spartensender aufzulösen, deren bisherige Budgets auf die Regionalsender zu verteilen und so auch den Erwartungen der Zuschauer in Stettin (Szczecin) und Zakopane, Posen (Posnan) und Bialystok zu entsprechen.

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