Bonn (KNA) Getrieben von Terminen, To-do-Listen und ständiger Erreichbarkeit - so lebt der moderne Mensch. Das sagt zumindest Stephan Schäfer, und der müsste es wissen. Schäfer war Vorstandschef von Gruner + Jahr und ein knappes Jahr Co-Chef des Privatfernsehsenders RTL. Unter seiner Ägide kaufte der Kölner Sender den Hamburger Traditionsverlag G + J; 2022 schied Schäfer dann aus. Zwei Jahre später legt der frühere Manager nun seinen ersten Roman vor, in dem sich alles um die Frage dreht: Wie will ich eigentlich leben? Die Hauptfigur seines Buchs "25 letzte Sommer", das am Donnerstag erscheint, ist ein vielbeschäftigter Mann. Jeden Morgen wacht er um 5.12 Uhr auf, auch am Wochenende. Samstags und sonntags fährt er mit seiner Familie gern ins Wochenendhäuschen, dieses Mal aber allein. Doch statt dort endlich Ruhe zu finden und die Natur zu genießen, drängen sich Gedanken in sein Bewusstsein: Wem muss er noch auf eine E-Mail antworten, wem hinterhertelefonieren? Der Ich-Erzähler beschließt, in einem See "abzutauchen", um eine klaren Kopf zu kriegen. Am See trifft er Karl, einen Mann, der das Leben des Ich-Erzählers ziemlich auf den Kopf stellen wird. Denn Karl führt als Kartoffelbauer auf dem Land ein ganz anderes Leben: entschleunigt, im eigenen Rhythmus, genussvoll. Autor Schäfer hat im Gespräch keine große Lust abzugleichen, was zwischen den Buchdeckeln autobiografisch ist und was nicht. "Natürlich kenne ich vieles von dem, was dort beschrieben wird, gut", sagt er. Der Roman sei dennoch Fiktion. Er wüsste von vielen Menschen aus seinem Umfeld, dass sie ein Gefühl des "Zuviel" hätten. "Die Digitalisierung hat uns immer erreichbarer gemacht. Auch die Themen und das Wissen, die ein arbeitender Mensch aufnehmen und verarbeiten muss, haben sich vervielfacht", erklärt Schäfer. Der 49-Jährige, gebürtig aus Witten in Nordrhein-Westfalen, begann seine Laufbahn als Journalist: Er absolvierte ein Volontariat an der Axel-Springer-Schule, wurde später Chefredakteur unter anderem von den Magazinen "Essen & Trinken" und "Schöner Wohnen" im Gruner+Jahr-Verlag. 2013 berief der Verlag ihn in den Vorstand, 2021 wurde er dessen Vorsitzender. Schäfer bezeichnet sich selbst heute als "Umsteiger", der wieder dahin zurückkehre, von wo er komme: zum geschriebenen Wort. Der Abschied aus dem Unternehmen, "in bestem Einvernehmen", wie damals kommuniziert wurde, sei für ihn der richtige Zeitpunkt gewesen, um der Frage nachzugehen, ob er das Leben lebe, das er leben wolle. "Ich habe meinen Beruf geliebt und empfinde eine große Dankbarkeit - nun schlage ich ein neues Kapitel auf." Schäfer berichtet, sich mit vielen Menschen umgeben zu haben, die ihm Mut gemacht hätten, die teilweise selbst schon einmal in ihrem Leben neu abgebogen seien. Den Titel "25 letzte Sommer" hat Schäfer dabei schon Jahre mit sich herumgetragen, wie er erklärt. Ein Zeitraum, der für Veränderung ausreichend ist. "Denken Sie nur mal daran, was Sie alles allein bis zum 18. Lebensjahr gelernt haben, wie sie sich entwickelt haben", sagt Schäfer. Gleichzeitig sei es ein abgeschlossener Zeitraum, der auch eine Endlichkeit andeute. Sommer hingegen assoziiere er mit Wärme, Reisen - "das nimmt die Schwere heraus", so Schäfer. Innerhalb eines Jahres sei der 170 Seiten starke Roman entstanden, ein Projekt, mit dem sich der Autor allein und konzentriert befasste. Für Schäfer eine neue Herausforderung, denn in seinen vorherigen Berufsjahren war er häufig unterwegs, von vielen Menschen umgeben und getaktet. Während des Schreibens suchte er nach eigenen Worten auch immer wieder den Trubel, setzte sich ins Cafe oder an den Küchentisch. Sein Ziel hatte der gelernte Journalist dabei stets vor Augen: "Ich wollte ein Buch schreiben, das tröstlich ist, warm und einen zum Nachdenken anregt." Schäfer verbringt heute deutlich mehr Zeit mit seiner Familie und Freunden, sagt er. "Ich merke, wie wichtig es ist, im Kontakt mit anderen Menschen zu stehen. Das gibt Kraft und Halt und Zuspruch." Die Beziehung zur Natur sei für ihn ebenfalls wichtig - ein Motiv, das in "25 Letzte Sommer" immer wieder auftaucht. Einen Ratgeber hat der Autor mit seinem Erstlingswerk explizit nicht schreiben wollen, dennoch teilt Schäfer eine Erkenntnis: "Ich kann nur jeden dazu ermutigen, innezuhalten und darüber nachzudenken, ob er das Leben lebt, das er leben will, ob es Alternativen gibt. Ich glaube, das ist das, was man selbst tun kann: innehalten und nachdenken."