Berlin (KNA) Eine Star-Journalistin, die nach einem unwahren Skandal-Artikel Unterschlupf beim Lokalblatt ihres Heimatortes findet - davon erzählt die neuesten Reihe der "Herzkino"-Filme, mit denen das ZDF sonntagabends seit Jahrzehnten einen Gegenakzent zu den "Tatort"-Krimis der ARD setzt. Beke Rieper (Felicitas Woll) hat bislang erfolgreich in den USA für das Weltblatt "New York Times" als Reporterin gearbeitet. Jetzt zieht die aus Deutschland stammende Journalistin wieder bei ihren Eltern im Alten Land, an der Elbe südwestlich von Hamburg, ein und fängt als Reporterin bei der - anders als der "NYT" fiktiven - "Altländer Zeitung" an. Der Lokaljournalismus hat längst allerhand Probleme. Gehen die Genre-Fernsehfilme, deren Erzählton sich je nach Gusto als "romantisch" oder "Schmonzette" bezeichnen lässt, darauf ein? Da lohnt ein Blick auf die beiden Neunzigminüter, die ab 13. April in der ZDF-Mediathek stehen und am 21. und 28. April linear um 20.15 Uhr gesendet werden. Produziert hat sie Real Film Berlin, die zu 49 Prozent dem ZDF selbst und zu 51 Prozent der NDR-Tochter Studio Hamburg gehört, aber auch etwa "Schlafende Hunde" für Netflix produzierte. Im ersten Film soll Beke über einen Autounfall ohne Personenschaden, aber mit einer beschädigten Leitplanke berichten. Am Unfallort erwartet sie ein schießwütiger Schrat namens Beckmann. Keiner will mit ihm zu tun haben, doch Beke kann ihn mit selbst zubereiteten Königsberger Klopsen erweichen, seine Geschichten zu erzählen. Beckmann lüftet ein kleines, ökologisches Geheimnis, das erklärt, warum er so rabiat gegen Autobahn-Ausbau-Pläne ist. Im zweiten Film besichtigt Beke unbegeistert die neue Funkanlage eines gerade angelandeten Frachters im Hamburger Hafen, als eine aus Norwegen eingereiste "blinde Passagierin" zu entwischen versucht. Die junge Frau, mit der Beke sich per Smartphone-Übersetzung auf Norwegisch zu verständigen versucht, spricht erst mal gar nicht. Als sie sich dann doch als deutschsprachig erweist, hat sie ihr Gedächtnis verloren. Am Ende aber hat Beke auch über sie - wie in der ersten Folge über Beckmann - ein großes Porträt verfasst. Alle Charaktere schlagen die Lokalzeitung auf und lesen zusehends gerührt. Ansonsten spielt die Lokalzeitung wie die Lokalpolitik eine Nebenrolle als dankbare Kulisse mit Wiedererkennungswert und Anlass für Witze à la "Wer will den umgekippten Gülleanhänger?". Eine kleine Handvoll Charaktere verkörpert diese running gags. Der Chefredakteur muss immer, wenn Beke ihn breitgeschlagen hat, doch mehr als 25 oder höchstens 30 Zeilen schreiben zu dürfen, den Verleger anrufen und mehr Druckseiten für die nächste Ausgabe rausschlagen. Ansonsten kommen Realitäten des Zeitungsgeschäfts nicht vor. Einiges Potenzial verschenkt die Reihe, zum Beispiel, wenn ausgerechnet dann, als Beke vom Laptop am mütterlichen Küchentisch aus noch rasch die in der Druckerei schon erwartete Titelstory schreiben muss, der Strom ausfällt. Worauf am nächsten Tag ein "Nachruf für den Stehsatz" auf den Alt-Bürgermeister erscheint, der aber noch lebt. Da hätte sich allerhand böser Humor draus schlagen lassen. Vollends verhebt "Neuer Wind im Alten Land" sich mit den Andeutungen zur internationalen Vorgeschichte der heimgekehrten Heldin. Sie habe für den britischen "Guardian" geschrieben, heißt es im Pressetext, und für den "Rolling Stone". In New York arbeitete sie für die "New York Times" und hat, erzählt sie dann, einmal zu oft auf staatsanwaltschaftliche Tipps vertraut, ohne sie gegenzuchecken. Da haben sich die Macherinnen (Regie: Esther Gronenborn, Buch: Kirsten Peters) arg beiläufig aus Hollywoods Presse-Pathos-Filmen des 20. Jahrhunderts bedient. Das Vertrauen eines Teenagers, der kurzzeitig im Verdacht steht, Handel mit Marihuana zu treiben, gewinnt Beke, weil der junge Mann sich durch sein "Bloody Sunday"-T-Shirt als Fan der Band U2 erweist, über deren Sänger Bono Beke natürlich auch mal ein Porträt geschrieben hat. Was nicht heißt, dass U2-Musik erklingt. Als Leitmotiv dient der Song "Trouble" der Sängerin Pink, dessen Rechte auch nicht billig gewesen dürften. Überhaupt wird in "Neuer Wind im Alten Land" gern internationale Popmusik eingespielt. Nur wenn die blinde Passagierin, die sich als ähnlich talentierte wie traumatisierte Pianistin entpuppt, im Radio "Rachmaninow" erkennt, gibt es auch mal Klassik. Bekes internationale Erfahrung heißt übrigens nicht, dass sie selbst im Internet recherchiert. Für Recherchen im Netz wie im Archiv steht stets die Kollegin Lily (Andrea Guo, Österreicherin mit chinesischen Wurzeln) bereit, die - wie eigentlich alle in der Zeitungsredaktion - immer Zeit zu haben scheint. Zeitdruck ist ein Fremdwort bei der "Altländer Zeitung", und zum Happy-End füllen immer Bekes Porträts die Titelseite. Kurzum: "Neuer Wind im Alten Land" hat alle Hände damit zu tun, als streng formatiertes Medienprodukt selbst Erwartungen zu erfüllen. Nicht zuletzt geht es darum, schon mal Handlungsstränge anzureißen, die in künftigen Episoden (mit denen alle Reihen-Produzenten beauftragt zu werden hoffen) weitererzählt werden können. Selbstredend gehört ein "love interest" als netter Apfelbauer dazu. Als Obstanbaugebiet ist das Alte Land schließlich überregional bekannt. Und immer, wenn ihr gerade mal wieder was misslungen ist, schreit sich Beke am breiten Elbestrand laut ihren Frust hinaus, was schöne Landschaftsaufnahmen gestattet. Ohne es an die ganz große Glocke zu hängen, fährt das ZDF auch hier die Strategie, aus Kostengründen seine weiter zahlreichen Schmonzetten weniger in der weiten Welt der teuren Dreharbeiten anzusiedeln und lieber kostensparend im Lande zu bleiben. Katie-Fforde-Verfilmungen etwa, die stets an US-amerikanischen Schauplätzen angesiedelt waren, entstehen nicht mehr neu. Auf die klassischen Rosamunde-Pilcher-Sehnsucht Cornwall setzt die Anstalt ebenfalls weniger als zuvor. Dafür stehen deutsche Schauplätze hoch im Kurs. Felicitas Woll in ihrer Rolle als Beke zuzusehen, macht Spaß. Eigentlich ist die Schauspielerin, die in den frühen 2000ern mit der Hauptrolle der ARD-Serie "Berlin, Berlin" tatsächlich frischen Wind ins damals darniederliegende deutschen Serienfernsehen gebracht hatte, zu gut, um derart unterfordert zu werden. Vielleicht als Kompensation engagierte das ZDF sie überdies für den Psychothriller, "Blindspot", der zwischen den "Herzkino"-Filmen am 22. April ausstrahlt wird. Fazit: Etwa eine halbe Stunde lang lässt "Neuer Wind im Alten Land" sich auch dann gut ansehen, wenn man kein "Herzkino"-Fan ist, schon wegen der immer mal wieder eingeflochtenen, freundlichen Gags. Die Beziehung zu den Eltern und daheimgebliebenen Geschwistern (Bekes Schwester ist zur Bürgermeisterin, vermutlich von Jork, der größten Ortschaft des Alten Landes, aufgestiegen) und zu eigenen alten Jugendlieben bietet schließlich für jeden Anknüpfungspunkte. Aber schnell stellt sich heraus, dass die Geschichten schon zum Reihen-Start eher notdürftig über die Runden kommen. Über gegenwärtige Probleme des Lokaljournalismus erfährt man sowieso nichts. Aber immerhin einiges über die Mechanismen des weiterhin wichtigen deutschen öffentlich-rechtlichen Fernseh-Genres Schmonzette.