Der Streit geht weiter - Zerschlagung von ProSiebenSat.1 knapp gescheitert

Von Steffen Grimberg (KNA)

UNTERNEHMEN - Die von der Familie Berlusconi geführte MFE war mit ihrem Ziel, die ProSiebenSat.1 Media SE aufzuspalten, nicht erfolgreich. Dafür brachte sie bei der Hauptversammlung alle anderen Anträge durch und ließ den Vorstand mit seiner Strategie auflaufen.

| KNA Mediendienst

alt

Hauptversammlung 2024 der ProSiebenSat.1 Media SE

Foto: Benedikt Müller/ProSiebenSAT.1 Media SE/KNA

Unterföhring/Berlin (KNA) Wenn es in der Pressemeldung eines börsennotierten Unternehmens heißt "Überwältigende Zustimmung aller freien Aktionäre für sämtliche Positionen der Verwaltung", ist meistens etwas ziemlich schiefgelaufen. Und so war es am Dienstag bei der ProSiebenSat.1 Media SE auch. Nach achteinhalb Stunden Hauptversammlung war der ganz große Knall zwar ausgeblieben. Die vom Großaktionär Media for Europe (MFE) geforderte Aufspaltung des TV-, Unterhaltung und E-Commerce-Konzerns findet vorerst nicht statt. Zwar erhielt der entsprechende Antrag 70,95 Prozent der Stimmen, doch für einen derart drastischen Schnitt wäre eine Dreiviertel-Mehrheit der Aktionäre nötig gewesen. Allerdings rumste es trotzdem erheblich. Denn MFE brachte ansonsten alle Anträge durch, was für den ProSieben-Vorstand und den bisherigen Aufsichtsrat eine schwere Schlappe bedeutet. Die vom Vorstandsvorsitzenden Bert Habets in seiner Rede zu Beginn der Hauptversammlung so eindringlich beschworene Reorganisation des Streaming- und TV-Geschäfts, bei dem die konzerneigene Streamingplattform Joyn den klassischen TV-Sendern wie ProSieben, Sat.1 oder Kabel 1 übergeordnet werden sollte, ist gescheitert und vom Tisch. Der vom alten Aufsichtsrat und Vorstand unterstützte bisherige Aufsichtsrat Rolf Nonnenmacher: nicht entlastet und abgewählt. Das genehmigte Kapital für das Jahr 2021: nachträglich aufgehoben. Die Schaffung eines neuen genehmigten Kapitals für 2024 fand knapp ebenfalls nicht die notwendige Mehrheit, weil es dazu wiederum 75 Prozent der abgegebenen Stimmen gebraucht hätte. Ebenfalls gegen die ausdrückliche Empfehlung des Vorstands beschloss die Hauptversammlung mit einer knappen einfachen Mehrheit eine Änderung der Satzung in Bezug auf zustimmungsbedürftige Geschäfte. Neben der MFE, die von der Familie des 2022 verstorbenen umstrittenen italienischen Medienunternehmers und Politikers Silvio Berlusconi geführt wird, konnte sich auch der andere Großaktionär PPF weitestgehend durchsetzen. MFE hält 29 Prozent der Anteile an der ProSiebenSat.1 Media SE, die von der tschechischen Milliardärin Renata Kellnerova geführte PPF rund 15 Prozent. Beide Gruppen haben in den letzten Jahren ihre Anteile systematisch aufgestockt und sind bereits im Aufsichtsrat vertreten. Jetzt hatten sie weitere eigene Kandidaten für die Wahlen zum Aufsichtsrat präsentiert, die sie alle gegen die von ProSieben selbst aufgestellten Kandidaten durchbrachten. So wurden auf Vorschlag von PPF Christoph Mainusch sowie auf Vorschlag von MFE Leopoldo Attolico und Simone Scettri gegen den Willen von Wiele und dem bisherigen Aufsichtsrat in das Gremium gewählt. Damit haben MFE und PPF jetzt klar die Mehrheit im Aufsichtsrat und dürften die Aktivitäten des Vorstands um Habets mit Argusaugen verfolgen. Am Vorstand und dem bisherigen Aufsichtsrat vorbei hatte MFE bereits im März einen Plan vorgelegt, nach dem das klassische TV-Geschäft von den Bereichen "Commerce & Ventures" sowie "Dating & Video" getrennt werden soll. Zum Konzern gehören unter anderem der Online-Parfümerieshop Flaconi, das Vergleichsportal Verivox, das Gutschein- und Erlebnisunternehmen Jochen Schweizer sowie das Dating-Portal Parship. Die nun gescheiterte Zerschlagung hätte bedeutet, dass diese Bereiche aus dem Konzern herausgelöst und eigenständig weiterbetrieben oder verkauft werden. Vorstandschef Habets hatte in seiner Rede noch einmal eindringlich vor dieser Strategie gewarnt: "Das erreicht weder das Ziel der Wertmaximierung noch der Entschuldung. Und damit ist es weder für ProSiebenSat.1 noch für seine Aktionärinnen und Aktionäre attraktiv. Wir lehnen diesen Vorschlag daher ab", so Habets. Der viel bessere Weg sei der Verkauf einzelner Beteiligungen. Für Flaconi und Verivox würden diese bereits seit Ende letzten Jahres vorbereitet. "Beide Unternehmen sind stark gewachsen", sagte Habets, auch das Umfeld für solche Transaktionen sei wieder günstiger. "Wir wollen den optimalen Wert für unsere Beteiligungen erzielen. Mit den Einnahmen können wir dann unsere Verschuldung reduzieren. Das schafft Spielraum für Investitionen in unser Kerngeschäft Entertainment", so Habets. Und dieser Kurs würde im Übrigen auch vom MFE mitgetragen. Da ist allerdings eher der Wunsch Vater des Gedankens. Für MFE machte in der Hauptversammlung deren Vertreterin Theresa Lauterbach noch einmal klar, dass ihnen der Restrukturierungskurs von Habets zu lange dauert. "In den letzten fünf Jahren ist viel Geld vernichtet worden", sagte Lauterbach mit Blick auf den Wert der ProSieben-Aktie. Zudem hätten teure Abgänge aus dem Vorstand den Konzern Millionen gekostet. Zuletzt war im März Personalvorstand Christine Scheffler ausgeschieden. Sie ging - ganz offen kommuniziert - wegen "unterschiedlicher Vorstellungen" über die weitere Strategie des Konzerns, der allein im vergangenen Jahr Hunderte Stellen abgebaut hat und bei dem auch weiter mit Arbeitsplatzverlusten gerechnet wird. "Wir wissen, dass der Vorstand keine Wunder vollbringen kann - aber das Festhalten an der alten Strategie kann keine Antwort sein", sagte Lauterbach und konterte Habets Verweis auf die schwierige wirtschaftliche Lage in den letzten zwei Jahren mit einem robusten "Der Verweis auf die Vergangenheit führt nicht zu Vertrauen. Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen, schafft Vertrauen." Damit ist klar: Der Kampf um ProSiebenSat.1 ist längst nicht zu Ende. Er geht vielmehr mit unverminderter Härte und einer jetzt ungünstigeren Ausgangslage für den Vorstand und seine Strategie weiter. Immerhin eines könnte jetzt anders laufen: Zu Beginn der Hauptversammlung hatte Aufsichtsratschef Andreas Wiele bedauert, "dass die Debatte zwischen Gesellschaftern und Vorstand öffentlich und nicht in den zuständigen Gremien geführt wurde, sondern über die Medien und Unternehmenswebsites". Nach den rund achteinhalb Stunden am Dienstagabend ist immerhin klar: Der Streit kann jetzt hinter verschlossenen Türen in den Gremien weitergehen. Und er wird nicht einfacher für den Vorstand des Medienunternehmens.

Lesen Sie weiter auf www.KNA-News.de