160 Millionen Euro bis 2028 - Kontroverse um MDR-Sparprogramm im Rundfunkrat

Von Steffen Grimberg (KNA)

RUNDFUNKREFORM - Der MDR hat als erste ARD-Anstalt ein umfassendes Sparprogramm vorgestellt. Bis 2028 sollen 160 Millionen Euro gespart werden - oder noch mehr, wenn die Beitragserhöhung zum kommenden Jahr ausfällt.

| KNA Mediendienst

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MDR-Hörfunkzentrale Halle

Foto: Martin Jehnichen/MDR/KNA

Leipzig (KNA) Die künftige finanzielle Ausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks steht vor großen Veränderungen. Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF), hat die angemeldeten Summen der Anstalten massiv zusammengestrichen. Doch um die daraus resultierende mäßige Erhöhung des Beitrags um 58 Cent auf dann 18,94 Euro ab Januar 2025 gibt es Streit. Unklar ist, ob sie überhaupt kommt, da ein halbes Dutzend Bundesländer jede Erhöhung kategorisch ablehnt. Ulrike Demmer, Intendantin des Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), hat bereits öffentlich erklärt, sie rechne aktuell nicht mit einer Erhöhung. Doch ob sie kommt oder nicht: Sparen müssen alle Anstalten - und trotzdem die digitale Transformation schaffen. Als erstes Haus der ARD hat jetzt der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) ein umfassendes Sparprogramm auf- und diese Woche im MDR-Rundfunkrat vorgestellt. Bis 2028 will der MDR 160 Millionen Euro einsparen. Mit 47 Millionen Euro entfällt dabei der größte Anteil auf den Bereich Programm und Produktion. Die gleiche Summe soll auch nochmal durch eine verbesserte Personalstrategie und Personalsteuerung, also Stellenab- und umbau, erreicht werden. Betriebsbedingte Kündigungen schließt MDR-Intendant Ralf Ludwig, wie er auch nochmal im Rundfunkrat wiederholte, dabei aus. 28 Millionen Euro will der MDR in den nächsten fünf Jahren durch eine "Priorisierung des ARD-Engagements", also der Zulieferungen für das Erste und damit verbundener Aktivität reduzieren. Außerdem will der Sender auf der technischen Seite bei der DVB-T- und UKW-Verbreitung "Potenziale heben" und so zwanzig weitere Millionen Euro sparen. Die restlichen 18 Millionen Euro solle durch eine Neuaufstellung und Neubewertung in Bereichen wie Immobilien, Service und Verwaltung hereinkommen. Dabei heißt es ausdrücklich auch: "Wir reduzieren Leistungen". Wie Ludwig im Rundfunkrat berichtete, hatte die MDR-Führung das Paket in vier Klausurtagungen entwickelt. "Es gab keine Denkverbote, wir haben uns sehr gestritten und wieder zusammengerauft", so Ludwig. Alle Vorschläge seien mit den betroffenen Direktionen gemeinsam entwickelt und besprochen worden. "Es gibt angenehmere Dinge, aber nach meiner Sicht ist es ein angemessener Weg, die Herausforderungen zu meistern". Der MDR könne auch nicht länger auf seine früheren Gewinnrücklagen zurückgreifen, diese sind nach Angaben von Ludwig 2025 "vollständig aufgebraucht". Im Rahmen der Strategie, Doppelstrukturen im MDR abzubauen, will der Sender für Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt auch eine seiner zwei Programmdirektionen einsparen. Traditionell und aus staatsvertraglichen Gründen hat der MDR eine Programmdirektion in Halle/Saale (früher Programmdirektion Hörfunk) und eine in Leipzig (früher Programmdirektion Fernsehen). "Im crossmedialen Zeitalter verschwimmt das immer mehr", sagte Ludwig, "nach meinem Verständnis wird es hier eine einheitliche Programmdirektion geben müssen." Doch das blieb nicht ohne Kontroverse. Denn der zum 1. Mai als "Programmdirektor Leipzig" abgetretene ehemalige "Spiegel"-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer bleibt dem MDR als Journalist und Moderator erhalten - und sein Vertrag läuft in vollem Umfang und voller Gehaltshöhe weiter. Brinkbäumer sei auf ihn zugekommen und habe ihm bereits jetzt angeboten, "mit Blick auf die strukturellen Herausforderungen seine Position zur Verfügung zu stellen", berichtete Ludwig im Rundfunkrat. Dass Brinkbäumer weiter ein Gehalt in Größenordnung einer Direktionsleitung - aktuell laut MDR-Geschäftsbericht 2022 rund 219.000 Euro im Jahr - beziehe, sei den mit ihm vereinbarten Leistungen angemessen, erklärte Ludwig. Denn Brinkbäumer werde nicht nur die Talkshow "Riverboat" weiter moderieren, sondern dem Sender unter anderem bei den anstehen US-Wahlen als Experte zur Verfügung stehen. Diese Argumentation wollten im Rundfunkrat nicht alle akzeptieren, zumal Brinkbäumer schließlich vom Rundfunkrat gewählt worden sei, das Gremium nun aber nicht in die Gespräche über die Umwidmung seiner Tätigkeit einbezogen gewesen sei. Der Vorgang sei "schon etwas gewöhnungsbedürftig", meinte ein Rundfunkrat. Worauf die MDR-Verwaltungsratsvorsitzende Birgit Diezel erklärte, zu den Vertragsdetails sei mit Brinkbäumer "Stillschweigen vereinbart" worden. Für weiteren Unmut sorgte auch, dass der MDR dem Rundfunkrat keine Angaben zur Höhe der Zulage macht, die gegenwärtig die Programmdirektorin Halle, Jana Brandt, dafür bekommt, dass sie die Aufgaben der Programmdirektion Leipzig mit übernimmt. Der Rundfunkrat will sich jetzt in seinen Ausschüssen intensiv mit den Sparplänen beim MDR beschäftigten. Hierzu legten sechs Mitglieder einen gemeinsamen Antrag vor, der sich gegen das befürchtete "Rasenmäherprinzip" bei den Einsparungen richtet. Darin heißt es: "Ziel des MDR sollte es sein, die Programmmittel so weit wie möglich stabil zu halten und im Bereich der Information, der Kultur, der Dokumentation, des Regionalen sowie der Recherche und für die Jugend auszubauen." Gerade bei journalistischen Angeboten, die auf Eigenrecherche beruhten und Hintergründe lieferten, dürfe es keinen Abbau geben. Diese schließe aber nicht aus, einzelne Angebote jeweils auf den Prüfstand zu stellen. Weiter heißt es: "Pauschale Sparvorgaben sind zu vermeiden. Einen Stellenabbau nach dem Zufallsprinzip (Altersabgänge) kann Umfang bzw. Qualität journalistischer Angebote gefährden. Journalistische Stellen (fest sowie fest-frei) dürfen nicht reduziert, sie sollten ausgebaut werden." Der Rundfunkrat erwarte außerdem, "in Zukunft intensiv in diese strategischen Prozesse einbezogen zu werden", insbesondere, wenn "die mit Sparprozessen verbundenen Strategieüberlegungen Schwerpunktsetzungen im Programm betreffen". Für die Antragsteller erklärte Rundfunkrat Heiko Hilker, es sei "viel sinnvoller, zuerst zu überlegen, was man im Programm machen kann und will und dies dann finanziell zu untersetzen, statt zuerst eine Finanzplanung zu machen und dann daran das Programm anzupassen". Wie Vertreter des Personalrats und des Freienrats, der die freien Mitarbeitenden des MDR vertritt, in der Sitzung berichteten, hätten die Ankündigen des Sparkurses in den Redaktionen für große Unruhe gesorgt. "Die Redaktionen haben nichts gewusst", so Dirk Gläßer vom Personalrat. Vielleicht sei mit der obersten Leitungsebene gesprochen worden, "es jetzt aber so darzustellen, als wären alle mitbeteiligt gewesen, stimmt nicht", sagte Gläßer. Davon, dass "die Belegschaft und ihre Gremien hier mitgenommen werden, kann bislang keine Rede sein." Auch der Freienrat kritisierte, dass hinter verschlossenen Türen Sparprogramme beschlossen würden, "ohne die Redaktionen und zu beteiligen". Dass ausgerechnet in einem Wahljahr auch bei der Hintergrundberichterstattung gekürzt werden solle, "halten wir für falsch und gefährlich". Zwar wies der Intendant die Vorwürfe hinsichtlich des Programms umgehend zurück - "es wird zu keinen Einschränkungen im Bereich Investigation kommen", sagte Ralf Ludwig. Man werde aber Personal abbauen müssen, "da kommen wir nicht drumherum". Und noch eins machte Ludwig klar: "Sollte die Rundfunkbeitragserhöhung ab 2025 nicht erfolgen, haben wir eine andere Dimension und müssen spätestens im Herbst neu rechnen".

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