Köln (KNA) Es war sicher keine schöne Nachricht, die die Geschäftsführung von Radio NRW in Oberhausen ihrer 97-köpfigen Belegschaft jetzt mitteilte: Zwölf von ihnen müssen gehen, allesamt aus der "Administration", wie es aus der Pressestelle heißt. Damit sind Mitarbeitende etwa aus Sekretariat oder Sachbearbeitung gemeint. Der Grund: Die Hörerschaft sei gesunken, und ergo damit auch die Werbeeinnahmen, was das Management veranlasst habe, die betriebsbedingten Kündigungen nun durchzuführen. Besonders neue Player und Übertragungsarten wie DAB+ Podcasts oder Streaming hätten die Nutzerschaft verringert - ganz abgesehen von den mittlerweile zehn Hörfunk- beziehungsweise Audioangeboten des öffentlich-rechtlichen WDR. Nach Angaben von Pressesprecherin Ina Pfuhler ist der Rückgang diesen März mit durchschnittlich 1,33 Millionen Hörerinnen und Hörern pro Stunde jetzt wieder gestoppt worden. Letztes Jahr war im Juli mit 1,27 Millionen ein Tiefststand erreicht worden. Über aktuelle Umsatzzahlen möchte Pfuhler allerdings nicht sprechen. Aber in seiner Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2021 weist das Unternehmen ein Ergebnis nach Steuern von immerhin noch rund zwei Millionen Euro aus. Die Art und Weise wie die Entlassungen durchgeführt wurden, sei "professionell" gewesen, wie Pfuhler es formuliert: "Es gab Absprachen mit dem Betriebsrat und den Betroffenen - und ja, Entlassungen sind immer unangenehm. Aber wir wollen auch in Zukunft im Programmbereich stark bleiben." Dieser Version widerspricht allerdings der Deutsche Journalistenverband (DJV) vehement. "Nichts als Angst und Schrecken verbreiten derzeit Gesellschafter und die neue Geschäftsführung beim Lokalfunk-Rahmenprogramm Radio NRW", heißt es da in einer aktuellen Verlautbarung. Schon bei seinem Amtsantritt vor einige Monaten habe der neue Geschäftsführer Marco Morocutti die Belegschaft "mit Plänen zur Tarifflucht begrüßt". Tatsächlich hat Radio NRW zum letzten Jahresende angekündigt, aus dem Entgelttarifvertrag Tarifverband Privater Rundfunk ausscheiden zu wollen. Radio NRW versuche laut DJV das Betriebsergebnis ausschließlich zu Lasten derer zu verbessern, die "den Laden" am Laufen halten: "Wer sich für einen zukunftsfähigen Lokalfunk einsetzen möchte, muss sich für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beim Mantelprogramm einsetzen, anstatt sie für vermeintliche Managementfehler der Vergangenheit büßen zu lassen." Über einen Fachkräftemangel und in andere Branchenzweige abwandernde Mitarbeitende müsse man sich dann auf jeden Fall nicht wundern. "Wir sind alle daran interessiert, uns für den Lokalfunk und Radio NRW stark zu machen, aber in dieser neuen Morocutti-Manier geht das nicht", so Volkmar Kah, DJV-Geschäftsführer in NRW. Er fordert: "Unsere Kolleginnen und Kollegen haben gerade vor allem Angst - mit Recht. Damit muss Schluss sein." Besonders den "schockierend stillosen Umgang der Sender-Geschäftsführung" moniert der Verband. Denn nachdem bekannt gegeben worden war, dass es Entlassungen geben wird, "wurde die Belegschaft dann über sieben Wochen darüber im Unklaren gelassen, wer und wie viele davon betroffen sind", sagt Kah dem KNA-Mediendienst. Kah, der erfahren hat, dass der Abbau von vier weiteren Stellen bereits vorbereitet wird, weist zudem sowohl auf die publizistische als auch auf die wirtschaftliche Bedeutung der Firma für die Lokalsender in Nordrhein-Westfalen hin. Das hat wiederum mit einer Konstruktion zu tun, die in der Bundesrepublik einmalig ist und bei der Radio NRW eine entscheidende Rolle spielt. Sie entstand auf Betreiben politischer Entscheidungsträger 1990, um in dem einstigen, von kritisch-ironischen Stimmen getauften "Radio-Albanien" NRW, privaten Hörfunk, aber mit lokaler Ausrichtung, zu ermöglichen. Praktisch als "Dienstleister" versorgen die Oberhausener seitdem sämtliche, inzwischen 45 Lokalsender im bevölkerungsreichsten Bundesland mit Inhalten, beispielsweise mit Nachrichten, die über die Region des jeweiligen Lokalsenders hinausgehen, oder auch mit Comedy-Beiträgen. Dafür kann Radio NRW zu jeder vollen Stunde den nationalen Werbeblock der Lokalradios vermarkten. Eine eigene Sendelizenz besitzt Radio NRW für dieses "Mantelprogramm" dabei übrigens nicht. Mit einem Anteil von 60 Prozent ist die Presserundfunk Nordrhein-Westfalen GmbH der wichtigste Gesellschafter, weitere rund 16 Prozent hält die RTL-Gruppe. In der Presserundfunk Nordrhein-Westfalen GmbH sind alle großen Zeitungsverlage Nordrhein-Westfalens versammelt, darunter auch die DuMont - Mediengruppe, die aktuell ebenfalls nicht durch guten Umgang mit ihrer Belegschaft glänzt (MD 16/24). Die Verlage sind außerdem direkt an den meisten Lokalradios in NRW beteiligt - fast immer als Mehrheitsgesellschafter. Mit einem medienpolitischen Kuriosum ist dagegen seit 2018 Schluss: Fast 30 Jahre lang mischte auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit, mit 24,9 Prozent der Anteile war der große Konkurrent WDR an Radio-NRW beteiligt. Die Zwitterkonstruktion kam 1990 auf Drängen der damals noch unangefochten in Nordrhein-Westfalen regierenden SPD zustande. Sie stand dem privaten Rundfunk generell skeptisch gegenüber. Ministerpräsident Johannes Rau fürchtete einen "Halligalli-Funk"; die Einbindung der großen öffentlich-rechtlichen Schwester sollte hier einhegend wirken und ein Mindestmaß an Programmqualität und seriösen Inhalten sicherstellen. Doch weil diese Konstruktion immer wieder von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) aus kartellrechtlichen Gründen moniert wurde, stieg der WDR vor sechs Jahren als Gesellschafter aus. Seitdem haben die Verlage unangefochten das Sagen. Wie der DJV meint, mit Folgen. "Die Unternehmensführung wäre gut beraten, sich auf tarifliche und sonstige Mitbestimmung zurückzubesinnen", ist sich Kah jedenfalls sicher, "das Modell einer Arbeitgeberschaft des 19. Jahrhunderts ist wohl nicht mehr zeitgemäß." Nicht nur seine Befürchtung: Die aktuellen Vorgänge in Oberhausen sind nicht das Ende einer Entwicklung, sondern erst der Anfang.