"Das ist eine sehr hohe Hürde" - Medienaufsicht bei Kontrolle umweltschädlicher Werbung machtlos

Von Steffen Grimberg (KNA)

MEDIENAUFSICHT - Klimaschädliche Produktwerbung im Fernsehen und auf Youtube verstößt laut einer Studie gegen den Medienstaatsvertrag. Doch den für eine Kontrolle zuständigen Landesmedienanstalten fehlen die rechtlichen Instrumente, um etwas dagegen zu unternehmen.

| KNA Mediendienst

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TV-Werbung

Foto: Steffen Grimberg/KNA

Hannover/Berlin (KNA) Ein Drittel der Werbung im Fernsehen und auf Youtube preist stark umweltschädliche Produkte und Dienstleistungen an. Das sei ein Verstoß gegen den Medienstaatsvertrag, so die Universität Leipzig und die gewerkschaftsnahe Otto-Brenner-Stiftung, die dazu vor zwei Wochen eine Untersuchung veröffentlicht hatten. In Paragraf 8 des Staatsvertrags steht nämlich klar: "Werbung darf nicht (...) Verhaltensweisen fördern, die die Gesundheit oder Sicherheit sowie in hohem Maße den Schutz der Umwelt gefährden". Doch die für Regulierung und Aufsicht der privaten Medien zuständigen Landesmedienanstalten sehen ihre Hände gebunden. "Ich habe die Untersuchung mit großem Interesse gelesen", sagt Christian Krebs, Direktor der Niedersächsischen Landesmedienanstalt und seit 2022 Koordinator des Fachausschusses Regulierung der 14 deutschen Landesmedienanstalten, die auch für die Werbeaufsicht für Fernsehen, Radio und Online zuständig sind. "Das Thema begegnet uns nicht zum ersten Mal", so Krebs im Gespräch mit dem KNA-Mediendienst. Doch machen können die Aufseher wenig, sagt Krebs. Denn sie dürfen nicht wie die Leipziger Forscher um den Medienwissenschaftler Uwe Krüger für die Aussage und Wirkung die 10.000 untersuchten Werbespots insgesamt zugrunde legen, wie es bei der von der Otto-Brenner-Stiftung veröffentlichte Studie "Reklame für Klima-Killer" der Fall war. Stattdessen könnten sie immer nur den einzelnen Clip an sich begutachten. "Das heißt, der einzelne Spot müsste bereits in einem hohen Maße eine Umweltgefährdung darstellen", erläutert Krebs: "Das ist eine sehr hohe Hürde". So hoch, dass selbst ein Spot für einen Mega-Benzinschlucker im Automobil-Segment oder noch so klimaschädlich produzierte Nahrungsmittel offenbar locker darunter hindurchpassen. "Wir wissen, wie Gerichte die Formulierung 'in hohem Maße' auslegen", sagt Krebs. "Ich kann mir keinen einzigen Spot vorstellen, der diese Latte reißt." Doch Landesmedienanstalten müssen Entscheidungen treffen, die einer gerichtlichen Überprüfung standhalten. Als staatsferne Aufsichtsbehörden sind sie für die Rundfunkregulierung zuständig. Zwar gibt es - mit Ausnahme der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) und der Medienanstalt HSH für Hamburg und Schleswig-Holstein - für jedes Bundesland eine. Doch in Sachen Programmzulassung und (Werbe-)Aufsicht arbeiten die aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunkbeitrag finanzierten Anstalten überregional zusammen. Alle ihre Entscheidungen können rechtlich von den Betroffenen angefochten werden. Das Problem geht noch weiter. Denn wie für den Rest des Programms gilt auch für Werbung in Radio und Fernsehen nach dem Medienstaatsvertrag die Rundfunkfreiheit, was die Sache nicht leichter macht. Das zeigt sich am Beispiel des in der Untersuchung beschriebenen Greenwashings, bei dem Unternehmen, Produkte oder Dienstleistungen als umweltfreundlicher dargestellt werden, als sie tatsächlich sind. So warben 20 Prozent aller Werbespots für klimaschädliche Produkte laut der Universität Leipzig mit Bildern von Naturlandschaften und Wildtieren. Deren positive Botschaft: Mit dem Kauf solcher Produkte werde etwas Gutes für die Umwelt getan und man unterstütze das Bemühen um Nachhaltigkeit. "Solange es keine Offenlegungspflichten für konkrete Produktionsweisen und ihre Auswirkungen auf die Umwelt gibt, kann der Sender immer sagen, das ist Rundfunkfreiheit", beschreibt Krebs das Dilemma. Und auch wenn hier dem Verbraucher etwas vorgegaukelt werde, seien die Landesmedienanstalten als Aufsichtsbehörden überwiegend machtlos. Anders sieht es bei klaren Falschaussagen aus. Sollte zum Beispiel mit einer nicht zutreffenden Umweltbilanz und falschen Werten operiert werden, wäre das Irreführung der Verbraucher und die Landesmedienanstalten könnten einschreiten. "Das Nichtnennen einer negativen Umweltbilanz ist aber noch keine Irreführung, denn ich behaupte ja nichts Falsches, sondern lasse nur etwas weg", so Krebs. Hier hätten die rechtlichen Handlungsgrundlagen der Medienaufsicht "noch Luft nach oben", meint Krebs. Das gelte auch für die anderen Bereiche. "Wenn die Gesellschaft und die Politik wollen, dass wir hier effizienter eingreifen können, müssen sie unser Instrumentarium verschärfen." Etwas weiter sind die Landesmedienanstalten bei der Arznei- und Heilmittelwerbung. Hier kooperieren die Aufsichts- eng mit den Verbraucherbehörden, um vor allem gegen untaugliche Heilmittel und -methoden vorzugehen. "Da schauen wir gerade sehr genau hin", sagt Krebs. Aber auch hier müssten die Landesmedienanstalten Irreführung der Verbraucher und vor allem ein Gefährdungspotential nachweisen. "Und hier ist diese Werbung zumeist sehr geschickt gemacht und bleibt medizinisch oft gerade noch im Bereich des Zulässigen." Manchmal kommt den Werbeaufsehern auch das Konkurrenzverhältnis in einer bestimmten Branche zur Hilfe. Bei der Glücksspiel-Werbung gingen staatlich zugelassene Lotteriebetreiber und Wettanbieter teilweise erfolgreich im Rahmen des Wettbewerbsrechts gegen Online-Casinos und Sportwettenanbieter vor. "Im Umweltbereich ist mir so etwas allerdings nicht bekannt", sagt Krebs.

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