Washington/Berlin (KNA) Die "Washington Post" bekommt wieder einen Mann als Chefredakteur. Nach nur drei Jahren verlässt Sally Buzbee, die erste Frau an der Spitze, die renommierte US-Tageszeitung. Ihren Posten übernimmt im Herbst Robert Winnett, aktuell stellvertretender Chefredakteur beim konservativen "Daily Telegraph" in London. Bis zu Winnetts Amtsantritt, der nach den Präsidentschaftswahlen im November geplant ist, leitet der ehemalige "Wall-Street-Journal"-Chefredakteur Matt Murray die Redaktion. Wie die "Washington Post" in eigener Sache berichtet, verlässt Buzbee den Spitzenposten im Streit mit dem neuen Herausgeber und Vorstandschef William Lewis. Lewis, der seinen Job erst Anfang Januar antrat, soll im Auftrag von "Washington Post"-Eigentümer Jeff Bezos radikale Sparmaßnahmen einleiten. Das unter dem Amazon-Gründer Bezos lange Zeit erfolgreiche Blatt musste in den letzten Jahren deutliche Rückgänge bei den Abonnements verzeichnen und machte 2023 Verluste in Höhe von rund 77 Millionen Dollar (ca. 71 Mio. Euro). Lewis hatte im Mai angekündigt, die Redaktion umzustrukturieren und Stellen abbauen zu wollen. Buzbee habe mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen im November auf die hohe Belastung der Mitarbeitenden in der laufende Vorwahlzeit hingewiesen und gebeten, "angesichts der historischen Dimension" dieser Wahlen mit den Sparmaßnahmen noch zu warten. Da Lewis darauf nicht einging, seien die beiden in einen massiven Streit geraten, so die "Washington Post". Als am 2. Mai ihr Abgang verkündet wurde, lobte Lewis Buzbee überschwänglich als "fantastische Führungspersönlichkeit und äußerst talentierte Medien-Managerin, die schmerzlich vermisst werden wird". Allein eine Begründung für ihr Ausscheiden wurde nicht verkündet. Laut US-Presseberichten soll Buzbee sich gegen Pläne gestellt haben, eine neue eigene Redaktion für Social Media und Verbraucherjournalismus einzurichten und dafür Kapazitäten aus anderen Redaktionen abzuziehen. Auch bei einer Aussprache in der Redaktion habe Lewis keine Gründe für Buzbees Ausscheiden genannt, schreibt die "Washington Post". Offenbar sei aber ihre Ablösung als Chefredakteurin bereits beschlossene Sache gewesen, als Entschädigung habe man ihr dann genau die Leitung der von ihr abgelehnten neuen Social Media- und Verbraucher-Redaktion angeboten. Interims-Chef Matt Murray sagte am Montag vor den Mitarbeitenden, er sei "nicht daran interessiert, den Abstieg zu managen". Seine Ziele seien "die Zukunft und Wachstum", was vielfach als Kritik an Buzbees Bilanz gelesen wurde. Sie war im Mai 2021 von der Nachrichtenagentur Associated Press auf den Chefsessel der "Post" gewechselt und hatte zunächst viel Lob für ihre Führung des Blattes während der Corona-Pandemie bekommen. Doch dann begann zumindest der wirtschaftliche Erfolg zu versiegen. Dabei hatte die "Washington Post" seit der seinerzeit höchst umstrittenen Übernahme durch den Amazon-Milliardär Bezos im 2013 zu einem Höhenflug angesetzt und über Jahre hohe Gewinne geschrieben. Vor allem die erste Amtszeit von Donald Trump ab 2017 sorgte für einen enormen Zuwachs an Lesern und Abonnenten. Das Blatt gewann, wie die "New York Times" als liberaler Gegenpol, enorm an Prestige und Reichweite und wurde dafür von Trump als "Fake News Media" verhöhnt. Nach Trumps Ende als Präsident verpuffte dieser Trend wieder. Im Oktober 2023 kündigte das Blatt dann die Streichung von 240 Stellen an und begründete dies mit "völlig überzogenen Prognosen bei Abonnements, Anzeigenerlösen und der Internetreichweite". Lewis fand Anfang der Woche vor den Mitarbeitenden drastische Worte: "Wir werden den Trend umkehren. Aber lasst uns nichts beschönigen. Wir verlieren jede Menge Geld. Euer Publikum hat sich in den letzten Jahren halbiert. Die Leute lesen euer Zeug nicht mehr." Die Stimmung in der Redaktion ist seitdem am Nullpunkt. Und längst nicht nur Mitarbeiterinnen kritisieren, dass nun wieder "nur alte weiße Männer" bei der Washington Post" das Sagen hätten. Die drei ab sofort Ranghöchsten von ihnen kennen sich außerdem gut: Lewis war von 2006 bis 2010 Chefredakteur des "Daily Telegraph", von dem Robert Winnett jetzt bald nach Washington wechselt. Und Murray kennt er von seiner Zeit als Herausgeber des "Wall Street Journal" von 2010 bis 2020 - ein "old boy's network", wie der britische "Guardian" über die Personalrochade lästert.