Mainz/Berlin (KNA) Der Rücktritt der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hat auch Auswirkungen auf die Medienpolitik in Deutschland. Eigentlich sollte Dreyer ab Mittwoch im Kreise ihrer Länderkolleginnen und -kollegen in der Rundfunkkommission der Länder wichtige Weichenstellungen für die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf den Weg bringen. Und Dreyer ist nicht irgendwer in diesem Gremium, sondern seine Vorsitzende. Seit den Zeiten, als der spätere Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) in Mainz regierte, liegt der Vorsitz der Rundfunkkommission beim Bindestrichland, das neben dem SWR auch Heimat des ZDF ist. Zwar gab es hier und da Ambitionen, an dieser gelebten Praxis zu rütteln. So forderte mal die CDU unter Roland Koch in Hessen, eine stärkere Rolle zu spielen. Ein andermal wurden einem gewissen Olaf Scholz (SPD), damals noch Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, entsprechende Ambitionen nachgesagt. Doch auch medienpolitisch blieb Mainz eben Mainz, Parteizugehörigkeiten hin oder her. Vor allem unter Dreyers Vorgänger im Ministerpräsidentenamt, Kurt Beck (SPD), war Medienpolitik Chefsache. Beck, der Volkstribun, der die Parole "Na bei de Leut" nicht nur ausgab, sondern wie kaum ein Landesvater der jüngeren Vergangenheit auch lebte, war ein Vollblutmedienpolitiker. Und auch wenn Dreyer die konkrete Alltagsarbeit an ihre Medienstaatssekretärin Heike Raab (SPD) delegiert hatte: Gerade die Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen zu gestalten, war auch für Dreyer keine Aufgabe unter vielen, die nebenbei miterledigt wurde. Sondern echtes Anliegen. "Ich gehe mit schwerem Herzen, weil ich mir eingestehen muss, dass meine Kraft nicht mehr ausreicht", hat die 63-Jährige, die an Multipler Sklerose erkrankt ist, ihren Schritt erklärt. Dass sie jetzt geht, ist mit Blick auf Rheinland-Pfalz ein kluger Schachzug: Voraussichtlich im Sommer 2026 wird hier ein neuer Landtag gewählt. Dreyers designierter Nachfolger, Landesarbeitsminister Alexander Schweitzer (SPD), bekommt so die Chance, sich in den kommenden zwei Jahren ein- und den Landesvaterbonus zu erarbeiten. Medienpolitisch ist dieser Schritt nicht ganz so glücklich. Zwar sind die Weichen in Sachen Reform von ARD, ZDF und Deutschlandradio einigermaßen unverrückbar gestellt. Doch Schweitzer ist in Sachen Medienpolitik ein ziemlich, manche sagen auch gänzlich, unbeschriebenes Blatt. Bloß davon dürften sich die zahlreichen, bleibenden Herausforderungen nicht beeindrucken lassen. Gerade und vor allem mit Blick auf die Rolle der Länder bleibt es spannend: Der Streit um die von der zuständigen Gebührenkommission KEF empfohlene Beitragserhöhung um 58 Cent auf dann 18,94 Euro im Monat dauert an. Hier droht - quer durch die Rundfunkkommission - ein schwieriges Schisma, das selbst Dreyer mit ihrer Erfahrung von zehn Jahren im Ministerpräsidentinnenamt und der ihr eigenen Aura der vernunftbegabt-empathischen Redlichkeit nicht verhindern konnte. Dreyer und Rheinland-Pfalz hatten sich zwar immer hinter das vom Verfassungsgericht gestützte KEF-Verfahren gestellt. Doch auch Teile ihrer eigenen Partei - zum Beispiel die SPD unter Ministerpräsident Dietmar Woidke in Brandenburg - opponierten bereits vor der KEF-Empfehlung so deutlich wie unumkehrbar gegen jegliche Beitragsanhebung. Weshalb Dreyer wohl auch beim Spiel der CDU-Länder, über ein Sondergutachten der KEF Zeit zu gewinnen und durch die darin zu berechnenden möglichen zusätzlichen Einsparungen um die Erhöhung herumzukommen, mitspielte. Und das, obwohl der KEF-Vorsitzende Martin Detzel unmissverständlich klar machte, das eine - die bindende KEF-Empfehlung vom Februar 2024, die zum 1. Januar 2025 von den Ländern umzusetzen ist - und das andere, die weiteren Reformauflagen der Länder und die laufenden Maßnahmen bei den Anstalten - hätten nichts miteinander zu tun. Zumal auch der geplante Reformstaatsvertrag, der im Herbst verabschiedet werden soll, zwar auf den Weg gebracht, aber noch längst nicht bis in alle Einzelheiten in trockenen Tüchern ist. Für Dreyers Medien-Staatssekretärin Heike Raab (SPD) bedeutet das zum einen mehr Bedeutung, bis zu einem gewissen Grade vielleicht sogar (noch) mehr Handlungsfreiheit - und vor allem mehr Verantwortung. Andererseits spielt Raab "nur" auf Staatssekretärinnenebene. Ohne den sicheren Rückhalt an der Regierungsspitze ist das kein überaus vergnügungssteuerpflichtiger Job. Denn ob im Konfliktfall noch die/der eigene Landesmutter oder -vater zur Unterstützung herangezogen werden kann, sollte mit Blick auf die Durchsetzungsfähigkeit bestimmter Entscheidungen nicht gering geschätzt werden. Zumal gerade die CDU-geführten Länder drängen: Auf mehr Tempo, klare Vorgaben und den "großen Wurf", wie es der Chef der Staatskanzlei in Nordrhein-Westfalen und dortige Medienminister Nathanael Liminski im Gespräch mit dem KNA-Mediendienst vor der Sitzung der Rundfunkkommission am Mittwoch formulierte: "Wir müssen Anspruch und Tempo zusammenbringen. Schließlich wollen wir schon im Herbst einen Staatsvertrag verabschieden", so Liminski. Sein Ziel: Bereits zur nächsten Sitzung der Rundfunkkommission soll ein "möglichst umfassendes Gesamtpaket" vorliegen, das dann Diskussionsgrundlage für Gespräche über den Sommer sein könne - "auch wenn nicht jeder darin enthaltene Ansatz von jedem Land befürwortet wird". Nur so lasse sich ein offener und ergebnisorientierter Diskurs führen, so Liminski weiter. Das lässt sich ohne weiteres auch als Anmeldung auf mehr medienpolitische Gestaltungshoheit lesen. Wobei bei Liminski zunächst einmal die eigene Partei gemeint sein dürfte. Schließlich lebt in der Rundfunkkommission weiterhin die traditionelle Differenzierung zwischen den SPD-geführten A-Ländern und den unionsgeführten B-Ländern weiter. Zuständig für die Koordination auf der B-Seite ist noch Sachsens Staatskanzleichef und Medienminister Oliver Schenk (CDU). Das Primat Sachsens ist dabei aber in Sachen Rundfunkkommission weniger in Stein gemeißelt als die führende Rolle von Rheinland-Pfalz. Der eher unfreiwillig in dem Medienjob gelandete Schenk hat sich durch sein umsichtiges, pragmatisches Handeln gerade in der öffentlich-rechtlichen Reformdebatte seine Meriten erworben - trotz eines spürbaren Desinteresses seines Ministerpräsidenten und dafür unverhohlener Heißdüsigkeit anderer im Unionslager. Schenk musste bisher so unterschiedliche Charaktere wie Sachsen-Anhalts Landesvater Reiner Haseloff (CDU) und den immer für einen Querschuss zu habenden Markus Söder (CSU) ausbalancieren. Das ist ihm im Großen und Ganzen gelungen. Doch auch Schenk tritt bald in Dresden ab - als Spitzenkandidat der sächsischen CDU bei den Europawahlen heißt sein neuer Arbeitsplatz demnächst Straßburg. Das Ausscheiden von Malu Dreyer könnte so gleich in mehrfacher Hinsicht einen ganz neuen Auftritt von Nathanael Liminski bedeuten.