Gefühl verändern, Geheimnisse lüften - Arte-Dokumentation über den Umgang mit Scham

Von Wolfgang Wittenburg (KNA)

DOKU - Abstehende Ohren, ein gebrochenes Versprechen, die einfache Wohnung - es gibt vieles, wofür Menschen sich schämen. Eine Arte-Dokumentation blickt auf dieses meist verschwiegene Gefühl.

| KNA Mediendienst

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"Scham, das verborgene Gefühl"

Foto: good karma productions/HR/KNA

Straßburg/Kassel (KNA) Man wird rot oder schaut auf den Boden. Auslöser für Scham können etwa Verlegenheit, Geheimniskrämerei, aber auch die Bloßstellung durch andere in Form von Demütigungen sein. Über diese allseits bekannte, aber meist verschwiegene Empfindung berichtet die Arte-Dokumentation "Scham, das verborgene Gefühl" am 29. Juni um 22.35 Uhr. Sie zeigt zugleich Wege zum Umgang mit Scham. Viele verschiedene Gründe für Schamgefühle werden in der Co-Produktion von Arte und Hessischem Rundfunk (HR) behandelt. Sie alle haben eine Gemeinsamkeit: Je stärker die Scham, umso mehr versucht man, sie vor anderen zu verbergen. Genau dieses Verhalten aber kann zerstörerische Macht über Menschen ausüben. Über die Arbeit an dem Film habe sie sich erstmals ausführlich mit dem Thema beschäftigt, erklärt Filmemacherin Dorothee Kaden. Da erst habe sie die ganze Dimension des Themas begriffen - sowohl in ihrem eigenen Leben als auch im Umfeld. "Ich habe spontan gedacht: Wie schade, dass ich darüber vorher nicht schon sehr viel mehr wusste", sagt Kaden. Sie arbeitet seit 20 Jahren beim Hessischen Rundfunk (HR) und ist seit 10 Jahren für die in Kassel ansässige Wissenschaftsredaktion tätig. Die Dokumentation lebt von Menschen wie Milena, Laura und Christoph, die offen ihre Geschichte vor der Kamera erzählen. Im Einzelgespräch schildern sie persönliche Erfahrungen und die Folgen ihrer Scham. Diese reichen bis hin zu Sucht, Selbstverletzung und Depression. "Scham fühlt sich für mich so an, als ob ich eingesperrt wäre. Ich habe dann Angst, noch mehr Fehler zu machen", sagt etwa die Sängerin Milena. Sie verarbeitet ihre Gefühle in der Musik und Songtexten ihrer Band "gggolddd". "Jede Niederlage, jeder Misserfolg - eben das, wovon ein Leben voll ist - hat Potenzial, dass man sich dafür schämt", erklärt die Studentin Laura. Ihre Schamgefühle seien ab einem gewissen Punkt mit Todessehnsucht verbunden gewesen. Christoph hat hingegen vor allem im Beruf als Kommunikationsdesigner die Befürchtung, nicht zu genügen, "weil ich alles bewertet habe, was ich gesagt habe und wie ich mich bewegt habe. Weil Du einfach nur in dieser Angst bist: Gott, ich habe was falsch gemacht." Für Kaden sind in ihrer Dokumentation das Thema und die Menschen gleich interessant. So verdeutlicht sie auch den Unterschied zwischen Scham und Peinlichkeit: Scham bedeutet einen Rückzug in sich, Peinlichkeitsgefühle tangieren immer auch ein Gegenüber. Als Fachleute äußern sich Annalina Mayer und Frieder Paulus vom Lübecker "Neurosciencelab" - beide forschen zu dem Thema, wie soziale Interaktionen das menschliche Selbstbild beeinflussen. Die Psychologen erklären mit einfachen Worten, warum sich Menschen überhaupt schämen und wie dadurch das Selbstbild beeinflusst wird. Beide zeigen aber auch, wie sich ein Weg aus diesem schmerzhaften Gefühl finden lässt. Die große Tücke dabei: Einerseits tut Scham weh, andererseits ist sie fürs Zusammenleben unerlässlich und macht Menschen zu sozialen Wesen, die Normen und Regeln der Gemeinschaft verinnerlicht haben. Die Dokumentation möchte Wege aufzeigen, besser mit dem Gefühl umgehen zu können. Das Fazit: Schamgefühl kann sich verändern, Geheimnisse können gelüftet werden. Wie viel Scham aber für das Miteinander gut ist, wird auch in der Forschung diskutiert. Angesichts der Sozialen Medien wäre womöglich mehr Scham als "moralischer Kitt" nötig, damit wir uns respektvoller zueinander verhalten, sagt Kaden. Die Regisseurin hofft, dass Zuschauerinnen und Zuschauer mit dem positiven Gefühl aus diesem Film gehen, mit ihren Schamgefühlen nicht allein zu sein. "Ich glaube, mit Scham fühlt sich jeder sehr alleine. Es ist so ein großes Gefühl, das man lieber in sich versteckt", bilanziert Kaden. Dabei denke jeder, er oder sie sei der einzige Mensch mit solchen Gefühlen. Dabei sei Scham total normal - "dieses Gefühl kennen alle".

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