Bonn (KNA) Nostradamus, der "Harry Styles der Astro-Szene", soll es vorhergesehen haben: Aus Valerie Niehaus, der minderbemittelten Matheschülerin, wird noch was. Eine eigene Sendung im ZDF, Chapeau! Und es ist auch noch eine Sendung, die sie mit entwickelt hat und in der sie gleich zwei ihrer Talente ausspielen kann: das der Schauspielerin und das der Humoristin. Denn wer sie nur auf Ersteres reduziert, auf ihre frühen Erfolge als Soap-Star in "Verbotene Liebe" und auf Romcom-Hauptrollen im ZDF-"Herzkino" wie "Nächste Ausfahrt Glück", der irrt jedenfalls spätestens seit 2018. Es war das Jahr, in dem die Niehaus in der "heute show" von Oliver Welke (Produktion: Prime Productions) debütierte. Und kaum sind sechs Jahre vergangen, in denen sie ihr Satirepotenzial weiter verfeinert hat, darf sie mit "heute show History" einen Ableger des Freitagabend-Evergreens moderieren, der gerade Sommerpause macht. Wurde ja auch höchste Zeit! Denn die Blonde mit den stahlblauen Augen kann lustig und klug, auch ganz ohne Welke. Ihr Sprungbrett ins Humorfach war 2015 die ZDF-Comedy-Serie "Sketch History - Neues von gestern", in der das Ensemble in einem wilden Ritt durch die Zeitläufe moderne Errungenschaften mit heutiger Sprache in historische Kontexte setzte. Steinzeitmenschen im Lagerfeuergespräch über die Emanzipation der Frau, Wutbürgertum an der mittelalterlichen Kölner Dombaustelle, Wikinger beim "Anonyme Anti-Alkoholiker"-Treff, ein "The Final Countdown" spielender tauber Beethoven, ein von Sexsucht getriebener John F. Kennedy - diese überdrehte Weiterentwicklung des Guido-Knopp'schen Geschichtsfernsehens machte schon damals Spaß. Elemente davon finden sich auch im neuen Format - übrigens ebenso wie Niehaus' damalige Spielpartner Matthias Matschke und Holger Stockhaus. Hopste in "Sketch History" Bastian Pastewka als Off-Sprecher durch die Jahrhunderte, übernimmt nun Niehaus die Rolle der Geschichtserzählerin. Oder wie sie sagt: "Betrachten Sie mich einfach als die perfekte Synthese aus Oliver Welke, Guido Knopp und Marty McFly. Nur halt in jünger. Und schöner. Und weiblicher." Sie ist im On zu sehen, steht im knallroten Business-Outfit in einer digital gezauberten Arena wie zur Römerzeit - das Prinzip Anachronismus setzt sich auch im Set fort. Von dort schaltet sie "live" (ha ha!) zu berühmten und weniger berühmten Figuren der Weltgeschichte, getrieben von der Hauptfrage: Wer ist schuld an unserer heutigen Misere? Also an Klimakrise, Kriegen, politischem Rechtsruck und schrecklichen Comebacks wie der Hüfthose und Donald Trump? Lernt die Menschheit eigentlich nie dazu? Spoiler: Nein, tut sie nicht. Und früher war auch nicht alles besser, sondern wenn überhaupt nur gleich schlimm. Die erste Zurück-in-die-Zukunft-Schalte zu einer von Katjana Gerz gespielten Field-Reporterin bei den Olympischen Spielen anno 67 zieht eine direkte Verbindungslinie von Kaiser Nero zu Fifa-Boss Gianni Infantino und "Kaiser" Franz Beckenbauer ("kein einziger Sklave auf den Baustellen"). Die Message: Vorgestern wie gestern dieselbe Masche. Es wird passend gemacht, was nicht passt. Betrug und Bestechung als olympische Disziplin schon zu Neros Zeiten. Pfui! Dieser Einstieg zur neuen Show ist hochaktuell und vermutlich zwingend, weil er thematisch die Brücke schlägt zum Sportsommer aus heimischer Fußball-EM und Olympia in Paris. Und auch wenn die Aufzählung der "drei dreistesten Skandale der Sportgeschichte" im Listicle-Style etwas lahmt - es wird besser. Vom Autorenteam (Jana Fischer, Jörg Heidelberg, Julia Hingst, Martin Waldmann) kommen noch deutlich originellere Einfälle und Seitenhiebe auf das Heute, die bitterböse Parallelen zum Gestern aufzeigen. Um zum Beispiel herauszufinden, ob unsere politische Lage wirklich vergleichbar ist mit der Weimarer Republik, gibt es die Schalte ins Jahr 1930, wo das Party-Volk Adolf Hitler für ein Charly-Chaplin-Double hält und sich den Spaß am Koksen und Champagnersaufen bloß nicht von Schwarzmalern wie der Moderatorin Niehaus verderben lassen will, denn: "Wir hier auf der Feier haben einen Weltkrieg überstanden. Was soll uns noch passieren? Noch einer?" Auch schön, wie das Menschheitsthema Klimawandel aus unterschiedlichen zeitlichen Perspektiven behandelt wird: Valerie Niehaus höchstselbst schlüpft in vier Frauenrollen aus vier Epochen, die miteinander streiten, wie das Problem Erderhitzung zu lösen ist und ob es überhaupt eins gibt. Jedenfalls aus Sicht der Industriellengattin Wilhelmine Müller tat Wärme im Jahr 1900 der Ernte doch nur gut. Zum Einsatz kommt auch eine Social-Media-Expertin, die aus dem Netz Reaktionen auf die Show zusammenträgt wie die von Robert Oppenheimer auf X: "Genau wegen solcher Sendungen habe ich die Atombombe erfunden!" Na komm, so schlecht ist "heute show History" nun wirklich nicht, im Gegenteil. Die halbe Stunde endet mit einem Knaller beziehungsweise etwas richtig Durchgeknallten: besagtem Nostradamus, gespielt von Matthias Matschke. "Mister Weltuntergang" reist zum "Live-Gespräch" aus seiner Vergangenheit an, weiß aber auf Niehaus' Frage "Wie geht's weiter für die Welt?" auch nicht weiter. Er bleibt erratisch. Typisch. Und wie geht's weiter mit "heute show History"? Vorerst gibt es nur diese eine Folge. Sie ist inspiriert von der gleichnamigen Rubrik in der "heute show"; einen ersten, allerdings nur 15-minütigen Spin-Off zeigte das ZDF im vorigen Dezember unter dem Titel "heute Show History: Oh Mann, 60 Jahre Frauen im ZDF". Ob daraus mehr wird, entscheidet das ZDF "zu gegebener Zeit". Nicht zuletzt konkurriert Valerie Niehaus mit zwei männlichen "heute show"-Kollegen um die Sommersondersendeplätze, mit Fabian Köster und Lutz van der Horst. Bis Ober-Boss Welke am 6. September wieder regulär im Dienst ist, laufen zwei Reportage-Specials von ihnen: von Mallorcas Saufmeile ("Alkohol - Bier sind das Volk!", 23. August) und aus dem ostdeutschen Landtagsvorwahlkampfgebiet ("Zwei Besserwessis im Osten", 30. August). Was Nostradamus hier den Spaß-Reportern prophezeit hat, ist unbekannt.