Die Macht der Mittelkonsole - Landesmedienanstalten regulieren jetzt auch Autos

Von Steffen Grimberg (KNA)

LANDESMEDIENANSTALTEN - Sie haben keine Angst vor Google, ein bisschen zu viel zu tun und leiden an der langen Dauer rechtlicher Entscheidungsverfahren, sagt Eva Flecken, Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB). Zum 40. Geburtstag des dualen Systems startet der KNA-Mediendienst eine kleine Reihe über die Aufsicht und Regulierer.

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MABB-Jugendrat

Foto: Melanie Wenzl/MABB/KNA

Berlin (KNA) 40 Jahre privater Rundfunk in Deutschland bedeutet auch 40 Jahre Landesmedienanstalten. Die Bedeutung der zur Lizensierung und Beaufsichtigung privater Programme geschaffenen staatsfernen Anstalten hat sich seitdem deutlich gewandelt, sagt Eva Flecken, Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB), und erteilt im KNA-Interview all denen eine Absage, die meinen, für die Medienanstalten gäbe es nichts mehr zu tun. Flecken war früher für Medienpolitik und Jugendschutz beim Pay-TV-Angebot Sky zuständig und leitet seit 15. März 2021 die MABB. Seit Anfang des Jahres ist sie außerdem Vorsitzende der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) sowie der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM). KNA-Mediendienst: Frau Flecken, die Landesmedienanstalten schlagen gerade Alarm wegen ihrer Finanzierung. Dabei sind sie doch durch die Teilhabe am Rundfunkbeitrag gut aufgestellt. Wie heiß muss man diesen Brei essen? Eva Flecken: Insgesamt ergibt sich mit Blick auf die Finanzausstattung der 14 Landesmedienanstalten ein diverses Bild, das auch geprägt ist durch die jeweiligen Arbeitsschwerpunkte, welche sich aus den Landesmediengesetzen und der zu beaufsichtigenden Medienlandschaft ableiten. Und dann sind da noch Unterschiede bei der Finanzierung: Bei acht Häusern gibt es den sogenannten Vorwegabzug, mit dem teilweise hohe Summen automatisch zugunsten anderer Institutionen gar nicht erst bei uns landen. Dieser Vorwegabzug ist wiederum sehr unterschiedlich ausgeprägt. Das reicht von 20 bis knapp 70 Prozent des Gesamtetats. Die sechs anderen Landesmedienanstalten haben das nicht. MD: Wobei drei Anstalten jetzt in den Genuss einer Reduzierung des Vorwegabzugs kamen. Und die anderen rufen jetzt: Bei uns muss das auch runter? Flecken: Bei uns als MABB, in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen wurde reduziert. Das zeigt, dass die jeweiligen Gesetzgeber in den Ländern anerkennen, dass sich unsere Aufgaben sehr verändert haben und vielfältiger geworden sind. Ich möchte mit einem Missverständnis aufräumen, das sich in diesem Zusammenhang hartnäckig hält: In den Berichten der KEF zum Rundfunkbeitrag und dem Anteil der Landesmedienanstalten wird immer davon gesprochen, dass rund 30 Prozent der Gelder, die wir bekommen, wieder an die Rundfunkanstalten zurückfließen würden. Das klingt ein bisschen so, als wären wir überfinanziert. Doch das stimmt nicht, denn dabei handelt es sich fast vollständig um die Vorwegabzüge, die ich eingangs beschrieben habe. Die "echten" Rückflüsse liegen bei unter einem Prozent. Wir brauchen das Geld und verwenden es auch. MD: Was sind denn die wichtigsten Aufgaben, die in den letzten Jahren dazu gekommen sind? Flecken: Zum einen haben wir es in Sachen Regulierung ja längst nicht mehr nur mit Radio- und TV-Sendern zu tun. Wir sind auch für Spotify, Smart Speaker, TikTok, Google und so weiter zuständig, auch für die neuen Multimediadienste und Plattformen, die heute das klassische Autoradio ablösen. Dazu kommen neue inhaltliche Regulierungsfelder wie die Auffindbarkeit auf Plattformen oder die Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflichten bei Online-Medien, wo wir neben dem Presserat eben auch zuständig sind. Dazu kommen von Land zu Land ganz unterschiedliche Bereiche wie Medienkompetenzförderung oder bei uns in Berlin und Brandenburg die Förderung lokaljournalistischer Angebote. MD: Wie hat denn die Autoindustrie reagiert? Begreifen sich die Hersteller wirklich als Intermediäre und sagen, wir sind jetzt über unser de facto ja nur weiterentwickeltes Autoradio ein Faktor in Sachen Vielfalt und Demokratie? Flecken: Da gab es in der Tat im ersten Moment verdutzte Reaktionen, aber keinen unüberwindbaren Widerstand, wobei natürlich noch einige Verfahren vor uns liegen. Nach dem Buchstaben des Gesetzes sind diese "Multimedia Mittelkonsolen" aber eben eine Benutzeroberfläche beziehungsweise eine Plattform und damit gehen bestimmte Pflichten einher. Wir haben aber nicht nur neue Aufgaben, wir ändern auch unsere Arbeitsweise. Wir setzen jetzt seit zwei Jahren auch KI ein in der Aufsicht, um Fälle von Hass und Hetze im Internet zu finden, und allein bei der MABB hat sich dadurch die Anzahl der bearbeiteten Fälle vervierfacht. Wir haben also in der Tat mehr zu tun. MD: Kommt die Aufsicht den Herausforderungen überhaupt hinterher? Viele Landesmedienanstalten beklagen auch zu enge oder nicht mehr zeitgemäße rechtliche Vorgaben. Flecken: Vor allem sind die Dinge komplexer geworden. Früher habe ich 30 analoge Kabelplätze reguliert, heute habe ich Google, Tesla, TikTok und andere Akteure. Das ist in der Bearbeitungsintensität schon etwas anderes. Wir müssen noch stärker priorisieren. Bei der MABB sind aktuell 133 Sender lizenziert Wenn ich möchte, dass deren Programme 24 Stunden am Tag beaufsichtigt werden, dann kann ich mir ungefähr ausrechnen, wie viel Personal ich eigentlich dazu bräuchte... Wir müssen eben immer fragen, was eine sinnvolle Priorität im Bereich der Aufsicht hat. MD: Aber nicht alle Landesmedienanstalten haben so viele Sender zu beaufsichtigen ... Flecken: Es gibt ja auch nicht nur Sender zu beaufsichtigen. Wir sind eben nicht alle über einen Kamm zu scheren und eben auch nicht alle gleichermaßen finanziert. MD: Ist das Prinzip der Landesmedienanstalten eigentlich in seiner aktuellen Form noch der Öffentlichkeit vermittelbar? Die wenigsten Menschen dürften wissen, dass es Landesmedienanstalten gibt und was sie tun! Flecken: Auch da gibt es Unterschiede. Wenn die Medienanstalten einen russischen Sender wie RT Deutsch verbieten, verstehen das relativ viele Leute. Ich weiß aber gar nicht, ob es so schlimm ist, wenn nicht alle Bürgerinnen und Bürger etwas mit den Medienanstalten anfangen können. Wichtiger ist, dass wir effektiv sind: Vielfalt und Jugendschutz sichern, das Medienrecht durchsetzen sowie Medienkompetenz stärken und wie jetzt lokaljournalistische Angebote fördern. Also mir sind die Wirkkraft und der Dialog mit den Mediennutzerinnen und -nutzern viel wichtiger als die Frage, ob jemand das Logo der MABB kennt. MD: Wie sieht denn dieser Dialog konkret aus? Flecken: Wie alle Landesmedienanstalten haben wir ein beschlussfassendes Gremium mit Organstellung - den Medienrat. Wir hatten uns schon seit Längerem die ja ziemlich offensichtliche Frage gestellt: Warum reden wir eigentlich dauernd über den Schutz von Kindern und Jugendlichen - und nicht mit ihnen? Wir haben dann eine Art ständige Task-Force, unseren "Jugendrat" einberufen und lassen uns von den jungen Menschen beraten. Wir treffen uns und diskutieren viermal im Jahr. Das ist sehr bereichernd für alle Beteiligten - auch unsere 80-jährige Medienrätin Karin Schubert war bei der Sitzung im Juni mit dabei. MD: Mit dem Jugendrat und der direkten Förderung lokaljournalistischer Projekte hat die MABB Neuland betreten. Ist bei der Förderung die Politik auf die MABB zugekommen und hat gesagt, wir müssen da etwas machen - oder kam die Initiative von der MABB? Flecken: Damals gab es eine Studie, die aufzeigt, wie es um die lokaljournalistische Landschaft in Berlin und Brandenburg bestellt ist. Die räumte zunächst mal mit dem Vorurteil auf, dass es in Brandenburg ganz finster aussieht und in Berlin alles super läuft. Ich musste das auch erstmal lernen: Es gibt Landkreise in Brandenburg, die haben mehr lokaljournalistische Angebote als Berliner Bezirke wie Tempelhof oder Schöneberg. Das Ganze war aber nicht nur eine Bestands-, sondern auch eine Bedarfsanalyse, die dann in ein Maßnahmenpapier unseres Medienrats floss. Aufbauend darauf hat das der Gesetzgeber schließlich in einen gesetzlichen Auftrag gegossen, für den wir stets Drittmittel benötigen. Für dieses Förderprogramm dürfen wir nicht das Geld aus dem Rundfunkbeitrag nutzen. MD: In Brandenburg gibt es derzeit jährlich eine Million für eine relativ konkrete lokaljournalistische Förderung, in Berlin gibt es 200.000 Euro für die Förderung von audiovisuellen oder Audio-Angeboten. Das ist schon finanziell ein großer Unterschied. Flecken: So ist es. Wir dürfen aber zwei Jahre bündeln und machen für Berlin eine Förderrunde in Höhe von 400.000 Euro daraus. Der Bedarf ist insgesamt aber definitiv da. MD: Kommen wir nochmal zu den neuen Playern wie Google. Sind die Landesmedienanstalten hier mit Blick auf Rechtsgrundlagen und ihre Durchsetzungskraft überhaupt so aufgestellt, dass sie den internationalen Konzernen Paroli bieten können? Flecken: Wir fühlen uns hier niemandem hilflos ausgesetzt und sind ja zum Beispiel schon gegen YouTube vorgegangen und haben beanstandet, dass sie als Intermediär gegen die Transparenzvorgaben verstoßen. Bloß dann kommt der Rechtsweg und der dauert. Dass hier schnell mal zwei oder auch vier Jahre vergehen, hat damit zu tun, dass es für die von uns Regulierten natürlich die Möglichkeit zum Widerspruch und zum Marsch durch die Instanzen gibt - und das ist ihr gutes Recht. MD: Dauern solche Verfahren mit Blick auf die dynamische Entwicklung gerade im digitalen Zeitalter aber nicht einfach zu lange? Flecken: Es ist für alle Seiten wenig zufriedenstellend, wenn das ewig dauert. Jeder freut sich ja über Rechtsprechung, weil es dann Klarheit gibt. Den zuständigen Verwaltungsgerichten kann man aber kaum einen Vorwurf machen - die sind vermutlich einfach ungenügend ausgestattet. Aber es stimmt schon, diese langen Zyklen sind wirklich nicht ideal.

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