"Nur was man kennt, kann man auch schützen" - Arte-Doku über modernen Artenschutz

Von Katharina Zeckau (KNA)

DOKU - Jahrzehntelang hat der Mensch mit Technologie die Ökosysteme zerstört - nun soll das Gegenteil geschehen, und zwar erneut mithilfe technologischer Errungenschaften. Ein interessanter Film stellt vier Projekte vor.

| KNA Mediendienst

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"Artenschutz 2.0"

Foto: InOne Media/Matthias Jim Günter/BR/Arte/KNA

Straßburg/Leipzig (KNA) Haben Sie schon mal versucht, ein Nashorn auf den Boden zu legen? In diesem Film ist eindrücklich zu sehen, wie ein knappes Dutzend Menschen an eben diesem Vorhaben scheitert: Das Tier will nun mal nicht. Also wird es schlussendlich im Stehen besendert: Der Dickhäuter bekommt einen Chip ans Ohr, über den er fortan Daten zu Gesundheit, Verhaltensweisen oder Wanderbewegungen an Martin Wikelski schickt, den Direktor des Konstanzer Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie. Der bastelt gerade an einem "Internet der Tiere": einem Sensornetzwerk von Tieren, das der Forschung wertvolle Informationen liefert, das Schwarmintelligenz nutzen und ein globales Vorhersagesystem für das Leben auf der Erde installieren möchte - das aber auch dabei hilft, die Tiere etwa vor Wilderern zu schützen. Getreu dem Motto: "Nur was man kennt, kann man auch schützen". Wikelskis Plattform enthält bereits über sechs Milliarden GPS-Punkte. Die Doku "Artenschutz 2.0 - Mit Hightech gegen das Artensterben" erzählt am 27. Juli ab 22.25 Uhr von modernen Methoden des Tierschutzes. Oder, um es mit dem Kommentar des Film zu sagen: "Über Jahrzehnte hat der Mensch mit Technologie Ökosysteme zerstört - jetzt kann er sie einsetzen, um Leben zu erhalten". Regisseurin Susanne Maria Krauß begleitet vier Projekte, die dem sogenannten sechsten Artensterben etwas entgegenzusetzen suchen: etwa die Meeresbiologin Alicia Dalongeville, die sich an die Flossen des Engelhais heftet. Die Forscherin hofft nachweisen zu können, dass das gefährdete Tier wieder im Mittelmeer heimisch geworden ist. Dazu sammelt sie Wasserproben rund um Korsika - und ermittelt später im Labor, wessen DNA darin zu finden ist. Die Informatikerin Tanya Berger-Wolf wiederum baut in Kenia eine KI-gestützte Datenbank auf, die mithilfe unzähliger Fotos möglichst viele Netzgiraffen abspeichert. Als Individuen - jede Fellzeichnung ist einzigartig, wie ein Fingerabdruck. Dabei geht es vor allem darum, zu verstehen, wieso die Population dieser Giraffenart sinkt. Das ginge zwar theoretisch auch ohne Künstliche Intelligenz (KI) - würde allerdings um Monate länger dauern, wäre teurer und ineffizienter. Ähnlich verhält es sich beim Identiflight-Projekt im schleswig-holsteinischen Arpsdorf: Hier beobachtet eine KI den Luftraum, um Rotmilane und andere geschützte Vogelarten zu identifizieren. Sobald sich eins der Tiere den Rotorblättern eines Windrads nähert, werden diese abgeschaltet. Je nach Modell geht das innerhalb von 20 bis 40 Sekunden. Der Vorteil der KI gegenüber menschlichen Protagonisten liegt auf der Hand, wie Identiflight-Erfinder Carlos Jorquera betont: "Das System ist nie abgelenkt, wird nie müde, checkt keine SMS. Es macht seinen Job - von früh bis spät". Vielversprechende Projekte sind es, die der Film vorstellt: auf informative, verständliche Weise, und mithilfe sympathischer, eloquenter Protagonisten. Der Off-Kommentar gerät zwar gelegentlich zu wortlastig, hier wäre manchmal weniger mehr gewesen. Was im Übrigen auch mehr Raum gelassen hätte für Atmosphärisches: Stimmungsvolle, ruhige Momente sind im Film rar gesät. Auch wäre die Thematisierung eventueller kritischer Einwände gegenüber dem flächendeckenden Einsatz von KI interessant gewesen, ebenso wie philosophische Fragen: Besteht das Risiko, dass diese Unmengen an Daten missbraucht werden könnten? Was bedeutet es für das menschliche Verständnis von Wildnis, wenn diese rund um die Uhr beobachtet und vermessen werden kann? Alles in allem ist "Artenschutz 2.0" ein gelungener, optimistisch stimmender Einblick in neue Wege des Artenschutzes, die hoffentlich noch einen signifikanten Effekt zeitigen werden. Schließlich ist die Lage viel dramatischer, als man anhand der menschlichen Reaktion darauf meinen möchte. Eine Million Tiere und Pflanzen sind bedroht, jeden Tag sterben etwa 150 Arten aus, kehren also nie wieder zurück. Es ist das erste Artensterben seit 66 Millionen Jahren, zur Erinnerung: Das Letzte war das mit den Dinosauriern. Vor allem aber ist es das erste vom Menschen verursachte.

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