Berlin (KNA) Tiere gehen immer, lautet eine alte Fernseh-Regel. Von Anfang an zeigt "Berlin - Kalter Krieg der Zoos" (Regie und Buch: Heike Nikolaus, Prod.: Docstation/ZDF/Arte) sichtlich ältere blass-bunte sowie schwarz-weiße Bewegtbilder von Erdmännchen und schwarzen Panthern, Pandas und Brillenbären. Der flott montierte, beschwingt, aber nicht zu aufdringlich musikuntermalte Mix schafft Aufmerksamkeit für ein historisch und kulturhistorisch spannendes Thema. Das geteilte Berlin wurde in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zum global wichtigsten Brennpunkt des Wettbewerbs der Systeme. Und das zeigte sich auch in den Zoos. Mit der Aufteilung der damals ehemaligen deutschen Hauptstadt in vier Zonen lag der 1844 eröffnete älteste Zoo Deutschlands zentral im Westteil. Vielleicht auch, weil Tiere Menschen gut ablenken, öffnete er schon wenige Wochen nach Kriegsende wieder seine pittoresken Pforten - obwohl nur gut 100 von rund 3000 Tieren die letzten Kriegswochen überlebt hatten. Der Ostteil, Hauptstadt der entstehenden DDR, besaß keinen Zoo mehr und stampfte einen neuen aus dem Boden. Der Schlosspark der enteigneten Familie von Treskow wurde, insbesondere dank unbezahlter, "mehr oder weniger freiwillig" geleisteter Arbeit vieler damals junger Berliner (die nun gerne als Zeitzeugen zurückschauen), in Rekordzeit zu einem innovativen Tierpark umgemodelt. Seit 1955 lieferten sich beide Berliner Zoos einen harten Wettbewerb, vor allem mit möglichst spektakulären Tieren. Als 1958 der Osten erstmals eine Pandabärin zeigte, wollten und konnte auch viele Westberliner sie besichtigen. Die Grenzen waren ja noch offen. Mit dem Mauerbau im Augst 1961 änderte sich das. Der bis 1990 durchgehend von Heinrich Dathe geleitete Ost-Zoo blieb dennoch innovativ und nahm, so der Off-Kommentar, mit dem 1963 eröffneten Alfred-Brehm-Haus "Erlebniswelten-Konzepte vorweg", wie sie noch heute aktuell sind. Nicht zuletzt konnten DDR-Bürger dort tropische Gefilde nachempfinden, wie es ihnen ansonsten unmöglich war. So vermittelt "Berlin - Kalter Krieg der Zoos" unterhaltsam Wissenswertes und macht auch visuell was her. Aktuelle Luftaufnahmen zeigen, wie groß beide Berliner Zoos waren und sind. Zum Weiterdenken regen Ausschnitte aus dem Fernsehen der 1960er Jahre an. Da begrüßten beide Zoodirektoren gerne junges Publikum vor laufenden Kameras ("Guten Tach, liebe Kinder"), und es scheint, als seien sich West- und Ost-Fernsehen ziemlich ähnlich gewesen. Bedauern könnten interessierte Zuschauer bloß, wie viele Anknüpfungspunkte der 45-Minüter setzt, aber nicht nutzt. Zum Beispiel war das in der DDR gelandete chinesische Panda-Weibchen eigentlich für einen Zoo in Chicago bestimmt, den es wegen eines Handelsembargos gegen China aber nicht erreichte. Herrschten damals also zwischen den USA und dem kommunistischen China Zustände, wie sie vielleicht bald wieder drohen? Bereits zuvor hatte der Ost-Zoo ein Elefantenbaby erhalten, das zunächst sogar frei im Zoo herum und mit Kindern um die Wette lief (wovon noch ein Schwarzweiß-Foto zeugt). Als Gastgeschenk mitgebracht hatte es Ho Chi Minh 1957 - anderthalb Jahrzehnte, bevor seine Vietcong den Vietnamkrieg gewannen. Über die Lage im Vietnam der 1950er etwas mehr zu hören, wäre auch interessant gewesen (zumal das Land damals noch zum Kolonialreich des Arte-Partners Frankreich gehörte). Noch ein Beispiel: Den West-Zoo hatte bis 1956 Katharina Heinroth geleitet, die für seinen Erhalt im Jahr 1945 und dann "wie eine Löwin gegen ihre meist männliche Kritiker" gekämpft hatte, so der Off-Kommentar. Schließlich wurde sie vom dann jahrzehntelang prägenden Direktor Heinz-Georg Klös abgelöst. Über diese Machtkämpfe im alten West-Berlin mehr zu erfahren, hätte auch in die Gegenwart gepasst. Fazit also: Durchaus gute Info-Unterhaltung, die nicht allein für Tierfilm-Fans anzusehen lohnt. Allerdings könnte man vom Kultursender Arte mehr Tiefgang erwarten - wo, wenn nicht dort? Nette Tierfilme laufen schließlich überall. Mehr, auch noch Weiteres zum Ost-Zoo, erfährt man linear im Anschluss, der sich formal bruchlos vollzieht: Der folgende 45-Minüter "Das sozialistische Tier - Kaninchen, Kühe und Co. im Dienst der DDR" (Regie & Buch: Katja Aischmann, Volker Schmidt-Sondermann, Prod.: Tellux Dresden/ZDF/Arte) fährt im gleichen beschwingt-musikgestützten Tonfall fort. Inhaltlich richtet er ein "Kessel Buntes" rund um Tiere in der DDR an. Es geht etwa um den Kampf gegen streunende Hunde - auch weil viele Menschen an Tollwut starben - und sowieso gegen Haustiere in den frühen Jahrzehnten, schon weil die Ernährung der Menschen nicht sicher gestellt war. Es geht um die staatliche Vorliebe für "Kleintiere" (auch weil diese zur Ernährung der Menschen beitrugen) und um die Zwangskollektivierung in LPGs, die außer zu menschlichen Fluchtwellen auch zur bewussten Schädigung von Nutztieren, also künftigen "sozialistischen Produktionsmitteln", führten. Ob all das, zwischen Kleintieren, Zootieren und Nutztieren (bei der Massentierhaltung schaffte es die DDR dank universitär unterstützter "Tierproduktion" mit an die Weltspitze) wirklich auf engem Raum zusammenpasst, lässt sich bezweifeln. Aber gerade solche Zweifel regen zum Weiterdenken an, und das gelingt dem Fernsehen ja nicht mehr sehr oft.