Unüberhörbar, unübersehbar, einflussreich - Eva Schulz ist Influencerin wider Willen

Von Jan Freitag (KNA)

ZIELGRUPPEN - Die Hälfte ihrer 34 Jahre ist Eva Schulz bereits eine der einflussreichsten Politik-Influencerinnen ihrer Generation. Wenn sie für das ZDF jetzt Sachsen, Thüringen und Brandenburg vor den Landtagswahlen erkundet, sehen viele sehr genau auf das Projekt - und auf eine Online-Journalistin, die polarisiert.

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Eva Schulz

Foto: Fabian Uhlmann/ZDF/KNA

Hamburg (KNA) Influence, man muss sich das ab und zu kurz in Erinnerung rufen, kommt von Einflussnahme. Influencer sind demnach Menschen, die andere Menschen auf verschiedenste Art beraten und anregen, bestärken oder antreiben, also irgendwie auf sie einwirken. Im Idealfall positiv. Man könnte Eva Schulz demnach als Influencerin bezeichnen. Schließlich nimmt sie mehr als die Hälfte ihrer 34 Jahre bereits Einfluss auf ihre Alterskohorte und darüber hinaus. Schon die Schulzeitungsreporterin in Borken nahe der niederländischen Grenze erhielt so viele Nachwuchspreise, dass sie bald darauf vom Branchenblatt "Medium Magazin" zu den einflussreichsten "30 bis 30" gezählt wurde. So ging es weiter. Und weiter. Und weiter. Lange, bevor Eva Schulz der Zielgruppe des wichtigen Rankings Jungerwachsener mit Strahlkraft und Wirkmacht entwachsen war, hatte sie für ihre Lokal- und die "Süddeutsche Zeitung" gearbeitet, am Bodensee studiert und in Übersee geforscht, ein Computermagazin entwickelt und nebenbei das digitale Biotop im analogen Deutschland erkundet. Wenn Eva Schulz nun fürs ZDF durch Thüringen, Brandenburg und Sachsen reist, um ihrem - noch immer jungen - Stammpublikum vor der dortigen Dreifachwahl den Osten näherzubringen, passt der Begriff "Influencerin" also perfekt auf eine Journalistin, die seit jeher eingreift, wo immer man ihr zuhört. Wenn sie sich denn selbst so sähe. Tut sie aber nicht. Aus Angst, Abonnenten und Anzeigenkunden zu verprellen, sagte Eva Schulz dazu mal beim Interview vorm Kanzleramt, "trauen sich Influencer doch oft gar nicht, eine Meinung zu haben." Die aber hat sie. Eine klare sogar. Besonders zur AfD, die zwischen Oder und Elbe voraussichtlich Rekordergebnisse einfahren wird. Sehr zum Unwillen der Erkundungsreisenden - das spürt man in jeder Minute "Deutschland - warum bist du so?". Was man aber noch viel mehr spürt, ist ihr Interesse jenseits all der Eitelkeiten, die das Internet und seine "sozial" genannten Meinungsportale und Messenger so brutal fördern. Es gehe ihr "nicht um Selbstdarstellung, sondern Aufmerksamkeit für diejenigen, die medial nicht genug abgebildet werden". Geflüchtete, Hauptschüler oder in diesem Fall eben Ostdeutsche von oben herab zu definieren, maßt sich die Westdeutsche daher auch "als Biodeutsche mit Uni-Abschluss nicht an, aber ich will sie zu Wort kommen lassen". Damit wäre Eva Schulz gut beschrieben. Seit der digitale Nachwuchskanal EinsPlus die junge Bloggerin 2011 engagiert und ohne viel Vorbereitung gleich mal auf Reportagefahrt zur Bundeswehr geschickt hatte, pflegt sie das Prinzip haltungsstarker Unvoreingenommenheit auf Augenhöhe. Was nirgends besser zum Ausdruck kommt als dort, wo sie nach Stationen bei jetzt.de und Snapchat zumindest in den Generationen Y bis Z ein bisschen berühmt wurde: "Deutschland3000". Im Auftrag des öffentlich-rechtlichen Onlineportals funk seziert sie darin im siebten Jahr bereits bundesrepublikanische Befindlichkeiten, und zwar alle. Ob Böllerverbot oder Häuslebau, Bauernproteste oder Klimademos, Rentenfinanzierung oder Männlichkeitsbilder, Koalitionsstreit oder Oppositionspolitik - Eva Schulz stellt es mal allein, mal im Gespräch auf den Prüfstand. Im gleichnamigen Podcast mag sie gelegentlich auch mal Persönliches, soziokulturell also weniger Bedeutsames mit Promis der Unterhaltungsbranche wie Igor Levit, Lena Meyer-Landrut oder Olli Schulz besprechen. Grundsätzlich aber geht es ums Ganze: die Gesellschaft und ihre einzelnen Teile, das Land und seine Regionen, von Aachen bis Garmisch über Flensburg nach Görlitz oder wie jetzt in der ZDF-Mediathek: aus Thüringen durch Sachsen Richtung Brandenburg. Und Eva Schulz mittendrin - unübersehbar, unüberhörbar. Das macht sie unverkennbar, aber eben auch angreifbar. Stark geschminkt und auffällig gekleidet, Tendenz Turnschuhe zur Seidenbluse, exponiert sich die dauerduzende Journalistin inhaltlich ebenso wie optisch, habituell, in jeder Hinsicht. Sie ist nicht nur redselig, haltungsstark, kommunikativ, sondern laut, schnell, bisweilen schrill. Mit ihrer Form der "meaningful interaction" für "underserved audiences", wie sie relevante Debatten für unterversorgte Zielgruppen in altersgerechtem Denglisch umschreibt, fällt Eva Schulz also ein bisschen mehr auf als üblich im seriösen Berichterstattungsgewerbe. Neben wachsender Medienpräsenz, zu der sich nach ihrer Landtagswahlrundreise am 15. August noch die ZDF-Doku "Am Puls mit Eva Schulz - Ich will doch nur wohnen!" gesellt, ist ihr Lohn entsprechender Internethass. Die Kommentarspalten ihrer Beiträge enthalten oft seitenlang Beschimpfungen, bevor mal positives Feedback kommt. Besonders für medial präsente Frauen ist das allerdings der Regelzustand. Umso wichtiger sei es, "cool zu bleiben und Haltung zu zeigen", sagt Schulz. Mit dieser Strategie behauptet sich der selbsterklärte "Quoten-Digital-Native" früherer Tage im männerdominierten Feld politischer Influencer. Hier ist Eva Schulz so eine Art Thilo Jung in sympathisch, Louis Klamroth in routiniert, Jan Böhmermann in uneitel oder Rezo in seriös - und jede dieser Referenzgrößen zeigt, wie wichtig Frauen wie sie in einer medialen Löwengrube sind, der selbst Anke Engelke einst zum Opfer fiel. Mit Louise Dellert, Mareile Ihde, Diana zur Löwen, Tara-Louise Wittwer alias "WasTaraSagt" wächst zwar die Zahl weiblicher Social-Media-Stimmen mit politischem Gewicht jenseits von Themen wie Lifestyle, Nachhaltigkeit oder Reisen. Aber keine ist schon so lange so einflussreich wie Eva Schulz. Man nennt das Influencerin. Ob sie will oder nicht.

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