Metaebene der Wiederverwertungszusammenhänge - Oliver Kalkofe hat aufschlussreichen Spaß mit schlechten Filmen

Von Christian Bartels (KNA)

STREAMING - RTL führt für seine Streaming-Plattform Oliver Kalkofes "Schlechteste Filme aller Zeiten"-Reihe fort - und startet ausgerechnet mit einem RTL-Fernsehfilm von 1999.

| KNA Mediendienst

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"SchleFaZ" kehrt zurück

Foto: Philipp Rathmer/RTL/KNA

Berlin (KNA) Comedians haben es offenbar auch nicht leicht, selbst wenn sie bekannt sind. Oliver Kalkofe etwa moderiert neuerdings in der ARD die erbarmungswürdige Sendung "Faking Bad". Da müssen prominente Fernsehnasen sich falsche Antworten auf Fragen à la "Was empfahl der schottische Astronom Thomas Short übergewichtigen Menschen im Jahr 1728?" ausdenken und dann vor applaudierendem Publikum drüber reden. Was hätte zu solch formatiertem Zeittotschlagsfernsehen die schärfste, treffsicherste Fernsehsatire im deutschen Fernsehen gesagt? Doch "Kalkofes Mattscheibe", entstanden einst beim Sky-Vorgänger Premiere und circa 2021 letztmals bei Tele 5 gesendet, ist längst verstummt. Mit dem Verkauf des inzwischen in der Bedeutungslosigkeit entschwundenen kleinen Privatsenders entschwand zugleich nach sage und schreibe 164 Folgen noch ein Kalkofe-Format, "Die schlechtesten Filme aller Zeiten". Nun taucht "SchleFaZ" bei einem neuen und potenten Auftraggeber wieder auf: ab 23.8. online bei RTL+, am 30.8. um 21.50 Uhr linear bei RTL Nitro. Es beginnt sehr lustig mit einem Gastauftritt Peter Kloeppels, der Kalkofe und seinen Partner, den vor allem als Fernsehautor bekannt gewordenen Peter Rütten, begrüßt. Rauchen ist verboten bei RTL, aber immerhin Alkohol nicht. Das ist wichtig, denn zum Trinken zu animieren, gehört zum Ritual der Reihe. "Drink!", heißt es bei jeder erkannten Parallele zu einem besseren oder größeren Film, von dem der jeweilige "SchleFaZ" offenbar abkupferte. "Schlechte Filme zusammen sehen, und die trinken wir uns dann schön...", singen Kalkofe und Rütten voller Spielfreude. Und wenn sie dann "Let it Faz" hinzufügen, hat das nichts mit einer überregional bekannten Qualitätszeitung zu tun. Die beiden sehen sich im mit allem Möglichen randvollen Fernseh-Wohnzimmer schlechte Filme an und reden vorab, zwischendurch und hinterher ausgiebig drüber. Das ist oft lustig, zumindest immer schwungvoll vorgetragen und enthält allerhand Wortwitz. Sicher, Fäkalausdrücke, die über "unerträgliche Scheißfilme" weit hinausgehen, suchen die beiden eher, als dass sie sie scheuen. Doch es bleibt immer Raum für hübsche Alliterationen ("tapsig tanzenden Tourismus-Laiendarsteller", "Logik-Lochkarte"), die manchmal am Rande in geradezu intellektuelle Gags etwa über Matrix und Metrik münden. "Giganten mit stählernen Fäusten", "In der Gewalt der Riesenameisen" hießen die besprochenen Filme früher - und stammten aus Zeiten, in denen Verleihe nicht einfach den englischsprachigen Titel beibehielten. Seltener ging es um deutsche Kommerz-Filme wie "Dirndljagd am Kilimandscharo". Natürlich handelte es sich nicht immer um die wirklich schlechtesten Filme, sondern eher um solche, deren Macher sich nicht wehren können oder wollen oder sich freuen, sei es über noch mal aufflammende Aufmerksamkeit oder darüber, mit einem allerletzten Verwertungsketten-Glied nochmals Lizenzeinnahmen zu generieren. Dass die meisten der Titel in der politisch korrekten Gegenwart sowieso kaum unbearbeitet und unkommentiert gesendet werden könnten, schert Kalkofe und Rütten nicht. Ein gut platziertes Bonbon ist es, dass zum RTL-Start bei "SchleFaZ", bevor es in den nächsten Wochen mit den US-Filmen "Aerobicide" aus den 1980ern und "A*P*E" aus den 1970ern weitergeht, kein Kino- oder fürs Kino gedachter Film im Blickpunkt steht, sondern ein RTL-Fernsehfilm. Das war mit "Hai-Alarm auf Mallorca" zwar schon mal der Fall. Doch liegt für alle Formen ironischer Medienbetrachtung ja ein wesentlicher Maßstab darin, sich den eigenen Auftraggeber mindestens so scharf vorzuknöpfen wie alle anderen. Und das tun Kalkofe/Rütten bei "S.O.S. Barracuda: Der Tod spielt Roulette" aus dem Jahr 1999 (Regie: Michael Bielawa, Buch: Marc Terjung), dem zweiten Teil einer Fernsehfilm-Reihe. Die engere Filmbesprechung beginnt mit der Trouvaille, dass der zumindest nicht ganz jungem Publikum noch als "Herr Kaiser" aus Hamburg Mannheimer-Werbespots bekannte Darsteller Nick Wilder die Hauptrolle spielt und sich äußerst offensichtlich an der von Bruce Willis in den "Stirb langsam"-Filmen verkörperten Figur orientieren sollte. Die Versicherungs-Werbung - die 1999 natürlich bekannter war als heute und der damaligen RTL-Ausstrahlung erst recht als Anknüpfungspunkt diente - wird dazu klein am Bildschirmrand eingeblendet. Bisschen schade, dass Wilders spätere Auftritte in einer durchgehenden Nebenrolle als Bordarzt auf dem "Traumschiff" des ZDF nicht zu sehen sind, doch dürften da wohl Lizenzfragen eine Rolle spielen. Überhaupt bilden am Bildrand eingeblendete Texte mit Querverweisen zu Schauspielern (etwa wo und in wie vielen Folgen welcher Endlosserien sie sonst auftraten) ein wichtiges "SchleFaZ"-Element. Manchmal sind es witzige Beobachtungen wie die, dass sich Verona Feldbusch sich bei ihrem ersten Auftritt in einer dann doch sehr kleinen "S.O.S. Barracuda"-Nebenrolle abtrocknet, obwohl sie gar nicht nass ist. Ansonsten bietet der deutsche TV-Film von 1999 den Vorteil, dass sich viele zeittypische Manierismen wiederentdecken lassen. Es geht um eine ostentative Schönen-und-Reichen-Party auf einem Glücksspieldampfer, der von Travemünde in See sticht und von einer Gangsterbande überfallen wird. Deren Chef gibt, kahlköpfig, Heinz Hoenig. Wie gut der inzwischen vor allem als tragische Bunte-Seiten-Figur bekannte Schauspieler selbst Rollen in schlechten Filmen auszufüllen verstand, zeigt sich dann auch. Nach gut 25 Minuten unterbricht Kalkofe mit der hübschen Feldbusch/Pooth-Hommage "Halli Hallo Hallöchen, liebe Publikumszuschauer" erstmals den Film und rekapituliert mit Rütten anhand jeweils wiederholter Szenen, was bisher geschah und wie - logisch - löchrig es war. Klar, ein Faible für nicht selten plumpe Späße muss man haben, um "SchleFaZ" zu goutieren - und das haben genug Menschen, damit Kalkofe und Rütten auch "Live-Events" vor einem Publikum veranstalten, das mindestens 59,90 Euro pro Ticket bezahlt. Doch zugleich lassen die beiden eine mediale Metaebene durchscheinen, die die Wiederverwertungs-Zusammenhänge im noch immer wichtigsten Leitmedium Fernsehen, das eben auch ein Teil der Unterhaltungsindustrie ist, fast so clever wie unterhaltsam aufzeigt. Und so könnte man nach zweieinhalb Stunden bedauern, dass nicht die ARD die von Kalkofe auch produzierte "SchleFaZ"-Reihe übernahm. In den proppenvollen und weiterhin emsig gefüllten Krimi- und Schmonzetten-Archiven der Öffentlich-Rechtlichen schlummern schließlich jede Menge Filme, die genau diesen Blick auf eher billige Produktionsweisen, auf oft eigentlich bessere (oder echt schlechte) Schauspieler und auf so offensichtliches wie gewolltes Kopieren bewährter Vorbilder sehr gut vertragen würden.

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