Zum Tod des Krisenreporters Christoph Maria Fröhder - "Diese Strukturagenten ersticken den Journalismus"

Von Steffen Grimberg (KNA)

NACHRUF - Christoph Maria Fröhder wollte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk so, wie er selbst war: mutig, offen und risikofreudig. Mit "seinem" Sender, der ARD, geriet er darüber immer stärker in Konflikt.

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Christoph Maria Fröhder (1942-2024)

Foto: HR/KNA

Berlin (KNA) Am Ende hatte Christoph Maria Fröhder die Faxen dicke von "seiner" ARD. Streng genommen hat er zwar nie dazugehört, war er doch die längste Zeit seines Lebens als freier Korrespondent vor allem in Afrika, im Nahen Osten und der arabischen Welt unterwegs. Doch begonnen hatte der gebürtige Hesse nach einem Volontariat bei der "Stuttgarter Zeitung" 1965 als Landeskorrespondent des Hessischen Rundfunks in Wiesbaden. Der öffentliche Rundfunk war und blieb auch sein Metier, als er sich 1969 als freier Auslandskorrespondent selbstständig machte. Wo sonst gab es die Nachfrage nach investigativ-hintergründigen, aufwendigen Dokumentationen über Schiebereien in der deutschen Atomindustrie, afrikanische Potentaten und Gräueltaten der US-Armee in mehreren Golfkriegen? Fröhder bereiste Vietnam, Afghanistan und Angola. Warnte früh vor einem gewissen Idi Amin, den da einige noch im Vergleich zu seinem Vorgänger Milton Obote für das kleinere Übel hielten. Große Bekanntheit erlangte er spätestens im ersten Golfkrieg, als er 1991 als einer der wenigen internationalen Journalisten in Bagdad blieb. Das Vor-Ort-Sein war für den Journalisten Fröhder entscheidend. Nur so ließen sich Ereignisse einigermaßen wahrheitsgemäß abbilden, Hintergründe recherchieren, die Dinge richtig einordnen, lautete sein Credo. Dass ihm dafür von seinen Auftraggebern in den Sendern immer weniger Zeit eingeräumt wurde, beklagte er wortreich. "Ich kenne das Prozedere vor Ort: Da will Sie der Informationsminister sprechen, dann der Protokollchef und so weiter. Das sind endlose Tee-Seancen, die gut und gerne zweieinhalb Tage verschlingen und ohne die Sie nicht drehen dürfen. Mit einem achttägigen Aufenthalt kann ich also nichts anfangen", - er brauche mindestens 14, sagte Fröhder 2012 in einem Interview dem Fachblatt "Medium Magazin". Die Abläufe und Vorgaben in der ARD fand er deshalb zunehmend belastend. "Der größte Ballast ist die ARD! Die reagieren einfach nicht mehr so wie früher: All die Urgewächse, wie Fritz Pleitgen oder Nikolaus Brender, die sich für guten Journalismus pur eingesetzt haben, sind heute die absolute Ausnahme. Sie wussten, was man vor Ort leisten muss, und haben einem dafür den Rücken freigehalten", beklagte Fröhder in demselben Interview. "Embedded Journalism", wie ihn die USA ab dem Irakkrieg 2003 praktizierten, war ihm dabei zuwider: "Militärs halten im Zweifel in kritischen Situationen die Hand vor die Kamera", war noch so ein Fröhder-Leitsatz. Und für Kriegsreporter, die von einem Schlachtfeld zum nächsten turnten, hatte er nur milde Verachtung übrig. "Halbirre" seien das, befand Fröhder und beanspruchte für sich selbst die Bezeichnung Krisenreporter, wobei er größten Wert auf den Unterschied legte. Das Leid der Zivilbevölkerung ging ihm stets nahe, und er zeigte es in Bildern, die den Sendern oft zu hart und grausam erschienen. Doch Fröhder duldete auch hier keine halben Sachen, lieber strickte er noch einen Passus zur deutschen Mitverantwortung dran, weil beispielsweise im Golfkrieg die Bundesrepublik als Verbündeter die USA unterstützte. Der vielfach Preisgekrönte engagierte sich auch für seinen Berufsstand und vor allem den Nachwuchs. Als Gründungsmitglied der Journalistenorganisation Netzwerk Recherche stritt Fröhder für mehr investigative Ansätze und gegen die um sich greifenden Trends zu immer stärkerer Personalisierung und Storytelling. Die "Presenter-Reportage", bei der der Reporter als Hauptperson vor der Kamera agiert, war ihm ein Gräuel. Mit den Jahren - Fröhder war auch nach dem offiziellen Rentenalter weiter aktiv - wuchs sein Frust auf den aus seiner Sicht immer bürokratischer und unjournalistischer werdenden Rundfunkbetrieb. 2015 sprach er mit einem großen "Spiegel"-Interview dem Nachrichtenapparat der ARD seine "symbolische Kündigung" aus, die viel von dem vorwegnahm, was aktuell weiter an der öffentlich-rechtlichen Berichterstattung kritisiert wird. Bei der "Tagesschau" und den "Tagesthemen" stoße er auf Leute, "denen die Administration wichtiger ist als guter Journalismus", sagte Fröhder und kritisierte die Kleinstaaterei der einzelnen Anstalten, bei denen er "um Zustimmung fragen musste, ob ich deren Berichterstattungsgebiet im Namen der ARD (...) betreten durfte". Überhaupt würden bloß noch scheinbar relevante Fakten hintereinander gefügt, anstatt sie zu hinterfragen. "Diese Strukturagenten ersticken den Journalismus", so Fröhders Fazit, das er nicht nur für sich formuliert wissen wollte: "Ich will, dass sich etwas ändert, damit die jungen Kollegen in Zukunft wieder den Journalismus machen können, den die ARD braucht", sagte er dem "Spiegel". Es wäre spannend, zu erfahren, was er zur aktuellen Debatte um die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Systems und die laufenden Reformen sagen würde. Doch nicht nur die ARD muss nun ohne ihn auskommen. Christoph Maria Fröhder ist am 20. September in Frankfurt am Main kurz vor seinem 82. Geburtstag verstorben. Sein Heimatsender, der Hessische Rundfunk, rief ihm nach, er sei ein "streitbarer aber auch vor allem mutiger und investigativ arbeitender Kollege" gewesen.

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