Kooperation und Unabhängigkeit - Die 75 Jahre alte dpa taugt als Vorbild für unser Mediensystem

Von Marc Jan Eumann

Die dpa feiert in diesem Jahr Jubiläum. Es braucht eine starke, genossenschaftlich getragene Nachrichtenagentur, um vor medialen Sündenfällen zu schützen, findet der Direktor der Landesmedienanstalt Rheinland-Pfalz und frühere Medienpolitiker, Marc Jan Eumann. Ein Gastkommentar.

| KNA Mediendienst

alt

Die Zentralredaktion der dpa in Berlin

Foto: Michael Kappeler/dpa/KNA

Ludwigshafen (KNA) An den Anfang gehört die Gratulation: Herzlichen Glückwunsch dpa zum 75. Geburtstag! Seit 1949 ist die dpa eine der weltweit immer weniger werdenden "media owned news agencies", also eine Nachrichtenagentur, bei der viele wichtige Abnehmer gleichzeitig Eigentümer sind. Im Falle der dpa sind das Zeitungsverlage beziehungsweise Medienhäuser. Bei diesem nicht nur wirtschaftlich sinnvollen, der Genossenschaftsidee entlehnten Organisationsmodell teilen sich Viele die kostspielige Nachrichtenbeschaffung. Von den etwa 140 nationalen und internationalen Nachrichtenagenturen weltweit sind etwa drei Viertel entweder in staatlicher Hand oder überwiegend staatlich finanziert. Konkretes Vorbild für die dpa war die US-amerikanische Associated Press (AP). So sei an dieser Stelle der Hinweis erlaubt, dass es 75 Jahre nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland nur wenig gesellschaftliche Bereiche gibt, in denen die Entscheidungen der westlichen Alliierten so stark nachwirken wie im Medienbereich: Eine immer noch vielfältige Zeitungslandschaft hängt ursächlich mit der Lizenzierungspraxis der Alliierten zusammen, ein starker, binnenpluraler, föderal gestalteter öffentlich-rechtlicher Rundfunk fand sein Vorbild in der BBC und AP war "role model" für die dpa. Dies führt zu einer naheliegenden, dennoch oft verdrängten Erkenntnis: Im Gründungsjahr der dpa und den drei davor liegenden Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war unabhängiger, staatsferner Journalismus alles andere als eine Selbstverständlichkeit auf deutschem Boden. Der Aufbau unabhängiger privater wie öffentlich-rechtlicher Medien war unter dem Alliierten-Besatzungsregime eigentlich eine Unmöglichkeit. Und dennoch ist dieses für die Demokratie so wichtige Kunststück gelungen. Das bedeutet zwar keine Garantie für die Zukunft, gibt indes Zuversicht, dass scheinbar Unmögliches auch künftig gelingen kann. Das ist das Stichwort, das die Brücke in die Gegenwart schlägt. Die Auflagenhöhe der dpa-Eigentümer war über viele Jahrzehnte eine sichere Existenzgrundlage für die dpa. Mit dem unaufhaltsamen Auflagenrückgang der gedruckten Zeitung und der nicht hinreichenden Kompensation durch das journalistische Digitalgeschäft ist jedes Geschäftsmodell einer "media owned" Nachrichtenagentur gefährdet. dpa-CEO Peter Kropsch beschreibt das erstaunlich offen: "Vom Kerngeschäft kann eine Agentur nicht leben." Das erklärt die zahlreichen Geschäftsfelder, die die dpa in den vergangenen Jahren erfolgreich erschlossen hat. Dass Kropsch diese Entwicklung als eine Art "Erbsünde" bezeichnet, kennzeichnet sein Unbehagen mit dieser Entwicklung. Wir haben am finanziellen Niedergang unter anderem der "Washington Post" gesehen, wie dramatisch die Folgen sind, wenn Eigentümer die Zukunft verschlafen. Bei dem US-Blatt hatte die legendäre Eigentümerfamilie Graham ("Watergate") das Kerngeschäft vernachlässigt und war zum Verkauf gezwungen, als die später dazugekommenen Geschäftsfelder wie beispielsweise Bildungsangebote zusammenbrachen. Um Missverständnissen vorzubeugen: Eine solche Entwicklung ist aktuell bei der dpa überhaupt nicht zu erkennen - und das ist mehr als erfreulich. Gleichwohl ist es entscheidend, dass sich unsere Gesellschaft eine unabhängige Nachrichtenagentur auch in Zukunft leistet. Einerseits geht es um eine für den deutschen Medienmarkt notwendige und effiziente journalistische Infrastruktur. Die dpa spricht über sich sehr treffend vom "Wasserwerk der Medien". Andererseits sorgen über 80 Korrespondentenbüros, in der ganzen Welt verteilt, dafür, dass unser Blick auf die Welt nicht aus US-amerikanischen, arabischen oder britischen Brillen erfolgt. Mit anderen Worten: Wenn das bisherige Modell irgendwann nicht mehr hinreichend funktionieren sollte, darf die Antwort nicht lauten: "Dann ist es eben so." Dafür ist die Arbeit einer unabhängigen Nachrichtenagentur - als "den Fakten verpflichtet" - gerade in Zeiten von wachsender Desinformation und der Flut von Fake News für eine demokratische Gesellschaft zu wichtig. Denn das "Wasserwerk der Medien" ist zugleich das "Wasserwerk der Demokratie", wie es der frühere dpa-Chefredakteur Wolfgang Büchner einmal nannte. Denn wenn das Wasser (Informationen) vergiftet ist, stirbt die Demokratie - oder um es mit dem neuen Motto der "Washington Post" zu sagen: "Democracy dies in Darkness", die Demokratie stirbt im Dunklen. Bevor also eine Erbsünde zum wirklichen Problem wird, lohnt es sich - rein vorsorglich - über weitere Optionen zu diskutieren und zu streiten. Schon seit ihrer Gründung 1949 ist auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk Gesellschafter der dpa. Die Federführung hat hier der NDR inne. Die Länder verhandeln aktuell eine weitreichende Strukturreform von ARD, ZDF und Deutschlandradio. Bessere Kooperation und der Abbau von Doppelstrukturen bei Wahrung journalistischer Unabhängigkeit kann hier ARD, ZDF und dem Deutschlandradio positive Impulse verleihen, insbesondere mit Blick auf das Auslandskorrespondentennetz. Ganz sicher helfen mehr und bessere Kooperationen journalistischer Akteure untereinander im Wettbewerb mit den Tech-Giganten, unnötige Sündenfälle zu vermeiden. Denn davon gab es schon zu viele. Der SPD-Politiker Marc Jan Eumann hat 2011 über die Anfänge der dpa und ihren Vorgänger Deutscher Pressedienst promoviert. Eumann war 2010 bis 2017 Staatssekretär für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien in der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 ist er Direktor der Medienanstalt Rheinland-Pfalz und zusätzlich seit 2021 Geschäftsführer der Tochtergesellschaft Medienförderung RLP GmbH.

Lesen Sie weiter auf www.KNA-News.de