Ein Spiegel von 60 Jahren Medienentwicklung - Arte-Doku zum 80. Geburtstag des Schauspielers Udo Kier

Von Christian Bartels (KNA)

DOKU - Eine Arte-Doku zum 80. Geburtstag des Schauspielers Udo Kier zeichnet dessen ziemlich unvergleichliche, medienübergreifende Karriere nach.

| KNA Mediendienst

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"Der wunderbare Udo Kier"

Foto: Capital Pictures Foto/Imago/WDR/KNA

Berlin (KNA) "Weil er so schön ist", sagt die Schauspielerin und Filmemacherin Nicolette Krebitz. Dass er "Generationen von Cineasten begeistert" hat, sagt der Offkommentar, und: "Diese Augen kann man nicht vergessen". Udo Kier selbst sagt auch einiges, zum Beispiel, was Fassbinder einst sagte. "Sein Gesicht ist so ikonisch", sagt jemand auf englisch. Schließlich ist Kier international mindestens so bekannt wie in seinem Geburtsland. In "Der wunderbare Udo Kier" (4.10., 23.40 Uhr bei Arte; Regie und Buch: Jobst Knigge) verspricht die einleitende Vorschau nicht zu viel. Der Film zum 80. Geburtstag des gebürtigen Kölners zeigt unterhaltsam wie informativ, dass der Schauspieler auf eine gut sechzigjährige Karriere nicht nur zurückblickt, sondern sie mit mindestens konstantem Erfolg fortführt. Erst mit 50 ging Kier in die USA, wo er heute in Palm Springs lebt und sich mit Hund und Riesenschildkröte ähnlich gerne filmen lässt wie am Rhein in Köln. Telegen und fotogen war Kier immer und ist es geblieben, auch davon profitiert der Film. Als Anknüpfungspunkt für Kiers gegenwärtiges Schaffen in den USA dient die in Deutschland schlecht besprochene und wenig beachtete Amazon-Serie "Hunters", in der er in einer kleinen Rolle Adolf Hitler spielte. Das ist Anlass, zurück in die Nazizeit und ins Jahr 1944 zu springen, in dem Kier geboren wurde. Dazu posiert er am Rhein, aber auch in der weniger schönen Kölner Fußgängerzone, und erinnert sich an seine karge Kindheit. Bei Ford in Köln arbeitete er am Fließband; auf einer Reise nach London wurde er, ohne eigenes Zutun, für den Film entdeckt. "Seine Schönheit zeichnet ihn aus, doch seine Unerfahrenheit merkt man ihm an", ordnet der Offkommentar schwarz-weiße Ausschnitte ein. Dass er interessant aussieht, das "behaupten nicht nur Mädchen", hieß es hintersinnig in einem WDR-Porträt von 1967, das Kier schon damals "als Weltstar präsentiert" hat, wie die WDR-Produktion von 2024 staunt, und damit ja recht behielt. An solchen Montagen zeigt sich die Stärke der gut 50-minütigen Doku: "Der wunderbare Udo Kier" schöpft klug aus dem Vollen des vielfältigen Materials. Wenn Krebitz etwa erzählt, wie Kier sich eine Szene zu "schnappen" verstünde, also im Drehbuch kaum enthaltene Szenen rund um seine oft kleinen Rollen selber schafft, ist genau die Szene aus Gus van Sants US-Independent-Film "My Private Idaho" zu sehen, die gemeint ist. Denn vor allem dieser Auftritt begründete Kiers Hollywood-Karriere. Freilich hatte er, bevor er nach Amerika ging, etwa schon in Italien die Titelrollen in "Frankenstein"- und "Dracula"-Produktionen gespielt. Ausschnitte aus diesen Trashfilmen zeigen, wie der deutsche Akzent im Englischen, den Kier weiter pflegt, sein Rollenbild als schöner Bösewicht unterstützte. Und sie erklären, warum die Doku im linearen Fernsehen erst nach 23.00 Uhr läuft: In vielen der Filme, in denen Kier mitwirkte, geht es blutig zu. Die Vielzahl der Ausschnitte verdankt sich nicht nur der Vielzahl der Filme - "100 sind schlecht, 50 kann man ertragen mit ein paar Gläsern Rotwein, und 50 sind gut", sagt Kier nonchalant -, sondern auch der Tatsache, dass er früher und offenkundig lieber als andere Schauspielkollegen auch jenseits von Kino und Fernsehen auftrat. Insbesondere filmisch dokumentierte Kunstperformances und Musikvideos - nicht nur mit Madonna - beförderten Kiers Karriere. Und "OD", dem jüngsten Computerspiel-Projekt des japanischen Entwicklers Hideo Kojima, verdankt der fast 80-Jährige aktuell steigende Bekanntheit bei jungen Menschen. Insofern greifen die Rädchen in der klug komponierten Doku ineinander, fast so, wie es in Kiers Leben gewesen zu sein scheint. Dass Kier gutaussehend geblieben ist, jede Menge Erfahrungen in aller Welt gemacht hat und außerdem klug, aber pointiert zu erzählen versteht trägt zu einem inspirierenden wie instruktiven Film bei. Etwa wie er Fassbinder, als beide noch Teenager waren, in einer Bar kennengelernt hatte, lange bevor sie miteinander drehten, oder wie er Christoph Schlingensief und Tilda Swinton viel später an einer völlig anderen Bar kennenlernte, sind großes Erzähl-Kino. Und so zeichnet die Doku (Produktion: Broadview TV für WDR/Arte) nicht nur Kiers unvergleichliche, medienübergreifende Karriere nach. Sonern spiegelt darüber hinaus die Medienentwicklung der vergangenen gut 60 Jahre.

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