Als sänge da jemand über das eigene Leben - Arte-Doku über Taylor Swift

Von Katharina Zeckau (KNA)

DOKU - Zahllos sind die Rekorde, die sie gebrochen hat - erst kürzlich den zur umsatzstärksten Musiktour aller Zeiten. Taylor Swift ist DER Superstar unserer Zeit. Eine Doku macht sich auf die Suche nach ihrem Geheimnis, verharrt aber an der Oberfläche.

| KNA Mediendienst

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"Der Taylor-Swift-Effekt"

Foto: Universal Music/ZDF/KNA

Straßburg (KNA) Ein elfjähriges Mädchen auf einer Bühne. Die Fragen des neben ihr stehenden (erwachsenen) Musikers beantwortet es selbstbewusst, bekommt schließlich ein Mikrofon in die Hand gedrückt. Und dann singt sie, "Big deal" von LeAnn Rimes. Tanzt, blickt cool ins Publikum, wirft den Arm kess nach oben und das blonde Haar zur Seite, untermalt den Song mit frechen, mitreißenden Bewegungen. Die Bühnenpräsenz der Taylor Swift, sie ist bereits hier zu sehen, bei ihrem ersten größeren Auftritt vor etwa einem Vierteljahrhundert. Dieses unbestreitbare Talent wird in der Doku "Der Taylor-Swift-Effekt - Pop-Ikone und politische Hoffnungsträgerin", die Arte am 1. November von 21.45 bis 22.35 Uhr ausstrahlt, denn auch als ein zentraler Faktor für ihren phänomenalen Erfolg genannt. Außerdem: ihre Fähigkeit, Songs zu schreiben. Darin persönliche und zugleich universale Geschichten zu erzählen, die ihren mehrheitlich weiblichen Fans das Gefühl geben, da sänge jemand über das eigene Leben. Überhaupt, die Beziehung zu ihren Fans, "Swifties" genannt: Die aus Pennsylvania stammende Entertainerin nutzt deren Potenzial geschickt, setzte bei der Fanpflege etwa schon früh auf digitale Plattformen: Diejenigen, die sich dort durch besonderen Fan-Aktivismus hervortun, werden zu "persönlichen" Treffen mit ihrem Idol eingeladen. Und posten anschließend wiederum über diese Begegnung - eine Art Perpetuum mobile in Sachen Selbstmarketing. Autor und Regisseur Aaron Thiesen lässt unter anderem diese Fans zu Wort kommen - glitzernd gestylte Frauen jeden Alters, die im Juli 2024 in Amsterdam auf den Auftritt ihres Stars warten. Aber auch Kulturwissenschaftlerinnen, Musikjournalisten, eine "Celebrity-Forscherin", einen Theologen. Dazu Weggefährten Swifts wie den Pelzhändler und Country-Musiker Pat Garrett, dessen Karaoke-Wettbewerb ihr einst zu dem eingangs erwähnten Auftritt verhalf: (allzu) viele Gesprächspartner für 52 Minuten Laufzeit. Dazu stellt Thiesen jede Menge archiviertes Bildmaterial des Superstars - Konzertmitschnitte, Musikvideoschnipsel, Aufnahmen von Fantreffen oder Preisverleihungen, das krisselige Video eines Auftritts der jugendlichen Sängerin in ihrer einstigen Grundschule. Ein Swiftie scheint der Filmemacher selbst nicht unbedingt zu sein, der megaerfolgreichen Entertainerin aber durchaus zugetan. Ähnliches lässt sich über den überwiegenden Teil der Gesprächspartner im Film sagen, kritische Töne sind rar gesät. Klar, der Film setzt es sich zur Aufgabe, den "Taylor-Swift-Effekt" zu ergründen, das Geheimnis hinter ihrem Erfolg - nicht etwa deren dunkle Abgründe. Dennoch ergibt sich ein wirklich rundes Bild nur dann, wenn man auch Kritikwürdiges anspricht: Das tut hier etwa der Bamberger Kulturwissenschaftler Jörn Glasenapp, wenn er Swifts zögerliche Haltung bei ihrer öffentlichen politischen Positionierung anspricht. Damit ist er in dieser Doku allerdings recht allein auf weiter Flur. Dass etwa Fans für ihren Swift-Kult teils extreme Summen ausgeben - für Konzerttickets, Flüge, Alben und Merchandising-Artikel - wird hier zwar anhand einer Straßenumfrage angerissen; dann aber nicht weiter problematisiert. Dabei würde der - vermeintliche - Widerspruch zwischen der ultrakapitalistischen Verwertungslogik des Taylorversums und der allseits empfundenen "Authentizität" und "Nahbarkeit" der Sängerin lohnenswerte Denkansätze liefern, gerade auch mit Blick auf ihren Erfolg. Doch letztlich, so scheint's, war es Filmemachern und Redaktion dann doch wichtiger, die zigste Aufnahme aus Swifts zugegeben beeindruckenden Bühnenshows zu zeigen - sowie die Chronologie ihres Lebens und Arbeitens nachzuzeichnen. Insofern erscheint diese Doku zwar unterhaltsam, kratzt aber doch eher an der Oberfläche. Nichtsdestotrotz blitzt gelegentlich eine interessante Tiefe auf: etwa wenn der evangelische Theologe und selbsternannte Swiftie Thorsten Dietz mit feiner Distanz auf das Phänomen Taylor Swift blickt - und dabei gar etwas "Religionsähnliches" entdeckt.

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