Bonn (KNA) "Ich bin kein Roboter." Im Internet ließ sich das eine Zeitlang ziemlich einfach nachweisen, nämlich über das Auslesen einiger verschwommener Buchstaben oder das Anklicken von Hydranten, Zebrastreifen und ähnlich Elementen eines Bild-Rätsels namens "Captcha". Mit dem Siegeszug der Supercomputer, dem Einzug der "künstlichen Intelligenz", ist der Nachweis des Menschseins zur Abwehr von Bots allerdings immer schwerer geworden. Und zugleich immer öfter notwendig. Die Menschen, von denen das Near-Future-Hörspiel "Mein Leben als Spam" von Hans Christoph Böhringer erzählt, kommen aus dem Captcha-Rätseln nicht mehr heraus. Sie stehen in einem ständigen Wettstreit mit Maschinen, die sich im Internet als Menschen ausgeben, müssen digitale Bezahlvorgänge mit authentischen Geschichten aus ihrem Leben belegen, beginnen Telefonate von sich aus mit Rätseln, weil sie nie sicher sein können, dass die Stimme am anderen Ende der Leitung wirklich dem Freund oder Verwandten gehört. Hotline-Gespräche sind ohne Quiz-Fragen, "psychologische Captchas", "soziologische Captchas" und ähnliche Raffinessen erst recht undenkbar. Immerhin existiert in dieser Zukunftsvision ein "Ministerium zum Schutz menschlicher Intelligenzen", das Spamfilter aufsetzt und ständig verfeinert. Seine Mitarbeiter scheinen permanent darüber zu brüten, wie sich das Menschsein noch nachweisen lässt. Dabei nehmen sie auch wahr, dass sich nicht nur Maschinen den Menschen, sondern auch die Menschen den Maschinen angleichen. Sam (Vincent Redetzki), ein Kollege der Erzählerin Miriam (Banafshe Hourmazdi), hält das für eine Folge der "Therapie-Bots", die viele Nutzer konsultieren. Andere meinen, dass Menschen von jeher so sind, wie es Algorithmen am liebsten haben: durchschnittlich, berechenbar und unoriginell. Es fällt nur jetzt stärker als früher auf. "Mein Leben als Spam" lotet in diesem Sinne den Unterschied zwischen Mensch und Maschine aus. Ein ausgesprochen anregendes Stück. Sein einziges Manko besteht darin, dass man wie ein Luchs konzentriert hinhören muss, wenn verschiedene Gesprächsebenen gleichzeitig laufen oder Stimmen durch Effektfilter laufen. Leise Stellen sind manchmal schwer zu verstehen. Die Geschichte beginnt mit einem ehemaligen Lehrer, der seit einiger Zeit keine "Captchas" mehr bewältigen kann und darüber den Job verlor. Er heißt Oskar (Jakob Tögel) und ist wohl Opfer einer Identitätsverwechslung, steht trotz aller Sicherheitsvorkehrungen plötzlich im Ministerium und muss mühsam wieder aus dem Haus geschafft werden. Der Beamtin Miriam, die Oskar für eine Testperson hielt und in das Gebäude hineinbrachte, ist der Zwischenfall extrem peinlich. Kurz darauf findet sie sich in einer ähnlich kafkaesken Lage wie Oskar wieder. Sie darf das Ministerium nicht mehr betreten, weil das System sie nicht mehr erkennt. Sie wird auch andernorts für Spam gehalten und sucht Selbsthilfegruppen auf. In ihrer Not wendet sie sich an eine Widerstandsgruppe, die gegen Spamfilter kämpft und ihr möglicherweise - es wird sehr viel geredet, wie das bei neuen Protestbewegungen eben so ist - Zugang zu einem wichtigen Server-Raum der Behörde verschaffen kann. Dort ließe sich ihre Sperrung vielleicht aufheben. Es sind allerdings die "Maschinenrechte", die sich die Gruppe auf ihre Fahnen geschrieben hat. Um Unterstützung zu erhalten, muss sich Miriam also als Maschine ausgeben und in einer Umkehrung der gewohnten Tests auch hier die Prüfung bestehen. Sie behauptet, ein im Ministerium zu skandalösen Tätigkeiten gezwungener Spam-Bot zu sein, und regt eine Rettungsaktion für die anderen, im Ministerium noch gefangenen Sklaven-Bots an. Was für eine irre Geschichte, entwickelt im Rahmen der "Initiative audience:first lab" des Bayrischen Rundfunks. Sie steckt bei aller Nachdenklichkeit voll witzig-absurder Momente. Friedrich Byusa Blam hat für sie einen natürlich betont digitalen Soundtrack geschrieben. Die Storyfäden wurden so behände geflochten (Dramaturgie: Katharina Agathos, Regie: Pauline Seiberlich), dass auf dem Höhepunkt der acht Folgen tatsächlich ein Hauch von Spannung entsteht. Im Kopf bleibt einem am Ende die alte Angst, dass der Mensch die Kontrolle über die Maschinen verlieren und stattdessen von ihr kontrolliert werden könnte. Aber auch eine neue Angst vor dem Verlust der eigenen Identität und die Vorstellung, dass wir eines Tages (in der Story ist es noch nicht so weit) von menschenähnlichen Robotern umgeben sein werden: Bots mit Gesichtsimitaten, realistisch bewegt. Sollte es so weit kommen, wird sich die Frage, was Menschen von Maschinen unterscheidet, noch einmal ganz anders stellen.