Berlin (KNA) Ein kinderloses Ehepaar mittleren Alters, Beate und Robert, verbringt seine Zeit miteinander, mit Verwandten und dem gewohnten Freundes- und Nachbarkreis. Was sie dabei erleben, ist mal mehr, aber oft eher weniger aufregend. Doch zwischendurch berichten alle Akteure einzeln, wortreich und ehrlicher als zuvor in die Kamera, was sie in der eben gezeigten Situation wirklich dachten und besonders: empfanden. Ein Mockumentary, also eine Persiflage dokumentarischer Formate, verknüpft mit einer Spielhandlung - ungeheuer originell ist das nicht. "Die StiNos - ganz besonders stinknormal" (ab 15. November auf Joyn abrufbar) adaptiert, wie der Abspann offenlegt, auch eine spanische Serie. Aber es ist lustig! Denn sobald man sich drauf einlässt, enthüllt sich - obwohl streng genommen wenig passiert -, wie sich auch Kleinigkeiten im Fortgang einer Nicht-Handlung ganz schön heraufschaukeln können. Vor allem erfreut in den acht gut zwanzigminütigen Folgen (Buch: Stefan Stuckmann, Anna Keil; Regie: Ivan Sainz-Pardo, Produktion: SKP Entertainment GmbH) die Diskrepanz zwischen der gelangweilten, oft aber auch unaufgeregten Ruhe in ostentativem Unglamour und immer wieder aufblitzendem, nicht nur verbalem Amüsierwillen. Sowohl das echte Ehepaar Johanna Christine Gehlen und Sebastian Bezzel, bekannt aus den "Eberhoferkrimis", in den Hauptrollen als auch die zahlreichen Nebendarsteller sind herrliche Typen. Die alle den faszinierend konsterniert-desillusionierten Blick hinkriegen. Das ist großes Gesichts-Kino. Zu einer Art Gesellschafts-Panorama wird "Die StiNos", weil im Mockumentary-Teil kleine und kleinste Rollen zu Wort kommen. Zum Beispiel Passanten, die bloß zufällig mit dazu beitrugen, dass es zum überraschenden Sex, den beide potenziell Beteiligten zumindest ihren nachträglichen Behauptungen zufolge schon ausgiebig vorhergesehen hatten, dann doch nicht kam. Aus dem Ensemble ragt Beates Freundin Paloma (Milena Dreißig) heraus, wobei das womöglich vom individuellen Geschmack abhängt - wie auch die Bewertung, welche Gags wirklich zünden. Manche sind recht böse: Wenn es zum Beispiel die Laune hebt, dass eine Taube gegen das Fenster knallt und der Nachbar dadurch bemerkt, dass viel mehr Licht in seine Wohnung fallen könnte, würde er mal das Fenster putzen. Mitunter lavieren die Gags an der Grenze zur politischen Korrektheit, wobei vor allem das Bemühen, sie bloß nicht zu überschreiten, Handlungsmotor ist. Zentrales Moment ist und bleibt aber natürlich die im deutschsprachigen Bereich ungefähr seit ProSiebens "Stromberg" gepflegte, und je nach Gusto durch die Joyn-Serie "Jerks" mit Christian Ulmen und Fahri Yardim zu relativer Perfektion getriebene Fremdscham. Hier ist es eine, dem höheren Alter und der über Jahrzehnte sozialisierten Selbstbeherrschung des agierenden Personals angemessene, dezentere Fremdscham. Was vor allem bedeutet: Bis sie wirkt, dauert es etwas länger. Auch Toneinsatz und Bildsprache - offenkundig stark vom spanischen Original "Poquita Fe" vorgegeben, wie ein Vergleich auf Youtube nahelegt - passen ins Bild. So wohnen Beate und Robert in einer bis fast ins Schwarzweiße gehenden, unbunten Wohnung. Hier fallen farbige Akzente, die manchmal neue, aus zwischenzeitlicher Überzeugung oder Pflichtgefühl angezogene Kleidungsstücke setzen, umso stärker auf. Wenn es in der sechsten Folge zu einer Art Ausbruch all des im Rahmen der Spielhandlung Unausgesprochenen kommt, das aber eher nach Antiklimax als nach dramatischer Steigerung anmutet, passt das ins unaufgeregte Bild. (Zumal vieles in den pseudo-dokumentarischen Szenen natürlich sehr wohl ausgesprochen wurde.) Dafür geht es in der siebten Folge umso höher her.