Bonn (KNA) Das war schon ein komischer Vogel, der am 21. April 1981 in der US-amerikanischen Nachtsendung "The Tomorrow Show" auftrat. Der Moderator Tom Snyder schien selbst irritiert, verlor in der Anmoderation ein paar Mal den Faden, hatte den Titel nicht parat, den sein musikalischer Gast vortragen wollte: "Another One Rides the Bus". Kommt einem bekannt vor, klingt wie der Queens-Hit "Another One Bites the Dust". Die Melodie war tatsächlich identisch, sie wurde jedoch auf dem Akkordeon gespielt, der Schlagzeuger trommelte auf dem Instrumentenkoffer, bediente Fahrradhupen und Kazoo. Der schräge Sänger und Quetschkommodenvirtuose nannte sich "Weird" Al Yankovic. "Weird", also seltsam, traf zu. Sein gesamtes Erscheinungsbild sorgte für hüpfende Augenbrauen: strubbelige Frisur, unmodische Brille, ein Oberlippenbart ähnlich dem von Errol Flynn, nur nicht annähernd so scharf konturiert, farbenfrohe Clownshose über nackten Füßen. Im Radio hatte Yankovic schon für Furore gesorgt, jetzt trat er erstmals USA-weit im Fernsehen auf, und das auch noch live. Man darf wohl sagen: Mit seinem Äußeren wurde Yankovic der Komik seiner parodistischen Songtexte gerecht. Die machten ihn alsbald berühmt. Er wurde Dauergast in den Hitparaden, und der damals noch junge Videoclip-Kanal MTV tat das Seinige, dem Schelm, der seine Musikerkollegen nach Kräften veralberte und kreuz und quer durch die Popkultur kurvte, zu weiterem Ruhm zu verhelfen. Einer seiner ersten Hits war "Ricky", basierend auf Toni Basils "Mickey". In dem Filmchen bezieht sich Yankovic auf die Figur des Ricky aus dem Sitcom-Klassiker "I Love Lucy", den er dann auch entsprechend nachahmt, im Schwarzweiß-Look der 1950er, wobei er die ohnehin nicht sonderlich subtile Komik des Originals noch einige Drehungen weitertreibt. 2022 wurde diesem Ausnahmekünstler, der auch als Schauspieler, Radiomoderator und Kinderbuchautor hervortrat, mit "Weird: Die Al Yankovic Story", einer Produktion für den Streaming-Anbieter Roku, ein filmisches Denkmal gesetzt. Die Jugend des kleinen Alfred Matthew Yankovic war hart. Musik und insbesondere die Polka galten als Teufelswerk. Heimlich kaufte die im Gegensatz zum hartherzigen Vater sanftere Mutter ihrem Al das heiß ersehnte Akkordeon. Doch der Vater kam dahinter und zerschmetterte das Instrument auf dem Fußboden. Nach dem Schulabschluss zog Al sofort von zu Hause aus und in eine Wohngemeinschaft, deren Mitglieder ihn bestärkten, eine musikalische Laufbahn einzuschlagen. Seinen ersten Bühnenauftritt absolvierte er in einer Kaschemme, in der man das Publikum schnell überzeugen musste. Anderenfalls lief man Gefahr, von der Bühne geprügelt zu werden. Zufällig war ein populärer Radiomoderator anwesend - auch Al gehörte zu seinen Fans -, der als Dr. Demento in seiner Sendung Komik, Nonsens und schräge Musiktitel präsentierte. Er förderte Al, der mit etwas Anlauf zum Weltstar wurde - doch dann von Hybris gepackt und zum Ekelpaket. Al vergraulte seine Freunde, begann eine Liebschaft mit Madonna, durchlebte eine Krise, erfuhr Läuterung und versöhnte sich wieder mit seinen Bandmitgliedern... Eine Künstlerlaufbahn wie aus dem Bilderbuch. Oder wie aus einer typischen Filmbiografie Marke Hollywood. Zu typisch, um wahr zu sein. Tatsächlich servieren Al Yankovic und sein Koautor und Regisseur, der Sitcom-Spezialist Eric Appel - er ist in einer Nebenrolle als Captain Buffoon, Al Yankovic selbst als Plattenboss Tony Scotti zu sehen - einmal mehr wüsten Schabernack. Das machen sie sehr geschickt. Bei flüchtigem Hinsehen könnte man zu Beginn noch meinen, hier werde tatsächlich Yankovics Lebensgeschichte erzählt. Aber die beiden Autoren treiben es immer doller, greifen andere Genres auf ud zweigen nach einer guten Stunde Richtung Actionfilm ab. Madonna wird entführt und Al zum Nahkampfhelden. Akrobatisch wie ein Jackie Chan oder Jet Li setzt er eine ganze Horde übermächtiger Gegner außer Gefecht und zertrümmert einen Imbiss. Derweil wird Madonna von Pablo Escobars Schergen in den südamerikanischen Urwald entführt. Denn Escobar ist Fan von Al und will ihn so zu einem Auftritt zwingen. Al aber greift zu den Waffen. "Weird: Die Al Yankovic Story" ist reich an mal flachen, mal feinsinnigen Anspielungen. In einer Szene steht Al auf der Bühne, trägt eine enge Lederhose, sein Oberkörper ist nackt. Er beginnt sein Publikum zu beschimpfen, die irritierte Band beginnt eine Improvisation. Wer sich noch an Jim Morrison erinnern kann, weiß, worauf sich diese Szene bezieht. Das Beispiel zeigt: Der Film bereitet durchaus Vergnügen, sofern die Zuschauerschaft über gehobene Kenntnisse der Populärkultur verfügt. Ansonsten wird vieles albern wirken, vielleicht gar nicht mal zum Lachen. Filmkritikerinnen und -kritiker verfügen natürlich über das nötige Wissen und verliehen "Weird: Die Al Yankovic Story" den Critics Choice Award in der Sparte "Best Movie Made for Television". Der tatsächlich überzeugende Hauptdarsteller Daniel Radcliffe, hier weit entfernt von seiner Paraderolle Harry Potter, bekam ebenfalls eine Trophäe zuerkannt. Die Ernte bei den Emmys belief sich auf acht Nominierungen und zwei Gewinne. Neben Radcliffe agieren Evan Rachel Wood als Madonna, Rainn Wilson als Dr. Demento, Julianne Nicholson als Alfreds Mutter Mary. Der Late-Night-Moderator Conan O'Brien verwandelt sich in Andy Warhol. Coolio, der eine Zeit lang mit Yankovic im Streit lag, absolviert einen kurzen Gastauftritt. Auch gut zu wissen: Das eigentliche Finale ist im Abspann versteckt! Bedauerlicherweise wurde auf die deutsche Synchronisation nicht sehr viel Sorgfalt verwendet und neben anderen Übersetzungssünden tatsächlich das amerikanische "self-titled" gedankenlos mit "selbst betitelt" übersetzt. Ob Al Yankovic das fragliche Album selbst betitelt hat, erfahren wir nicht. Das ist auch gar nicht das Thema. Gemeint ist: Es wurde nur unter Nennung seines Namens veröffentlicht. Also unbetitelt.