"Tagesspiegel"-Herausgeber will mehr Dialog mit der Leserschaft

Wer journalistisch tätig ist, kommt an hasserfüllten Nachrichten kaum vorbei. Lorenz Maroldt, Herausgeber des "Tagesspiegel" plädiert dennoch für freundliche Antworten auf beleidigende Leserpost.

| KNA Mediendienst

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Trier (KNA) Der Herausgeber der Berliner Zeitung "Tagesspiegel", Lorenz Maroldt, plädiert für mehr Dialog zwischen Journalismus und Leserschaft. Bei einer Konferenz der Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik in Trier beklagte Maroldt am Freitag Fehlentwicklungen, die im Journalismus seiner Ansicht nach in den vergangenen Jahren zugenommen habe. Die Beschäftigten der Medienbranche forderte er unter anderem zu mehr Austausch mit dem Publikum auf. "Der Ton der Kommunikation uns gegenüber hat sich enorm verschärft in den letzten Jahren", sagte Maroldt, der den "Tagesspiegel" bis 2024 als Chefredakteur verantwortete und Anfang des Jahres auf den Posten des Herausgebers der zum Stuttgarter Holtzbrinck-Konzern gehörenden Zeitung wechselte. Die klassische Reaktion von stolzen Journalistinnen und Journalisten sei, jede Leser-Mail, die auch nur einen Anflug von Beleidigungen aufweise, sofort in den Mülleimer zu befördern. "Ich habe vor vielen Jahren angefangen, mir anzugewöhnen - und das kostet Überwindung -, sehr, sehr freundlich auf solche Mails zu antworten", so Maroldt. Wenn man freundlich und sachlich antworte, komme in zwei Dritteln aller Fälle, bei denen man vorher sage, dieser Mensch sei für die Demokratie verloren, eine eher kleinlaute Mail. Darin lese er dann Ausdrücke wie: "Lieber Herr Maroldt, wenn ich gewusst hätte, dass meine Mail überhaupt gelesen wird, hätte ich mich selbstverständlich von Anfang an anders ausgedrückt." So komme man mit den Menschen in die Diskussion und "das ist wahnsinnig wichtig", so Maroldt weiter. Außerdem wünscht sich der 1962 in Köln geborene Journalist von Reporterinnen und Reportern mehr Transparenz, mehr eigene Recherche und weniger oberflächliche Arbeit: "Ich stelle fest, dass hier viele nicht ganz faktensicher sind und manchmal auch voreingenommen." Daher plädiere er auch für eine Entschleunigung des Journalismus: "Wer ständig mit Höchstgeschwindigkeit unterwegs ist, ermüdet sich und ermüdet auch andere und macht natürlich auch Fehler", sagte Maroldt. Den sogenannten Haltungsjournalismus seiht er kritisch: "Wer sich über jeden Spruch erregt, beispielsweise von Trump, der übersieht das Wesentliche." Statt zu versuchen, zu verstehen, warum sich in den USA so viele klassische Wählergruppen der Demokraten von der Partei abgewendet hätten, sei in den Nachrichten vor allem Hoffnung zu vernehmen gewesen, dass Kamala Harris es vielleicht doch schaffen könnte. "Ent-pört euch", forderte Maroldt von seinen Kolleginnen und Kollegen. Das gelte beispielsweise auch für die Berichterstattung des Recherchenetzwerks Correctiv über die Konferenz in Potsdam: "Ich fand das eine sehr wichtige journalistische Arbeit, aber war daraus passiert ist, war extrem kontraproduktiv, weil natürlich im Nachgang jede Unklarheit und jede Übertreibung komplett ins Gegenteil umschlägt und die ganze Arbeit diskreditiert." Dies sei völlig überflüssig gewesen. Umgekehrt brauche aber auch der Journalismus auch Unterstützung: "Mir begegnen zunehmend Menschen, die ich eigentlich ernst nehme, die mir allen Ernstes wahr machen wollen, sie bräuchten für Informationen kein Geld auszugeben." Wer glaube, es genüge, sich über kostenlose Portale oder soziale Medien zu informieren, unterliege einem Irrtum. "Meine Bitte: Unterstützen Sie diese Menschen, die diese Arbeit tun", sagte Maroldt.

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