"Stimmung am Tiefpunkt" - Geschäftsführung kündigt Personalabbau im Stuttgarter Pressehaus an

Von Jana Ballweber (KNA)

PRESSE - Mitten in den seit Monaten schwelenden Tarifkonflikt bei Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten platzt die nächste Hiobsbotschaft für die Belegschaft. 15 Prozent der Stellen sollen wegfallen. Hintergrund sind laut Verlag Kostensteigerungen.

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"Stuttgarter Zeitung"

Foto: imageBROKER/Michael Weber/Imago/KNA

Stuttgart (KNA) Die "Stuttgarter Zeitung" und die "Stuttgarter Nachrichten" kommen nicht zur Ruhe. Zusätzlich zum seit Monaten schwelende Tarifkonflikt mit inzwischen über einem Dutzend Streiktagen hat die Geschäftsführung am Montag einen deutlichen Personalabbau verkündet. Bis 2027 sollen 45 Stellen eingespart werden, pro Jahr jeweils fünf Prozent der aktuellen Belegschaft. Die schlechten Nachrichten wurden der Belegschaft am Dienstag in einer Konferenz übermittelt. Der Abbau des Personals soll demnach sozialverträglich und nach Möglichkeit ohne Kündigungen ablaufen, berichten Mitarbeiter aus dem Gespräch mit der Geschäftsführung. In den Abbauplänen seien reguläre Renteneintritte schon enthalten, die freiwerdenden Stellen sollen nur teilweise nachbesetzt werden. Zusätzlich seien ein Vorruhestandsmodell und ein Freiwilligenprogramm geplant, sagte ein Sprecher der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH), zu der die Blätter gehören, dem KNA-Mediendienst. In welchem Bereich die Stellen eingespart werden sollen, habe die Geschäftsführung noch nicht bekannt gegeben, heißt es aus der Redaktion, nur dass "möglichst wenige Reporterinnen und Reporter" gehen sollen. Hintergrund des Programms sind laut SWMH Kostensteigerungen, zum Beispiel in den Bereichen Mindestlohn, Energie und Personalkosten, sowie der kontinuierliche Rückgang der Print-Umsätze. "Mit dem Programm wollen die Verlage ihre Investitionsfähigkeit erhalten, um die strategisch wichtigen Bereiche - besonders die digitale Entwicklung - weiterhin zu fördern", so der Sprecher. Der Betriebsrat wünscht sich von der Geschäftsführung mehr Sicherheit: "Der Arbeitgeber soll betriebsbedingte Kündigungen ausschließen", sagte der Betriebsratsvorsitzende Michael Trauthig dem KNA-Mediendienst. Er gehe zwar aufgrund der Altersstruktur der Redaktion davon aus, dass die allermeisten Stellen ohne Kündigung abgebaut werden können. Sorgen mache ihm aber vor allem ein Bereich: "In der optischen Abteilung sind die Kollegen wesentlich jünger und unter Umständen prozentual stärker vom Stellenabbau betroffen." In der Redaktion werde gerade mit einem KI-System für ein automatisiertes Layout experimentiert. Beschäftigte gehen im Gespräch davon aus, dass die KI relativ viele Blattmacher-Stellen überflüssig machen soll. Der Verlag habe den Personalabbau zwar nicht mit dem KI-Projekt in Verbindung gebracht. Auf KNA-Anfrage äußerte sich die SWMH nicht dazu. Trauthig ist trotzdem überzeugt, dass ein Zusammenhang besteht: "Dieses Abbauprogramm würde unsere Inhalte und unsere Produktion zu stark beschädigen, wenn man nicht über eine Automatisierung von Prozessen tatsächlich Effizienzgewinne erzielt." Für ihn sei das Sparprogramm zum jetzigen Zeitpunkt eine Überraschung, so Trauthig: "Im Rahmen der Tarifauseinandersetzung, die es derzeit im Haus gibt, gab es kurz vor Weihnachten eine unschöne Auseinandersetzung zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat. Im Zuge dessen hat der Arbeitgeber angekündigt, dass er gerne mit dem Betriebsrat über Verbesserungen der Konditionen bei der Zeitungsgruppe Stuttgart sprechen würde." Parallel zu den angekündigten Kürzungen befinden sich Belegschaft und Geschäftsführung seit Monaten in einem Tarifkonflikt. Seit Juni wird regelmäßig gestreikt - bislang ohne Ergebnis. Die Geschäftsführung reagiere nicht auf Gesprächsangebote der Gewerkschaften, so der Betriebsrat. Die Auseinandersetzung dreht sich vor allem um ungleiche Bezahlungen innerhalb des Unternehmens. Wer neu eingestellt wird, wird bei einer anderen Gesellschaft beschäftigt als altgediente Mitarbeiter. Während die Dienstälteren noch nach Flächentarifvertrag bezahlt werden, sind die Angestellten der neuen Zeitungsgruppe Stuttgart prinzipiell ohne Tarifbindung beschäftigt. "Unter Verbesserung von Arbeitsbedingungen stelle ich mir etwas anderes vor als ein Stellenabbauprogramm. Das passt für mich nicht zusammen", so Trauthig und verweist auf das Gesprächsangebot der Geschäftsführung vor Weihnachten. Stattdessen kam jetzt nach wenigen Wochen die neue Hiobsbotschaft. Gleichzeitig schaffe der Verlag gerade sechs neue Positionen für Führungskräfte, sagt Trathig - auch das passe nicht, wenn gleichzeitig Stellen abgebaut werden sollen. Dass die Geschäftsführung Gespräche mit den Gewerkschaften bislang komplett abgelehnt habe, sei aus Sicht des Betriebsrats unverständlich, so Trauthig. Aus der Redaktion ist zu hören, dass nun mit weiteren Streiks zu rechnen sei, bei denen man eine noch höhere Beteiligung erwarte als bei den vergangenen Aktionen. Die Gewerkschaft Verdi kritisierte die Schritte und bezeichnete sie in einer Pressemitteilung als "strategischen Fehler". Seit 2015 habe das Pressehaus in insgesamt vier Personalabbauprogrammen rund ein Drittel des Personals verloren. Uwe Kreft, der als Verdi-Sekretär für das Medienhaus zuständig ist, sagte: "Wir haben inzwischen eine derartige Ausdünnung der Redaktionen, dass ein sozialverträglicher Personalabbau kaum mehr möglich ist. Denn für die verbleibenden Beschäftigten werden die Arbeitsbedingungen immer unsozialer." Druck und Arbeitsverdichtung werden Kreft zufolge weiter zunehmen, der eigene Anspruch an die Arbeit werde immer häufiger scheitern. Die Stimmung im Pressehaus sei an einem Tiefpunkt angekommen, so Kreft weiter. Das bestätigen Mitarbeiter dem KNA-Mediendienst: "Es herrscht der Eindruck, dass am Journalismus gespart wird, und damit am Ende auch an der Zukunftsfähigkeit". Es herrsche zudem große Skepsis, ob die Stellen für Reporterinnen und Reporter tatsächlich weitestgehend erhalten bleiben, so der Mitarbeiter weiter. Verständnis habe in der Konferenz niemand für die Maßnahmen geäußert, so ein weiterer Kollege: "Die Leute haben nicht damit gerechnet, dass etwas Derartiges verkündet wird. Sie sind frustriert, dass das Unternehmen offensichtlich nicht in der Lage ist, eine Strategie zu entwickeln, die Personalabbaurunden nicht zu einer permanenten Begleiterscheinung ihres Arbeitsalltags machen."

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