Hoffnung auf Rückenwind - ProSiebenSat.1 und RTL setzen 2025 aufs Streaming-Geschäft

Von Manuel Weis (KNA)

PRIVATFERNSEHEN - Als Privatsender sind ProSieben, RTL und Co. vom Werbemarkt abhängig. Bis der wieder richtig anspringt, tanzen die Medienkonzerne auf dem schmalen Grat zwischen Altbewährtem und neuen Strategien.

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"Ich bin ein Star - holt mich hier raus"

Foto: Pascal Bünning/RTL/KNA

Bonn (KNA) Wer mit Rückenwind unterwegs ist, kommt meist besser voran. Doch das Jahr 2025 startete weder für die RTL- noch für die ProSiebenSat.1-Gruppe mit merklichem Rückenwind. Zwar hatte sich die Situation am TV-Werbemarkt 2024 etwas aufgehellt (plus 5,1 Prozent gegenüber 2023), doch insbesondere der Dezember hat den Managerinnen und Managern wieder mächtig die Laune verhagelt. Zu schlecht ist die wirtschaftliche Gesamtlage in der Bundesrepublik - das schlägt sich trotz Weihnachtszeit im Werbemarkt nieder, der im Dezember 2024 um über acht Prozent schwächer war als im Vorjahresmonat. Bei RTL heißt es hoffnungsvoll, man investiere auch in wirtschaftlich angespannten Zeiten weiter "stark" - die Rede ist von mehr als einer Milliarde Euro jährlich: Markt und Aufmerksamkeit des Publikums seien auch 2025 hart umkämpft. Mit Blick auf die kommenden Wochen schießt RTL insbesondere in den jetzt noch kälteren Wochen aus vollen Rohren - mit Sondersendungen zur Wahl, dem ESC-Casting von Stefan Raab, "Let's Dance" und anderen Formaten. RTL hat Erfolge zu verteidigen. Denn mit Blick auf die Quoten hätte 2024 kaum besser laufen können. "Wir haben das Jahr nicht nur als Nummer 1 der Privatsender beendet, wir hatten auch das erfolgreichste Jahr seit 2020 und konnten als einziger privater Sender in allen relevanten Zielgruppen zulegen. Mit der ganzen RTL-Sendergruppe ist es uns außerdem gelungen, den Vorsprung auf ProSiebenSat.1 auszubauen. Wenn wir Ende 2025 eine ähnlich positive Bilanz ziehen können, sind wir absolut zufrieden", heißt es auf KNA-Nachfrage aus Köln. Auf 27,6 Prozent (Zielgruppe 14-49 Jahre) kamen die RTL-Sender im vergangenen Jahr, ProSiebenSat.1-Programme landeten bei 22,2 Prozent. Das ist bitter für den Medienkonzern mit Sitz in Unterföhring bei München, wo insbesondere die Performance von ProSieben besser sein könnte. 2024 war doch das Jahr, in dem die zusätzlichen rund 80 Millionen für lokales Programm endlich zur Verfügung standen. Mehr Investitionen in eigene Stoffe, das hatte zuvor unter anderem Gesellschafter Media for Europe, also der italienische Berlusconi-Konzern gefordert. Spürbar konnten insbesondere Sat.1 und Joyn mehr Programm produzieren - der Gruppe gesamt damit aber nicht helfen. Immerhin: Glaubt man ProSiebenSat.1-Zahlen, dann ist Joyn damit merklich in Schwung geraten. Mit dem Streamer gibt man sich in Unterföhring, insbesondere nach einem starkem Dezember, wo man sogar kurzzeitig RTL+ übertrumpfte, sehr zufrieden. Ansonsten gilt die Lage laut Beobachtern als angespannt. Insbesondere MFE übt Druck auf den Vorstand aus. Es geht dabei um den Verkauf von Aktivitäten, die nichts mit dem TV-Geschäft zu tun haben - also Verivox oder Flaconi. Die Italiener wollen diese lieber heute als morgen abstoßen, der P7S1-Vorstand hingegen möchte gutes Geld haben - und sagt: Mit einem Schnellschuss ließe sich das kaum erzielen. Es sind also interne Richtungsstreits, mit denen das Führungspersonal beschäftigt ist. Zudem gilt es längst nicht als ausgeschlossen, dass MFE die Gesamtübernahme des Konzerns anstrebt. Aktuell hält MFE 29,99 Prozent der Aktien - bei weiteren Zukäufen müsste ein Übernahmeangebot erfolgen, für sich die Italiener - glaubt man Spekulationen - schon mal Geld besorgt haben sollen. Die MFE ist also beteiligt an einer Gruppe, die jüngst mit Blick auf die veränderten Nutzungsverhalten die Prämisse "Alles auf Joyn" ausgegeben hat und für den Streamer neben Soaps (u.a. "Die Landarztpraxis") auch zahlreiche Reality-Formate hat herstellen lassen. In diese Richtung soll es weitergehen. Sat.1 hat bereits mehr und Neues genau dieses Genres in Aussicht gestellt. Zu beobachten ist bei allen drei großen Privaten aber die Bedeutung der so genannten Best-Brands. Seit vielen Jahren sind es die gleichen Formate, die verlässlich hohe Quoten bringen. Joko und Klaas sind es bei ProSieben. "GNTM" wird im Frühjahr gleich zwei Sendeplätze pro Woche einnehmen, so wie aktuell schon "TV total". Sat.1 hat längst mehr von "Promi Big Brother" versprochen und will sein "Frühstücksfernsehen" ab März auch samstags zeigen. RTL baut auf das Dschungelcamp, "Bachelor", "Wer wird Millionär?" und Co. Dass die Stefan-Raab-Show "Stefan und Bully gegen irgendson Schnulli" kurz vor Weihnachten mit annähernd 20 Prozent Zielgruppen-Marktanteil einstartete, ist ein Segen für die Kölner. Denn nicht alle langlaufenden Formate sind noch topfit. Einstige Aushängeschilder wie "DSDS" oder "Das Supertalent" sind inzwischen weit weniger populär als noch vor zehn Jahren. Ein Phänomen, das auch ProSieben gerade schmerzhaft bei "The Masked Singer" erlebt. Erstmals konnte im letzten Herbst nicht mehr von einem Erfolg die Rede sein. 2025 wird es für alle großen Privaten also darum gehen, einerseits mit Best-Brands verlässliche Umfelder für den Werbemarkt anzubieten, andererseits mit neuer Ware aber wichtige strategische Weichen für die Zukunft zu stellen. Ausgang: Ungewiss. Auch deshalb könnte sich die vermehrte Fokussierung von RTL auf den eigenen Streamer RTL+ als richtig erweisen. Dieser wird nun bis 2030 Teil von fast allen Tarifen von MagentaTV (dem TV-Angebot der Telekom) sein. Das bringt dem Streamer eine Vielzahl an zusätzlichen Kunden und wichtige Reichweite. Es ist ein Pfeiler auf dem Weg zum großen Ziel. "Wir wollen bis Ende 2026 mit RTL+ profitabel sein", erklärt eine Sprecherin auf Anfrage. Gelingt das, dann wäre wirklich wieder von Rückenwind die Rede. 2025 bleibt für die Privaten aber erst einmal ein Jahr der vielen Unwägbarkeiten. Für ProSiebenSat.1 kommt besonders noch die Frage nach dem Kurs von MFE dazu - Ende vergangener Woche kündigte der bisherige ProSiebenSat.1-Aufsichtsratsvorsitzende Andreas Wiehle an, keine weitere Amtszeit anzustreben und Ende Mai abzutreten. Was beide großen Gruppen - bei aller Unterschiedlichkeit - eint, ist die Hoffnung. Hoffnung auf einen endlich nachhaltig anspringenden Werbemarkt.

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