Zwischen Sparkurs und Skandal - RBB ringt um die Zukunft von Personal und Programm

Von Joachim Huber (KNA)

RUNDFUNK - Seit Jahren schlittert der RBB von Skandal zu Skandal. Der Ärger rund um Ex-Intendantin Patricia Schlesinger beschäftigt die Anstalt bis heute, dazu kommt das redaktionelle Versagen im Fall Gelbhaar. Wie will der Sender die Kurve kriegen?

| KNA Mediendienst

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Foto: KNA/KNA

Berlin (KNA) Es ist schon verblüffend. Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) rechnet im Jahr 2025 mit Rekordeinnahmen von 542 Millionen Euro. Gegenüber 2024 ist das eine Steigerung von knapp 80 Millionen Euro. Der Löwenanteil kommt aus den Rundfunkbeiträgen. Zuzug in die Region, ein Mehr an Haushalten und ein erneuter Meldedatenabgleich der Einwohnermeldeämter sind dafür die wesentlichen Faktoren. Der öffentlich-rechtliche Sender wird nach eigenen Angaben dieses Jahr mit einem Überschuss von 9,1 Millionen Euro abschließen. Was nach den Saus-und-Braus-Jahren der Intendanz Patricia Schlesinger als Ergebnis sehr soliden Wirtschaftens anerkannt werden kann, hilft dem RBB trotzdem nicht aus der Finanzklemme. Intendantin Ulrike Demmer verkündete deswegen Ende Januar einen harten Sparkurs. Neun Millionen Euro weniger werde der RBB ausgeben, um seine Zahlungsfähigkeit ab 2026 zu sichern, weitere 13 Millionen müssten zusätzlich aus dem Senderetat raus. 2900 Beschäftigte hat der RBB, davon sind 1600 festangestellt. Die Personalkosten bezifferte Demmer auf 30 Prozent der Aufwendungen, im Schnitt der übrigen acht ARD-Anstalten seien es nur 15 Prozent. Die Analyse ist klar: Der RBB lebt über seine Verhältnisse, zu viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter produzieren zu teuer fünf Hörfunkprogramme, ein drittes TV-Programm, bestücken Plattformen, liefern der ARD zu. Die Gehälter sind, wie der stets RBB-kritische Landesrechnungshof ausgerechnet hat, im Vergleich mit dem öffentlichen Dienst deutlich höher, geradezu üppig. Im RBB wird schnell und konsequent in höhere und hohe Euro-Etagen aufgestiegen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Standorten Berlin und Potsdam, in den fünf Regionalbüros und in verschiedenen ARD-Einrichtungen können über ihre Entlohnung nicht klagen. Was da seit der Fusion von Sender Freies Berlin und Ostdeutschem Rundfunk Brandenburg 2003 an offensichtlicher Fettleber angewachsen ist, muss jetzt wieder abgeschmolzen werden. Welche Bereiche von den Stellenstreichungen betroffen sein werden, hat Demmer noch nicht verraten. Sozialverträglich soll es passieren, Kündigungen werden nicht ausgeschlossen, Gewerkschaften und Journalistenverbände protestieren und wollen den Abbau vor allem in den Chefetagen verwirklicht sehen. Die Sanierung der Senderfinanzen wird ein langer, schmerzhafter, konfliktreicher Prozess. Das RBB-Direktorium wird dabei um wesentliche Fragen nicht herumkommen. Wenn der Sender die Reduktion der Personalkosten mit einem Aufbau der Programmausgaben verbinden will, muss der Sparkurs einen Programmkompass bekommen. Demmer hat schon öfters von einem Zielbild 2025 gesprochen, geliefert hat sie es bislang nicht. Wenn die Intendantin im Verbund mit Programmdirektorin Katrin Günther und Verwaltungsdirektorin Nicole Küchler-Stahn aus einer öffentlich-rechtlichen Versorgungsanstalt ein Programm-Powerhaus machen will, braucht es eine überzeugende Vision, womit der eigentliche Daseinszweck des Senders - Programm, Programm und nochmals Programm - erfüllt sein soll. Hörfunk, Fernsehen, Digitalangebote, Plattformen, Podcasts von A bis Z - es gibt keinen Ausspielweg, den der RBB nicht nutzt. Auch dieser ARD-Sender ist von der Überzeugung beseelt, dass eine Rundum-Versorgung aller Beitragszahler dem Vorwurf des einzelnen Beitragszahlers am besten begegnet, er könne zu seinem Ärger einfach nicht das sehen, hören und lesen, was seinen Erwartungen am meisten entspricht. Das wird dem RBB in der aktuellen finanziellen Lage so wenig gelingen wie Sisyphus den Stein auf den Berg zu schleppen. Und weil im Rundfunk Berlin-Brandenburg das Personal die Ausgaben dominiert, ist die Programmleistung angezählt. Nicht in allen Bereichen, im Hörfunk steht die Mehrzahl der Wellen glänzend da. Laut der Media-Analyse II/2024 hat sich Radio Eins an die Spitze der meistgehörten Wellen in Berlin gesendet, Antenne Brandenburg besetzt diese Position in Brandenburg und in der Region. Die Nachfrage nach den RBB-Angeboten reflektiert auch die Schwäche der einfallslosen Privatangebote, aber der RBB-Hörfunk hat zusammen mit einem stabilen Inforadio eine Palette an attraktiven Hörfunkangeboten, während sich das Kulturradio, was mittlerweile Radio 3 heißt, zu Tode reformieren darf. Die Vitalität des RBB-Hörfunks korrespondiert mit der Agonie des RBB-Fernsehens. Hier hat sich der Mentalitätswechsel - Patricia Schlesinger wollte einen "Hauptsender", Ulrike Demmer hat die Losung "Heimatsender" ausgegeben - noch nicht positiv ausgewirkt. Zwar konnte der Vorabend mit "Der Tag" stabilisiert werden, zwar sind "Abendschau" und "Brandenburg aktuell" Quotenfaktoren sondergleichen, danach aber lichtet sich das Feld der Programmerfolge rapide. Bis zu "rbb 24" um 21 Uhr 45 wird ein regionales Allerlei geboten, wird mit "Wir müssen reden" vor allem der Brandenburger vor Kamera und Mikrofon geholt, was davon aber besitzt in diesem Pflichtprogramm Premium-Qualität? Nach 22 Uhr abgefilmter Hörfunk, Wiederholung über Wiederholung? Im Februar 2025 ist das RBB-Fernsehen mit sechs Prozent Marktanteil in seinem Sendegebiet Vorletzter im Ranking aller Dritten Programme. Zwei "Tatorte", ein "Polizeiruf 110", das sind die spärlichen fiktionalen Programmmarken des RBB im Ersten. Filmchefin Cooky Ziesche hat den Sender verlassen, im Sommer 2024 ging auch die erst Anfang 2023 nach Schlesingers Abgang zur RBB-Programmdirektorin aufgestiegene Martina Zöllner. Zwar ist da noch das politische Magazin "Kontraste", da ist der notorische "Nuhr im Ersten", da sind die knappen Zulieferungen für die andere Programmformate im Hauptprogramm. Doch einen Leuchtturm können hier die wenigstens blinken sehen. Dazu kommt jetzt noch der Fall Stefan Gelbhaar. Noch ist die Aufklärung durch die Beratungsfirma Deloitte und den ehemaligen Leiter des Investigativ-Ressorts des NDR, Stephan Wels, nicht geleistet. Doch was sich der RBB im Fall des Grünen-Politikers und Bundestagsabgeordneten im Rausch eigener und angeblicher Recherche- und Reenactment-Vollkommenheit geleistet hat, hat alles Zeug zu einem journalistischen Desaster. Sehr wahrscheinlich, dass die fehlerhafte Berichterstattung den Ruf und die politische Karriere des Politikers mitruiniert hat. Bei aller Fehleranalyse wird die Frage nach Verantwortung und Verantwortlichkeiten aufgerufen werden - und damit die potenzielle Fehlleistung von Chefredakteur David Biesinger. Der erklärt bislang, mit der Sache wenig zu tun gehabt zu haben, die Verantwortung liege vielmehr bei der Redaktion. Ein ungewöhnlicher Ansatz für einen Chefredakteur. Ende Februar soll es Resultate geben. Für die Arbeit von Deloitte und Co. hat der RBB bis zu 60.000 Euro eingestellt. Der Programmausschuss des Rundfunkrats will sich schon vorher nochmal in einer Sondersitzung am kommenden Montag mit der Causa Gelbhaar befassen - "vollständig und ohne Rücksicht auf Personen", wie sein Vorsitzender Moshe Abraham Offenberg sagt. Was Intendantin Demmer als Framing für jedwede zukünftige Programmleistung - digitale Transformation - ausgegeben hat, ist über alle öffentlich-rechtlichen wie privaten Sender hinweg ein Versuchsfeld: Welche Sendung findet linear und nicht-linear ihr Publikum, welche nur in einem Sektor, was muss welcher Darreichungsform genügen? Eine spannende Frage, der sich der RBB stellt. Grob umrissen: Wie viel Live-Hörfunk braucht es noch, wenn der Podcast blüht und gedeiht, wie viel Fernsehprogramm nach festen Tageszeiten braucht es noch, wenn die Mediathek nahezu alles immer und überall vorhält? Nur ratlos, überfordert und angeschlagen ist der Rundfunk Berlin-Brandenburg keineswegs. Die Zukunftsfragen sind gestellt, um Antworten wird sich emsig bemüht. Formate wie "Falsch, aber zu lustig" zu kreieren, das sich als Youtube-Hits herausstellt und von der "Zeit" als "die lustigste Show Deutschlands" gefeiert wird, zeigen den Weg auf. Die Lehren aus der Schlesinger-Zeit sind gezogen. Die Rundfunkpolitik, mehr in Brandenburg als in Berlin, hat mit dem neuen RBB-Staatsvertrag die Aufgaben der Kontrollorgane, sprich der Gremien, viel engmaschiger gestrickt. Was die gekündigte Intendantin Schlesinger im Faux-Pas-de-Deux mit dem gegangenen Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf zu einem Regier-System ohne Maß und Mitte ausgebaut hatte, wird nach jetziger Lage nicht wieder passieren können. Rundfunk- und Verwaltungsrat sind aufgewacht (ohne dass das vormalige Versagen bislang in größerem Umfang aufgearbeitet wurde), die Staatskanzlei in Potsdam und die Senatskanzlei in Berlin schauen mit strengerem Blick auf den Sender (die eigene Verantwortung wurde unter den Teppich gekehrt). Die Landesrechnungshöfe sind auf dem Quivive, der RBB soll jetzt als Musteranstalt des öffentlichen Rechts agieren. Patricia Schlesinger wurde gekündigt, ihr Direktorium samt und sonders abgeräumt, Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus zog, mit einer Zusage auf zwei Jahre fortgesetzter Gehaltszahlung, freiwillig von dannen. Mit Schlesinger, sämtlichen anderen Direktoren und der früheren Justiziarin befand und befindet sich der RBB in gerichtlichen Auseinandersetzungen, im Kern geht es um Anspruch auf Ruhegeld. Obwohl der RBB bei Verwaltungsdirektor Hagen Brandstätter die erste Gerichtsrunde gewonnen hatte, gab der Sender die "wirtschaftlichste Lösung" als Losung für jeden weiteren Konflikt aus. Also kann Brandstätter sein nur marginal verkürztes Ruhegeld genießen, kann Ex-Intendantin Patricia Schlesinger im Rahmen eines Güterverfahrens vor dem Landgericht Berlin darauf setzen, mit einem Verzicht auf einen gewissen Teil ihres Ruhegelds, der den vom RBB bezifferten rund 360.000 Euro Schadensersatz, 18.300 Euro Ruhegeld pro Monat überwiesen zu bekommen. Apropos Gerichtsbarkeit: Der RBB ist der einzige öffentlich-rechtliche Sender, der aktuell gleich zwei Verfassungsklagen eingereicht hat. Er nimmt im Verbund von ARD und ZDF an der Klage gegen die Länder teil, die den Anstalten den von der Beitragskommission KEF ab 1. Januar 2025 festgestellten Zuschlag um 58 Cent auf monatliche 18,94 Cent verweigern. Die Länder argumentieren, ARD und ZDF hätten genug Reserven, bis 2027 das neue Modell der Beitragsfestsetzung greifen soll. Wann das Bundesverfassungsgericht sein Urteil spricht, ist derzeit völlig offen. Die zweite Klage des RBB spielt im Sendergebiet selbst. Intendantin Demmer argumentiert, der seit 2024 geltende neue RBB-Staatsvertrag greife in dessen Rundfunkfreiheit ein. Sie nannte Vorgaben zur Zahl der Direktionen, zu neu zu schaffenden Leitungsposten bei den Landesangeboten, zu konkreten Standorten von Regionalbüros sowie zum regionalen Auseinanderschalten des TV-Programms für Berlin und Brandenburg als Beispiel. Hier sollen nun nach dem Willen der Politik zwei Programm-Kommissare, einer für Brandenburg, einer für Berlin, für Gerechtigkeit zwischen Hauptstadt und Umland sorgen. Der RBB sieht diese Forderung durch den Ausbau der Regionalbüros und durch verstärkte Berücksichtigung im RBB-Fernsehen durch die Aktion "Heimatsender" bereits erfüllt. Die RBB-Klage hat die Brandenburger Politik, nicht wirklich überraschend, wieder auf die Kiefer getrieben. Aber selbst mit einem positiven Entscheid in Karlsruhe wird der RBB nicht um seine wichtigste Antwort herumkommen: Was ist die Zukunft der öffentlich-rechtlichen Anstalt für Berlin und Brandenburg?

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