"Das Funk-Logo ist wie eine Zielscheibe auf dem Rücken" - YouTube-Format vermittelt Wünsche junger Menschen an die Politik

Von Jana Ballweber (KNA)

BUNDESTAGSWAHL - Alexander Prinz alias "Der Dunkle Parabelritter" und Friedrich Küppersbusch haben vor der Bundestagswahl Forderungen der jungen Generation eingesammelt, um die Politik damit zu konfrontieren. Ein Interview über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Hoffnung auf die Jugend und das Fehlen der AfD.

| KNA Mediendienst

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Alexander Prinz

Foto: funk/funk von ARD und ZDF/KNA

Bonn (KNA) Junge Menschen sind eine vielgesuchte und selten gefundene Zielgruppe. Medien, Politik, Aktivismus: Alle wollen Generation Z hören und von ihr gehört werden. Doch was beschäftigt junge Menschen wirklich? Um diese Frage zu beantworten, haben sich zwei zusammengetan, die auf den ersten Blick aus recht unterschiedlichen Welten stammen. Moderator Alexander Prinz - auf YouTube bekannt als "Der Dunkle Parabelritter", der mit provokanten Video-Titeln und Vorschaubildern für Aufsehen sorgt - und TV-Urgestein Friedrich Küppersbusch mit seiner Produktionsfirma Probono.tv haben vor der Wahl Reporter losgeschickt, um die Stimmen junger Menschen unter 30 einzusammeln und sie zu fragen: Was wünschst du dir? Was macht dir Hoffnung? Die Antworten sind seit dem vergangenen Wochenende auf YouTube und auf der Webseite von Funk zu sehen, das die Produktion für den MDR verantwortet hat. Im zweiten Teil, der am 20. Februar erscheint, reagieren Politikerinnen und Politiker der großen Parteien auf die Wünsche der jungen Menschen. Im Interview mit dem KNA-Mediendienst berichten Prinz und Küppersbusch, wie die Idee entstanden ist, was sie überrascht hat und wie die junge Generation ihnen Hoffnung für die Zukunft macht. KNA-Mediendienst: Wie kam die Zusammenarbeit zwischen Ihnen beiden zustande? Alexander Prinz: Wir kannten uns, weil ich die Ehre hatte, von Friedrich Küppersbusch in einem seiner Videos erwähnt zu werden, das sich wiederum auf eines meiner Videos bezogen hatte. So ist der Kontakt entstanden, sodass ich ihn und seine Produktionsfirma im Hinterkopf hatte, als wir ein spontanes Wahlprojekt umsetzen wollten. Friedrich Küppersbusch: Alex' Kanal fiel mir auf, weil er die ruppigen Usancen und Formulierungen, also alle kleinen schmutzigen Gesetze, die auf YouTube und anderen Plattformen gelten, nicht nur beherrscht, sondern auch benutzt, um danach eine sachliche Debatte zu führen. 99 Prozent der Kanäle, die so auftreten, haben vorneweg Schrott und dann kommt auch nichts anderes als "Fake News" und einseitige Propaganda. Ich fand das super sexy, diese neuen Sehgewohnheiten zwar zu bedienen, aber sie eigentlich zu benutzen, um den größtmöglichen Aufschlag für wirklich interessante und facettenreiche Debatten zu finden. MD: Wie kam die Idee für das konkrete Format zustande? Küppersbusch: Die Idee war, nicht die 58. Politikerrunde zu machen, sondern den Menschen eine Bühne zu bieten. Erst nachdem wir merkten, dass das abging wie Zäpfchen, haben wir gesagt, dass man das jetzt eigentlich mal den Mandatsträgern um die Ohren hauen sollte. Prinz: Der erste Teil des Beitrags ist ohne den zweiten Teil nicht denkbar. Wichtig war auch, dass man eine Message der Hoffnung nicht nur formuliert, sondern auch beweist, dass diese Hoffnung und diese Wünsche auch ankommen. Also haben wir uns stellvertretend auch darum gekümmert, dass die Botschaft überbracht wird. MD: Worin bestand denn die Hoffnung für das Format? Und hat sie sich erfüllt? Prinz: Ich glaube schon. Nach meiner Wahrnehmung sind die Themen, die im Wahlkampf stark sind, nicht die, die die junge Zielgruppe umtreiben. Unsere Hoffnung hat sich erfüllt, weil wir sehr viele sehr differenzierte Meinungen hören, differenzierte Wahrnehmungen der Realität. Ich glaube, dass wir da einen wirklichen Beitrag leisten konnten für die Debattenvielfalt im Wahlkampf. MD: Gleichzeitig sagen Sie als Moderator im Video auch, dass Sie es schade finden, dass sich so wenige konservative junge Leute vor die Kamera getraut haben. Wie ist das abgelaufen? Küppersbusch: Wir hatten den Reporterinnen und Reportern die beiden Leitfragen nach Wünschen und Hoffnung mitgegeben und gesagt, nur wenn das gar nicht läuft, können sie an den Schulen, an den Unis und auf den Plätzen auch sagen, dass ein Wunsch ja auch sein könne, dass etwas weg soll. Aber die Menschen wollten vor allem über Kritik an Schule sprechen, am Bildungswesen. Es gab sehr viele kluge Fragen zur beruflichen Zukunft. Das reichte dann aber auch von "Kann ich hier in zehn Jahren meine eigene Tischlerei haben?" bis zu "Mit der Schuldenbremse wird der Staat nicht genug Geld ausgeben können, damit wir eine wirtschaftliche Zukunft haben und unsere Rente bezahlen können". Es gab aber auch junge Menschen, die gesagt haben, mit Öffentlich-Rechtlichen reden wir nicht. An die sind wir tatsächlich nicht rangekommen. MD: Hat Sie das überrascht? Prinz: Ich arbeite jetzt seit einem Jahr mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zusammen und es hat mich tatsächlich überrascht, dass durch diese Verbindung manche Stimmen nicht aufgezeichnet werden konnten. Wenn ich im Zusammenhang mit meiner eigenen Arbeit Leute vor die Kamera geholt und mit kritischen Fragen konfrontiert habe, hatte ich nie Probleme. Da stellt sich natürlich die Frage, ob das nicht eine selbsterfüllende Prophezeiung ist. Wenn man nicht mehr bereit ist, mit diesem System zu sprechen, findet man in diesem System auch nicht mehr statt. Aber da gibt es offensichtlich eine Verhärtung und das finde ich sehr schade. MD: Wie fanden Sie denn die Antworten der jungen Menschen? Sowohl was die Themen angeht, aber auch Haltungen, Prioritäten, Detailfreude? Küppersbusch: Ich war beeindruckt von dem großen Wunsch nach Kompromiss, nach Mitte. Das hätte ich von einer angeblich über Soziale Medien radikalisierten Jugend definitiv nicht erwartet. Die jungen Menschen sind offenbar bemerkenswert teflonbeschichtet. Die konsumieren das vielleicht, aber ändern deswegen noch lange nicht ihre Meinung. MD: Nun gibt es ja sehr viele Formate zur Wahl und auch einige, die versuchen, sich an eine junge Zielgruppe zu richten. Was ist die Besonderheit an Ihrer Idee und was machen Sie anders? Küppersbusch: Die Besonderheit ist, dass im ersten Teil des Projekts kein einziger Politiker auftaucht. Das ist trotz des Vulkanausbruchs an Bewegtbildformaten ein absolutes Alleinstellungsmerkmal. Prinz: Dazu kommt der positive Ansatz. Auf Social Media sind wir wie etwas weniger haarige Affen, die immer darauf reagieren, wo die nächste Gefahr herkommt. Es ist ganz natürlich, dass wir auf Inhalte, die von einer Bedrohung künden, reagieren. Deswegen funktionieren negative Beiträge auf YouTube so gut, weil es an den furchtsamen Primaten appelliert. Es ist interessant, dass wir mit einem Beitrag, der Hoffnung und Positives verbreitet, nach anderthalb Tagen schon eine Viertel Millionen Aufrufe, 3.500 Kommentare und 20.000 Likes generiert hatten. MD: Der Jugend wird ja immer nachgesagt, sie würde nur noch Schnipsel konsumieren können, weil ihre Aufmerksamkeitsspanne für längere Formate gar nicht mehr ausreicht. Ihr Format dauert knapp vierzig Minuten und lässt sich auch kaum zu Ausschnitten verwerten. Wie geht das mit den Nutzungsgewohnheiten im Netz zusammen? Prinz: Das ist von der Plattform abhängig. Die Zielgruppe hat ganz klare Anforderungen an Instagram und TikTok und andere an YouTube. Dort funktionieren auch lange analytische Formate oder Video-Essays, wie ich sie sonst auf meinem Kanal mache. Wer auf YouTube kommt, nimmt sich die Zeit. MD: Wie sehen Sie denn Ihre Rolle als Moderator? Sind Sie Journalist, ein Mensch mit Meinung, der in der Öffentlichkeit steht, ein Advocatus Diaboli, der die Menschen kitzelt und versucht Gegenpositionen herauszufinden? Prinz: Advocatus Diaboli ist keine Berufsbezeichnung, aber ich sehe mich schon in dieser Funktion. Ich versuche, den Leute immer mitzugeben, dass, wenn sie gerade sauer auf mich sind, das meistens damit zusammenhängt, dass ich gerade die Gegenposition vertrete und nicht unbedingt damit, dass das jetzt das Endergebnis des Videos ist. Ich mache politische Kommunikation. Wir versuchen, den Leuten komplexe Zusammenhänge und große Themenfelder durch Recherche und Zusammenfassung leichter bekömmlich zu vermitteln. Ich versuche, meine persönliche Haltung möglichst weit rauszuhalten. Das ist ja auch der journalistische Anspruch. Ich unterliege der journalistischen Sorgfaltspflicht, nenne mich aber meistens Kommunikator, weil ich Journalismus nicht gelernt habe und mit meinem Lehramtsstudium eher mit einem pädagogischen Anspruch rangehe. MD: Gibt es einen Unterschied, wenn Sie für Funk arbeiten, im Vergleich zu Ihrem eigenen Kanal? Prinz: Die Erwartungen, die an mich gestellt werden, sind enorm gestiegen. Dieses Funk-Logo ist wie eine Zielscheibe auf dem Rücken. Da zielen deutlich mehr Leute auf mich und versuchen, etwas zu finden, um mich zu treffen. Das ist aber auch in Ordnung so, schließlich finanziert sich das dann aus dem Rundfunkbeitrag und da hat jeder ein Recht, mit zu diskutieren. MD: Wie waren denn so die Reaktionen der Politiker auf die jungen Menschen? Können Sie uns da vorab einen kleinen Einblick gewähren? Küppersbusch: Wertschätzend. Wir wollten die digital reichweitenstärksten Politikerinnen und Politiker. Bis auf eine Ausnahme haben alle zugesagt, also Robert Habeck, Karl Lauterbach, Heidi Reichinnek, Philip Amthor, Muhanad Al-Halak und Sahra Wagenknecht. Nur bei der AfD haben wir uns mit über 20 Anfragen an Alice Weidel, Tino Chrupalla und Beatrix von Storch eine blutige Nase geholt. MD: Inwiefern? Küppersbusch: Mit diesen über 20 Anfragen haben wir es geschafft, zumindest vom Büro von Frau von Storch eine Absage zu bekommen. Für uns ist es extrem wichtig, besonders sorgfältig und einladend zu sein. Das Schöne an unserem Beruf ist, dass wir unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen informieren und miteinander ins Gespräch bringen können. Wenn das boykottiert wird, ist das dramatisch. Prinz: Der Ansatz dieser Sendung war, dass man sich auf einem neutralen Grund trifft. Jeder bekommt dasselbe Video und hat eine Stunde Zeit, darauf zu reagieren. Es gibt eigentlich keinen Grund, da eine Finte zu erwarten. Jeder, der in diesem Beitrag auftritt, kommt positiv rüber, finde ich. Umso bedauerlicher, dass die AfD gerade diese Möglichkeit nicht genutzt hat, auf demselben Grund zu agieren wie alle anderen auch. MD: Es wäre Ihnen also ein Anliegen gewesen, die AfD mit dabei zu haben? Küppersbusch: Im Grunde ist es doch so: Wir sitzen alle am Lagerfeuer und werden von einer Branche informiert, die immer total große Ohren hat, ob im Unterholz ein Säbelzahntiger knistert. Wir lauschen immer nur darauf, wo die tödliche Gefahr herkommt. Und die AfD ist eine Säbelzahntigerpartei. Die wollen nicht mit uns ans Lagerfeuer, die wollen nur Aufmerksamkeit durch Bedrohung. MD: Umso interessanter wäre es gewesen, zu sehen, wie sie reagieren, wenn sie nicht mit dem Rascheln im Unterholz, sondern den Gesprächen am Lagerfeuer konfrontiert sind. Prinz: Das wäre die Hoffnung gewesen: Zu sehen, ob die Säbelzähne vielleicht dritte Zähne nimmt, die man auch mal rausnimmt. MD: Zum Schluss drehen wir den Spieß nochmal um. Sie haben junge Menschen gefragt, was ihnen Hoffnung für die Zukunft macht. Was macht Ihnen denn Hoffnung? Prinz: Auf jeden Fall die O-Töne der jungen Menschen. Da ist so viel produktives Durchschauen von Zusammenhängen, so viel Anpack-Mentalität. Natürlich gab es auch zwei, drei Aussagen, die ein bisschen getrübt waren. Aber die meisten hatten konkrete Forderungen und konkrete Vorstellungen, die zu diesen Forderungen geführt haben. Die wissen, was wie mit ihrem Leben anfangen wollen und was sie brauchen, um diese Ziele zu erreichen. Küppersbusch: Ich habe parallel zur Arbeit an dem Projekt die ganzen Wahlsendungen abgekriegt und habe mich als Staatsbürger gefragt, ob ich wirklich eine halbe Stunde zu AfD und Migration brauche. Das Format hat mich enorm darin bestärkt, zu sagen: "Ich brauche das nicht." Und es sind sehr viele Menschen da draußen, die das auch nicht brauchen. Sind wir ganz sicher, dass wir immer radikalisierungsorientierten Journalismus machen müssen? Prinz: Es bestätigt einen auch in der eigenen Arbeit, diese Art von Journalismus links liegen zu lassen und auf Diskurs und Konsens zu gehen, auf Erklärung und Common Ground. Weil sich offenbar zumindest die jungen Leute da draußen genau das wünschen.

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