Wie die Faust aufs Auge - Arte-Doku über Amerikas Kriege und Hollywoods Beitrag

Von Christian Bartels (KNA)

DOKU - In Deutschland wird gerade heftig über Verteidigungspolitik, Aufrüstung und den traditionellen Bündnispartner USA diskutiert. Bemerkenswert perfekt passt dazu eine Arte-Dokumentation, die US-amerikanische Kriege und deren mediale Darstellung kritisch beleuchtet.

| KNA Mediendienst

alt

"Amerikas Kriege"

Foto: AC Gourraud/Hikari/ARTE/KNA

Berlin (KNA) Selbstverständlich kommt im Arte-Dokumentarfilm "Amerikas Kriege" auch Donald Trump vor. Zu sehen ist er mit aktuellen Aussagen wie "Wir werden siegen wie niemals zuvor", und das mit "dem stärksten Militär, das die Welt je sah". Wie sehr ihr 90-Minüter allerdings zu den europäischen und insbesondere deutschen Debatten in diesem März 2025 passt(ab 4.3. in der Arte-Mediathek, am 11.3. linear um 20.15 Uhr), können die französischen Produzenten nicht vorausgeahnt haben. Der Blick zurück auf Kriege im Nordamerika des 19. Jahrhunderts, um kanadisches Territorium oder mit dem Nachbarstaat Mexiko, hätten noch vor kurzem eher ins Geschichtsbuch gehört. Doch seitdem Kanada zu den Gebieten gehört, die Trump eingemeinden möchte, muten sie beängstigend aktuell an. Andere Gewissheiten sind dagegen über den Haufen geworfen. Wenn der Heidelberger Historiker Manfred Berg, einer der wenigen befragten deutschen Experten im Film, sagt, die "Pax Americana" sei für die Westeuropäer im Kalten Krieg "ein Segen" gewesen, schwingt mit, dass es sich um abgeschlossene Vergangenheit handelt, die auch nur einen kleinen Teil der Welt betraf. Ob Trump im neuen Einverständnis mit Russland jahrzehntealte Schutzversprechen auf der anderen Seite des Atlantiks aufgibt, lautet derzeit eine nicht nur deutsche Sorge. So einiges, was der Offkommentar und die meist US-amerikanischen und französischen Experten äußern, wäre in Deutschland wahrscheinlich noch vor wenigen Monaten oder gar Wochen als recht antiamerikanisch empfunden worden. So wie es eben in Frankreich, das der NATO mehr als vier Jahrzehnte lang höchstens halb angehörte, sagbar ist, aber hierzulande weniger. Zum Beispiel, dass selbst Präsidenten von Eisenhower bis George W. Bush statt von "Krieg" von "Kreuzzügen" sprachen (wie der Historiker David Silbey sagt), dass die USA ihr eigenes Recht auf Gewalt stets für legitimer als das aller anderen Staaten hielten. Oder dass ihre Armee auf dem eigenen Territorium an den Ureinwohnern einen "Völkermord" begangen habe. Unter dem Eindruck der erratisch anmutenden Aussagen Trumps und seiner Entourage, etwa von Vizepräsident J.D. Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz, wandeln sich solche Einschätzungen inzwischen auch bei eingefleischten Transatlantikern in Deutschland. Nur teilweise chronologisch erzählt "Amerikas Kriege" von fast 400 Auseinandersetzungen, an denen die USA beteiligt waren, und zieht viele Querverbindungen. Visuell kann der Film aus dem Vollen schöpfen - vor allem, weil die US-Army, anders als andere Armeen mit Weltmacht-Ansprüchen, ihre eigene Macht seit Jahrzehnten offensiv mit jeweils modernsten Medien demonstriert. Eigenwerbliches Filmmaterial ist seit dem Ersten Weltkrieg im Überfluss vorhanden. Gern zeigt der Film außerdem gut besuchte Militär-Museen, zum Beispiel das zur Geschichte des B29-Flugzeugs "Enola Gay", das im August 1945 die erste Atombombe abwarf. Und ganz besonders wirkmächtig, so eine zentrale These der Doku, sei die seit dem Zweiten Weltkrieg kontinuierlich bestehende "Kameradschaft" mit Hollywood, dessen Filme nicht nur US-amerikanischen Lebensstil propagierten, sondern in zahllosen Kriegsfilmen immer wieder auch die Dominanz der US-Streitkräfte herausstelle. Wer die jeweils kurzen Filmausschnitte erkennt oder die unscheinbar eingeblendeten Titel liest, kann hier sogar noch weiterdenken. Denn selbst kritisch gemeinte und beim europäischen Publikum so empfundene Filme wie etwa Stanley Kubricks "Full Metal Jacket" erfüllen in gewisser Weise auch immer noch diese Funktion. Als 1998 Steven Spielbergs "Saving Private Ryan" weltweit in die Kinos kam, habe der Stoff sicherlich nicht ganz unbeabsichtigt ein "schmeichelhafteres Szenario für die Legendenbildung" geboten als die damals realen Golfkriege, so der Offkommentar im . Mit einer Fülle von Details springt "Amerikas Kriege" zwischen unterschiedlichen Kriegen und Epochen umher. Das wirft produktiv Fragen auf. So habe in den USA noch 1916 der Friedenswunsch wahlentscheidend gewirkt. Daher gelangte der Isolationist Woodrow Wilson ins Präsidentenamt. Dabei hatten die USA nicht mal zwei Jahrzehnte zuvor ihren ersten echten Kolonialkrieg auf einem anderen Kontinent geführt und Spanien die Philippinen abgenommen. (1917, als die Deutschland die Handelsschifffahrt im Atlantik weiter störte, führte Wilson die USA doch noch in den Ersten Weltkrieg.) Über den Philippinen-Krieg gelangt der Arte-Film dann wieder zur unmittelbaren Gegenwart: Geführt wurde er anno 1898 unter Präsident William McKinley, zu dessen Ehren der höchste Berg der USA zwar ab Ende des 19. Jahrhunderts Mount McKinley hieß, der aber später in Vergessenheit geriet. Als Präsident verfügte Barack Obama 2015 die Rückbenennung des Berges in seinen ursprünglichen Namen Denali. Was Donald Trump dazu veranlasste, den Berg gleich als eine der ersten Amtshandlungen seiner zweiten Präsidentschaft wieder in Mount McKinley umzubenennen. Trump bezieht sich sowieso gern auf McKinley, weil der die USA "sehr reich gemacht" habe. Unter anderem durch isolationistische Zölle, was der US-Präsident ja aktuell auch wieder anstrebt. Dass die Philippinen, auf denen seither stets US-Militär stationiert war und ist, im Vietnamkrieg einen Hauptstützpunkt der Amerikaner bildeten und ihre strategische Bedeutung für jeden Konflikt mit China, den viele kommen sehen, erst recht auf der Hand liegt, schwingt in der Doku allerdings nur am Rande mit. Erstaunen muss gegen Ende die beiläufige Anmerkung des Offkommentars, dass es in den USA "mit jeder Vereidigung einen Kurswechsel" auch in der Militärpolitik gebe, anders als in Russland und China, deren diktatorische Staatschefs Machtpositionen langfristiger ausbauen. Ist also die Demokratie ein Manko, gehört Autokratien die Zukunft? Viele Kontinuitätslinien, die "Amerikas Kriege" zieht, dürften in dieser Form auch Kennern der USA so nicht bekannt gewesen sein. Zum Beispiel, dass es in der dank John Wayne filmbekannten "Schlacht von Alamo" eigentlich darum ging, die Sklaverei auf zuvor mexikanisches Territorium auszuweiten. Und über vieles, was der Offkommentar und die Experten sagen, ließe sich lange streiten. Was unbedingt für den Film spricht: Er legt Kontroversen offen dar und lädt zum Diskutieren ein. Was übrigens eine Qualität von dokumentarischem Fernsehen darstellt, die französische Arte-Produktionen öfter erfüllen als die meist den Konsens simulierenden deutschen Varianten.

Lesen Sie weiter auf www.KNA-News.de