Von Chat-Pannen und Intendantenwahlen - Mehr Transparenz, bitte!

Von Steffen Grimberg (KNA)

Als besonderen Service lädt die Trump-Regierung Journalisten in geheime Chatgruppen ein, statt sie erst mühsam selbst recherchieren zu lassen. Eigentlich ein leuchtendes Beispiel für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, kommentiert KNA-Mediendienstleiter Steffen Grimberg.

| KNA Mediendienst

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Signal

Foto: Kristian Tuxen Ladegaard Berg/Imago/KNA

Berlin (KNA) Was regen sich denn jetzt alle schon wieder auf? Da hat Trumps lustige Truppe einen Journalisten mit in eine ziemlich wichtige Signal-Chatgruppe eingeladen, in der unter anderem Angriffspläne gegen die Houthi im Jemen und Fiesigkeiten über Europa ausgetauscht wurden. Das ist doch lobenswerte Transparenz, zumal es sich bei dem Journalisten um Jeffrey Goldberg handelt. Er ist Chefredakteur des Debattenmagazins "The Atlantic". Es wurde von so Ikonen wie Ralph Waldo Emerson und Henry Wadsworth Longfellow gegründet und atmet bis heute schwer die intellektuelle Seite des American Dream. Es ist daher alles andere als ein Claqueur der neuen US-Regierung unter Trump. Der "Atlantic" hat in seiner knapp 170-jährigen Geschichte nur höchst selten Wahlempfehlungen abgegeben. Die erste war für einen gewissen Abraham Lincoln, was schon ziemlich lange her ist. Die zwei letzten sind deutlich jüngeren Datums, und beide richteten sich klar gegen Trump. So viel Transparenz, und sei sie wie bei der jüngsten Posse aus dem Weißen Haus unbeabsichtigt, wünschte man sich auch mal im deutschen Mediengeschehen. Bei den anstehenden Intendantenwahlen bei der Deutschen Welle (DW) und dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) zum Beispiel. Bei der Welle wird am 7. Mai bestimmt, wer die Nachfolge von Peter Limbourg antritt, der beim deutschen Auslandssender nach zwölf recht erfolgreichen Jahren an der Spitze abtritt. Die Wahl findet in nichtöffentlicher Sitzung des Rundfunkrats statt. Und über Kandidatinnen oder Kandidaten ist so gut wie nichts bekannt. Überhaupt ist der DW-Rundfunkrat das letzte Gremium im Kreis der öffentlich-rechtlichen Anstalten, das hinter verschlossenen Türen tagt. Angesichts der Bedeutung der Welle in Zeiten von Trumps Aderlass bei der US-Auslandsmedienbehörde United States Agency for Global Media (USAGM) und der ungewissen Zukunft von Sendern wie Radio Free Europa/Radio Liberty und der Voice of America wäre mehr Durchblick nicht schlecht. Gerade bei einem Sender, der anders als ARD, ZDF und Deutschlandradio aus Steuergeldern finanziert wird und bei dem die Bundesregierung daher ein bisschen mehr mitmischt. Bis zum Freitag dieser Woche soll auch beim NDR eigentlich der Sack zugemacht werden, wer vom Verwaltungsrat der ARD-Anstalt dem Rundfunkrat zur Wahl angeboten wird. Wie der Fachdienst Medieninsider jetzt meldet, scheint die in manchen Kreisen als Favoritin gehandelte Juliane von Schwerin aber schon wieder draußen sein. Und das offenbar auf eigenen Wunsch, weil sie sich lieber weiter ums Programm kümmern will. Bleibt also Michael Kühn, der oberste NDR-Jurist, der sich vor Jahren schon mal im ARD-Generalssekretariat wacker, aber ohne größere Wirkung, auf einem intendantablen Posten versucht hat. Und ein Name, den niemand nennen will - Helge Fuhst. Der "Tagesthemen"-Mann und zweite Chefredakteur von ARD-aktuell hatte sich schon beim Rennen um die WDR-Intendanz im vergangenen Jahr ins Getümmel gestürzt und höchst achtbar geschlagen. Genauer gesagt, WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn auf die Plätze verwiesen. Dass sein Name im NDR-Machtpoker gerade so gar nicht auftaucht, lässt aufhorchen. Schließlich hatten viele sein Vortanzen beim WDR in Köln als ersten Akt des Marschs auf Hamburg gesehen. Transparenz täte auch hier not, zumal der NDR wie auch der MDR immer noch dem Prinzip "Friss oder stirb" bei der Intendantenkür anhängt. Der Verwaltungsrat - der wie bei allen ARD-Anstalten nicht-öffentlich tagt - trifft hier die eigentliche Auswahl. Der Rundfunkrat kann dann letzten Endes nur noch zustimmen - oder den Personalvorschlag des Verwaltungsrats ablehnen. In Zeiten, in denen überall im öffentlich-rechtlichen Rundfunk schwer reformiert und kollegiale Führung gefordert wird; wo es um Glaubwürdigkeit, öffentliche Teilhabe und Dialog geht, sind solch arkane Bräuche überholt. Warum also nicht auch hier einfach mal ein paar Journalisten zum internen Chat einladen? Das schafft Transparenz und weist auch Autokraten in die Schranken, wie das Beispiel aus den USA zeigt. Oder um es mit Ralph Waldo Emerson zu sagen: "A little integrity is better than any career. - Ein bisschen Integrität ist besser als jede Karriere."

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