Zürich (KNA) Die Meldung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG/SSR) vom Donnerstag dieser Woche liest sich nüchtern und klingt nach Normalbetrieb: "Die SRG schließt das Jahr 2024 mit einem Jahresergebnis von 15,3 Millionen Franken ab. Zum positiven Ergebnis beigetragen haben die Werbeeinnahmen, die aufgrund der großen Sportanlässe - und entgegen dem langfristigen Trend - höher als in einem Durchschnittsjahr ausgefallen sind, sowie der letztmals vollständig ausgerichtete Teuerungsausgleich auf der Medienabgabe. Zudem beginnen die Kostensenkungsmaßnahmen der SRG zu greifen." Doch tatsächlich muss sich die SRG/SSR wieder einmal Sorgen um die Zukunft machen. Zwar wurde die Medienabgabe schon 2021 von 365 auf 335 Franken für Privathaushalte gesenkt, was für die viersprachige SRG einen massiven Spar- und Umstrukturierungskurs bedeutete. Am kommenden Montag stimmt die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerats nun laut Tagesordnung nicht nur über den "Durchgangsbahnhof Luzern" ab, sondern unter dem Aktenzeichen Ev 22.407 s auch über die "die Verteilung der Radio- und Fernsehabgabe". Der Ständerat ist die in etwa mit dem deutschen Bundesrat vergleichbare Vertretung der Schweizer Kantone und mischt wie die deutschen Länder auch in der Medienpolitik mit. Und wie in Deutschland ist der Medienbeitrag auch in der Schweiz seit langem medien- und wirtschaftspolitischer Zankapfel. 2018 wollte die "No Billag"-Initiative die SRG/SSR per Volksentscheid ganz einstampfen lassen. Doch diese Schlacht ging verloren - knapp 72 Prozent der Schweizer "Stimmbevölkerung" votierten gegen "No Billag". Jetzt geht es formal "nur" um die Medienabgabe und ihre Höhe. Die Schweizer Regierung, der Bundesrat, hat bereits per Verordnung verfügt, sie bis 2029 in zwei Schritten auf 300 Franken abzusenken. Anders als in Deutschland wird deren Höhe nicht von einer unabhängigen Kommission ermittelt, von deren Empfehlung die zuständigen Bundesländer nur in äußert engen Grenzen abweichen können, sondern von der Regierung auf dem Verordnungswege festgelegt. Hierzu ist nicht einmal eine Befassung im Parlament nötig. Schon für 2027 fehlen der SRG nach Angaben von Nathalie Wappler 125 Millionen Franken. Die Direktorin Schweizer Radio und Fernsehen leitet die SRG in der Deutschschweiz und sagt: "Es gibt keinen Status Quo mehr". Denn auch die vom Bundesrat, also der Regierung, auf dem Verordnungsweg beschlossene Absenkung der Medienabgabe auf 300 Franken geht der Initiative "200 Franken sind genug" nicht weit genug. Sie trommelt für diese drastische Reduzierung des Beitrags und läuft daher im Volksmund unter "Halbierungsinitiative". Ihre Forderung, die in eine Volksabstimmung wie bei "No Billag" münden soll, kommt auch bei der konservativen Schweizerischen Volkspartei SVP gut an. Ein aus dem Nationalrat, also dem Parlament kommender "Gegenvorschlag" zur "Halbierungsinitiative", über den die Ständerats-Kommission jetzt befinden soll, sieht vor, die Medienabgabe für Haushalte zwar bei 335 Franken pro Jahr zu belassen. Dafür sollen Unternehmen ab 2035 gar keine Radio- und Fernsehabgaben mehr bezahlen müssen. Nach Angaben der SRG/SSR würde das rechnerisch aber auf die gleiche Absenkung ihrer Einnahmen hinauslaufen. Während die am Montag im Ständerats-Ausschuss auf der Tagesordnung stehende Entscheidung zudem nur einen sogenannten "indirekten Gegenvorschlag auf Gesetzesstufe" darstellt, handelst es sich bei einer eine Initiative dagegen um ein Verfassungsgeschäft, über das in einer Volksabstimmung befunden wird. Insider gehen davon aus, dass der oben skizzierte Kompromissvorschlag am Montag in der Ständeratskommission keine Mehrheit findet. Denn in der kleinteiligen Schweiz wissen vor allem die kleinen Kantone genau, dass sie ohne die SRG viel von ihrer überregionalen Sichtbarkeit einbüßen würden. Damit wäre der Weg frei für das "200 Franken sind genug"-Volksbegehren, über das voraussichtlich 2026 abgestimmt wird. Eine Schlüsselrolle beim Tauziehen um die SRG spielt der SVP-Politiker Albert Rösti. Der 57-Jährige wurde Ende 2022 in den Bundesrat, der Regierung auf Bundesebene, gewählt und ist Vorsteher des Eidgenössischen Departments für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) und ist damit de facto auch Schweizer Medienminister mit Zuständigkeit für die SRG/SSR. Die SVP macht schon lange keinen Hehl daraus, dass sie sich und ihre Themen nach ihrem Geschmack in der SRG zu wenig wiederfindet und sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt für zu links hält. Auf die sich seit Jahren immer weiter rechtskonservativ positionierende private Schweizer Medienlandschaft und ihre einflussreichen Blätter wie die "Neue Zürcher Zeitung" und die "Weltwoche" kann sich die SVP dabei verlassen. Wie in der Beitragsdebatte in Deutschland werden dabei auch in der Schweiz stets wirtschaftliche Argumente ins Feld geführt, die einer verantwortungsbewussten Politik eine weitere Belastung der Bürgerinnen und Bürger durch immer höhere Abgaben verbieten. Doch es geht hier nicht wirklich um wirtschaftliche Argumente, sondern um politische Kontrolle. Und den Versuch der latenten Einflussnahme auf ein wegen seiner Berichterstattung als zu unabhängig und lästig empfundenen Mediums. "Wir wissen aus Befragungen, dass die Menschen keine massiven Kürzungen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk wollen", sagt Wappler. In der Debatte gelte es deshalb, der Bevölkerung die Bedeutung der SRG aufzuzeigen. Das sieht auch der ehemalige SRG/SSR-Generaldirektor und frühere "Zeit"-Chefredakteur Roger de Weck so: "Ich bin zuversichtlich - wenn entschieden gekämpft wird, ist dieser Kampf zu gewinnen", sagt de Weck, der auch Mitglied im Zukunftsrat für die Reform der Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland war, dem KNA-Mediendienst. Doch insgesamt stehen die Zeichen auf weitere Kürzungen, und anders als in Deutschland kann die SRG/SSR nicht ein Bundesverfassungsgericht als Garanten ihrer Existenz und als Schiedsrichter anrufen, wie es gerade ARD und ZDF hierzulande wegen der ausgebliebenen Erhöhung des deutschen Rundfunkbeitrags zum Jahresanfang tun. Denn zum einen hat die SRG/SSR keinen Verfassungsrang wie die öffentlich-rechtlichen Anstalten in Deutschland, sondern ist formal ein privatrechtlicher Verein und sendet aufgrund einer Konzession des Schweizer Bundesstaats, die ihr den Auftrag überträgt, den "Service public" zu organisieren. Zum anderen hat die Schweiz gar kein Verfassungsgericht. Das heißt: Anders als die deutschen Rundfunkanstalten kann die SRG/SSR sehr wohl insolvent gehen - oder einfach abgeschafft werden. Die Situation ist einigermaßen paradox: Deutlich mehr noch als der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ist die SRG/SSR in der Schweiz eine der wichtigsten Institutionen, um die viersprachige Eidgenossenschaft zusammenzuhalten. Sie funktioniert auch als effektiver Finanzausgleich der Regionen untereinander: Die meisten Einnahmen, rund 70 Prozent, werden in der Deutschschweiz mit ihren 21 Kantonen erzielt, der deutschsprachige Zweig der SRG ist auch der größte, kann von seinen Einnahmen aber nur 43 Prozent direkt bei und für sich ausgeben. Der Rest fließt an die SSR, also die Radio Télévision Suisse für die viel kleinere, französischsprachige Westschweiz sowie die auf Italienisch sendende Radiotelevisione Svizzera im Tessin und die Radiotelevisiun Svizra Rumantscha der räteromanischen Minderheit. Die drei latinischen Sprachgruppen profitieren am meisten von der SRG/SSR, im Tessin ist die SSR zweitgrößter Arbeitgeber nach dem Kanton selbst. Eine radikale Kürzung der Medienabgabe wäre gerade für diese sprachlichen Minderheiten ein herber Schlag, genau wie für die kleinen Kantone. Denn wenn die SRG/SSR mehr und mehr an Programm und Strukturen abbauen muss, verlieren die, die bereits ohnehin nicht so oft im gesamtschweizerischen Diskurs vorkommen, noch mehr an Sichtbarkeit. Das gilt auch für die vielen Verbände - vom den Volkssport Freistilringen vertretenden Eidgenössischen Schwingerverband über die Jodler und Fahnenschwinger bis zu den vielen Blasmusikkapellen, Chören und anderen Verbänden der Volkskunst. Gerade sie hatten bei der "No Billag"-Abstimmung 2018 massiv für den Erhalt der SRG/SSR gekämpft. Dass danach trotzdem bis heute ein Sparprogramm das nächste jagt, habe viele enttäuscht, sagt Wappler: "Das ist bei den Menschen komisch angekommen - wir gewinnen die Abstimmung, und trotzdem werden Leistungen abgebaut." . In direkten Gesprächen zeige sich trotzdem, dass die Unterstützung für die SRG immer noch gross sei. Jetzt kommt wenige Jahre später voraussichtlich schon die nächste Volksabstimmung über das Schicksal der SRG/SSR. Wird dieser Kreislauf nicht durchbrochen, "macht man am Ende die reformwilligste Institution substanziell kaputt", meint Wappler - und für die SRG-Mitarbeitenden sei das alles "ohnehin zermürbend". Dass die Teams in diesen anspruchsvollen Zeiten mit Sparen, Transformation und hitzigen politischen Debatten trotzdem tagtäglich hervorragenden Journalismus produzierten, sei keine Selbstverständlichkeit und mache sie sehr stolz, sagt Wappler, die auch die Debatte um die Reform der Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland sehr gut kennt. Von 2016 bis 2019 war die Deutchschweizerin Direktorin des Programmbereichs Halle beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR). Mit der Debatte über den Medienbeitrag hat die Schweiz zudem einen Teil ihres von außen nicht immer leicht zu durchschauenden Nationalkonsenses aufgegeben. Der bestand mit Blick auf die Rolle der SRG/SSR und ihres Servic public bislang darin, die Rundfunk- und Fernsehabgabe vernünftig und mit Augenmaß anzupassen - je nach Inflationsrate, Veränderungen beim Leistungskatalog und anderen, nachvollziehbaren und überprüfbaren Faktoren. Dass nun der Bundesrat mit seiner rechtsbürgerlichen Mehrheit auf dem Verordnungsweg eine massive Senkung beschlossen hat und der eigene Medienminister zumindest indirekt auch noch die weiter gehende "Halbierungs-Initiative" fördert, ist ein Bruch. Oder, wie Roger de Weck es formuliert: "Auf dem Verordnungsweg Medienpolitik zu machen und massive Einsparungen zu beschließen, ist undemokratisch!". Denn zwar erklärt Rösti heute öffentlich, die Initiative gehe zu weit. Vor seinem Aufstieg in die Regierung war er aber selbst Mitglied des Initiativkomitees, das die "Halbierungs-Initiative" lanciert hat.