Frieden heißt verhandeln - Ein Dokumentarfilm, der hoffentlich etwas bewirkt

Von Christian Bartels (KNA)

DOKU - Der 90-minütige Arte-Film "Wie Kriege enden und Frieden möglich ist" gibt anhand gelungener und gescheiterter Beispiele Ratschläge für künftige Friedensverhandlungen und verknüpft gekonnt Geschichte und Gegenwart.

| KNA Mediendienst

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"Wie Kriege enden und Frieden möglich ist"

Foto: Gerard Julien/Getty/ZDF/KNA

Berlin (KNA) "Man schließt Frieden nicht mit Freunden", lautet der erste Satz der Arte-Doku "Wie Kriege enden und Frieden möglich ist". Schon das sitzt, weil mitschwingt, dass Friedensverhandlungen, so verdienstvoll sie im Rückblick erscheinen mögen, schon wegen der unter schwierigen Bedingungen notwendigen Kompromisse zunächst weder einfach sind, noch automatisch populär. Das können sie erst werden, wenn tatsächlich Frieden einkehrt und hält. Wer den Satz tatsächlich sprach, bleibt indes unklar. In der dichten Montage der Doku sind die jeweiligen, deutsch eingesprochenen, Gesprächspartner nicht immer im Bild zu sehen. Zu ihnen zählen Verhandler bei diversen, teilweise erfolgreichen Friedensgesprächen - darunter Jan Manuel Santos, der Ex-Präsident Kolumbiens. 2016 erhielt Santos den Nobelpreis für den Friedensschluss im jahrzehntelangen Bürgerkrieg mit der linken FARC-Miliz. Inspiriert worden sei er von Nelson Mandela dem jahrzehntelang eingekerkerten südafrikanischen Freiheitskämpfer, nach dessen Freilassung es 1990 zur friedlichen Ablösung des Apartheid-Regimes kam. Von diesem Prozess berichten dann Cyril Ramaphosa, der wie Mandela für den ANC verhandelte und im Juni 2024 für eine zweite Amtszeit als Präsident Südafrikas gewählt wurde, sowie der einstige stellvertretende Polizeiminister des Apartheid-Regimes, Roelf Meyer. Durch ein zufälliges Treffen in London am Flughafen seien sie ins Gespräch gekommen. Auch als die schwierigen Verhandlungen wegen Gewalt auf allen Seiten abgebrochen wurden, gingen sie insgeheim weiter. Als Erfolgsrezept habe sich dabei auch die Entwicklung des zuvor ebenfalls weiß dominierten Rugby zu Südafrikas "Nationalsport", der in gemeinsamen Mannschaften gespielt wird, erwiesen. Nach einer Viertelstunde springt der 90-Minüter nach Israel, wo seit Jahrzehnten tobende Konflikte seit dem Hamas-Massenmord im Oktober 2023 eskalierten. "Vom Fluss bis zum Meer" formuliert der Friedensaktivist Eliaz Cohen, reichten sowohl Israel als auch Palästina. Beide Länder seien "die Weltmeister im Opfer-Sein". 1978 gab es den Friedensnobelpreis für den im US-amerikanischen Camp David erzielten, bis heute haltenden Frieden zwischen Israel und Ägypten. Camp David könnte als "Blaupause" für Frieden zwischen Israel und Palästina dienen - was freilich kein neuer Gedanke ist, sondern ein eher vergessener. Entsprechende Verhandlungen führten jedenfalls bislang gleich mehrfach nicht zu einem dauerhaften Frieden. "Politiker, die sich für Frieden vom Programm ihrer Basis lösen, gehen Gefahr ein, als Verräter zu gelten", umreißt Sergio Jaramilo vom Pariser European Institute of Peace das Dilemma. Das bekam Jitzchak Rabin zu spüren, der als israelischer Ministerpräsident 1994 gemeinsam mit Außenminister Peres und PLO-Chef Jassir Arafat den Nobelpreis erhielt - und im folgenden Jahr von einem rechtsextremen Fanatiker ermordet wurde. Im Jahr 2000 scheiterten vom damaligen US-Präsidenten Clinton angeleierte israelisch-palästinensische Verhandlungen in Camp David erneut. Womit der Film zu Lehren und Ratschlägen gelangt, die auch auf die Gegenwart zielen, in der in Europa insbesondere ein Frieden zwischen der Ukraine und dem Aggressor Russland erhofft wird. Vermittler müssten allen Parteien helfen, die Einigung zuhause als Sieg verkaufen zu können, rät etwa Federica Mogherini, die ehemalige Außenbeauftragte der EU, die als Vermittlerin beim Iran-Atomabkommen gewirkt hatte. Womit der Film in Afghanistan angekommen wäre. Hier begannen schon Ende 2001, noch im Jahr des Anschlags auf das World Trade Center und des US-amerikanischen Einmarschs, die Friedensverhandlungen auf dem Petersberg bei Bonn. Doch die Taliban fehlten: Die Amerikaner hatten ein "Gesprächsverbot" verhängt - ein zentraler Fehler, sagt Fabienne Hara vom Paris Peace Forum. Die Doku macht auch klar, dass der Zweite Weltkrieg in Europa Ausnahme ist, "nicht die Regel". Bedingungslose Kapitulationen, wie Nazi-Deutschland sie im Mai 1945 erklärte, ereignen sich selten - was bedeutet, dass alle Seiten Bedingungen akzeptieren müssen. So kommt eine ganze Menge zeithistorisch abgeleiteter und - anhand von Misserfolgen oder Erfolgen - begründeter, prägnanter Anregungen zusammen. 2019 habe der Beschluss des bereits damaligen US-Präsidenten Trump, den Afghanistan-Konflikt durch Verhandlungen mit den Taliban wiederum in Camp David zu lösen, langfristigere Friedensprozesse "gekillt". Das Doha-Abkommen mit den Taliban sei das "schlechteste Abkommen, das die USA jemals abgeschlossen haben", sagt Sergio Jaramilo in einer superlativischen Sprache, die Trump verstehen dürfte. Die Taliban hätten schon vorab gewusst, dass sie ihre Ziele ohne Zugeständnisse erreichen konnten - ähnlich, wie es Trumps bislang fruchtlosen aktuellen Bemühungen, mit Russland Frieden oder einen Waffenstillstand in der Ukraine zu erreichen, vorgeworfen wird. Hier dockt der Film sehr gelungen unmittelbar an laufende Ereignisse an. Kritisieren lässt sich wenig. Das mitschwingende Pathos, das außer unterschiedlich folkloristischer Musik auch Schnittbilder von Vogelschwärmen am Himmel evozieren sollen, lässt sich angesichts des guten Beitrags zum so wichtigen wie aktuellen Thema leicht verzeihen. Dass der eingangs gefeierte Frieden in Kolumbien nur bedingt hält und jenseits der Städte noch immer Splittergruppen kämpfen, ja massiv morden, kommt eher spät am Rande vor. Nicht besonders geschickt mag erscheinen, die "Truth and Reconciliation Commission", die in Südafrika die Untaten des Apartheid-Regimes aufarbeitete, auf deutsch schlicht als "Wahrheitskommission" zu bezeichnen. Amnestien für geständige Täter enttäuschten viele schwarze Opfer. Doch "hätte es Nürnberger Prozesse gegeben, wäre dann die Wahrheit herausgekommen?", fragt ein schwarzes Mitglied der Kommission. Das ist, neben der gescheiterten Bonner Afghanistan-Konferenz, einer der wenigen Anknüpfungspunkte an Deutschland. Auch deutsche Gesprächspartner tauchen in der deutschen Produktion (Broadview Pictures, Köln für ZDF/Arte; Regie und Buch: Jobst Knigge, Susanne Utzt, Cristina Trebbi) nicht auf - was vielleicht auch etwas über die so ambitiöse wie wenig wirkungsvolle Berliner Außenpolitik der jüngeren Vergangenheit aussagt. Und damit verknüpft der Dokumentarfilm mit dem nach Gebrauchsanweisung klingenden Titel bemerkenswert vielschichtig eines der wohl wichtigsten Themen aus Zeitgeschichte und Gegenwart.

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