Berlin (KNA) "Narcos" sind global bekannt, nicht allein dank der gleichnamigen Netflix-Serie über lateinamerikanische Drogenhändler, die bedenkenlos morden und enorme Reichtümer anhäufen können. Nazis sind mindestens genauso global bekannt. Was schräg emporgestreckte rechte Arme zu bedeuten haben, weiß man sofort - selbst wenn sie nur auf Schwarz-Weiß-Fotos aus einer südamerikanischen Kneipe zu sehen sind. Besteht ein historischer Zusammenhang zwischen Narcos und Nazis? Dieser spektakulären Prämisse geht die dreiteilige Doku-Serie "Das Nazi-Kartell" nach, die als deutsche Produktion für den Pay-TV-Anbieter Sky entstand und dort sowie bei Skys Streamingdienst Wow ab 15. Mai zu sehen ist. Die drei gut 45-minütigen Folgen setzen mit dem vom US-amerikanischen Präsidenten Nixon 1971 ausgerufenen "Krieg gegen Drogen" ein. In der Folge entstand die Drogenbekämpfungsbehörde DEA (Drug Enforcement Administration). Deren Ex-Agent Michael Levine ist der wichtigste der zahlreichen Gesprächspartner der Serie. Im verdeckten Einsatz in Südamerika fand er heraus, dass es sich beim "größten Drogenhändler der Welt" um Roberto Suarez handelte - der aus einer reichen, eigentlich als "Rockefellers of Rubber" bekannten bolivianischen Familie stammt. Und dann ist vom "geheimnisvollen Deutschen" Klaus Altmann die Rede. Unter diesem Namen lebte Klaus Barbie, einer der meistgesuchten Kriegsverbrecher, jahrzehntelang unbehelligt in Bolivien, bevor er 1983 nach Frankreich ausgeliefert wurde. Zunächst nutzte Suarez offenbar Barbies gute Verbindungen in Südamerika, wo sich in weiteren Staaten ebenfalls allerhand alte Nazis angesiedelt hatten. Dann entstand der Plan eines "Narkostaats", sagen die Filmemacher. Heißt: Suarez wollte einen seinen Drogenhandels-Interessen untergeordneten Staat statt Sozialisten in der Regierung. 1980 kam es zu einem Putsch, der durch besondere Gewaltsamkeit Aufsehen erregte. Barbie, dessen Identität die deutsch-französische Journalistin Beate Klarsfeld - mit eher kurzen heutigen Aussagen auch im Film vertreten - inzwischen enthüllt hatte, war offenbar beteiligt. Indizien deuten darauf, dass die Söldnertruppe "Novios de la Muerte" ("Die Verlobten des Todes") des nach dem Krieg geborenen Neonazis Joachim Fiebelkorn Foltermethoden einsetzte, die schon Barbie im besetzten Frankreich angewendet hatte. Wichtiger nimmt der Film freilich die - auch nicht abschließend geklärte - Frage, auf welche Weise US-amerikanische Dienste beteiligt waren. Zumindest arbeiteten die Drogenbekämpfer vom DEA und die CIA, die vor allem Antikommunismus im Sinn hatte, gegeneinander. Sichtlich und hörbar sind die Filmemacher tief in südamerikanische Archive gestiegen und auf bislang unbekannte Bild- und Tondokumente gestoßen. Die als "High-End" angekündigte Produktion (Kundschafter Filmproduktion, mobyDOK im Auftrag von Sky Deutschland, in Zusammenarbeit mit ZDFinfo) scheut sich dabei nicht, auch wenig attraktives, altes Bildmaterial zu verwenden - obwohl Reenactments (und in einem Fall eine KI-generierte Stimme) ebenfalls zum Materialmix gehören. So zeigt sich eine Doku-Serie für den Weltmarkt mit allen Vor- und Nachteilen. Zu den Vorteilen zählt Multiperspektivität. Viele Gesprächspartner und Zeitzeugen sprechen spanisch. Bei herkömmlicher europäischer oder US-amerikanischer Machart hätten bolivianische Perspektiven sicher eine geringere Rolle gespielt. Hier hört man Bolivianer von "Gringos" sprechen, und damit klar heraus, dass sie zum Drogenhandel nicht dieselben Ansichten wie Nordamerikaner und Europäer vertreten. Das Narrativ, dass Suarez (der im Jahr 2000 in Freiheit starb) ein Idealist gewesen sei, der die Armut in seinem Heimatland bekämpfen wollte, begegnet einem nicht nur einmal. Oberhand gewinnen dann allerdings doch US-amerikanische Perspektiven. Phasenweise verliert sich die Serie arg detailliert in der Schilderung von Agenten eingefädelter Drogendeals. Die Erzählstränge um lateinamerikanische Narcos und erst recht um deutsche Altnazis rücken dabei leider in den Hintergrund. Was genau Barbie in Frankreich tat, wird als bekannt vorausgesetzt und nur am Rande erwähnt. Aus deutscher Perspektive hätte man etwa darüber, wie der frühe, 1934 auf Hitlers Befehl ermordete Nazi Ernst Röhm schon in den späten 1920er Jahren für Boliviens Militär gewirkt hatte, gerne mehr gehört. Eine befreundete Mitschülerin der vermeintlichen Ute Altmann erzählt auf deutsch, wie sie einst im Hause Altmann erschrocken Nazisymbole auf dem Besteck entdeckt hatte. Dann taucht sie im Film nicht mehr auf. Deutschen in Bolivien widmet die Serie sich trotz der eingestreuten Behauptung, dass Altnazis "so was wie ein Viertes Reich schaffen" wollten, nur beiläufig. Umso ausführlicher geht es um DEA und CIA - obwohl auch da Publikumsinteressen und Perspektiven global auseinandergehen dürften. Einen richtig guten Ruf hatte die CIA, gerade wegen ihrer in Süd- und Mittelamerika zahlreich betriebenen "Regime Changes", schon lange vor Trump gerade in Europa eher nicht genossen. Kurzum: Voraussetzungsvoll und mit manchen losen Enden breitet der Dreiteiler eine verschlungene Gemengelage aus, in der vieles aufeinander trifft und einiges bis in die Gegenwart nachwirkt. Das ist anspruchsvoll in jedem Wortsinn.